Manchmal entdeckt man beim Spazierengehen etwas so Ungewöhnliches, dass man zweimal hinschauen muss, um ganz sicherzugehen, sich nicht getäuscht zu haben. So eine Überraschung kann einem beim Spaziergang über den städtischen Friedhof in Gerolzhofen (Lkr. Schweinfurt) blühen.
Denn dort hängt auf einem Familiengrab ein Briefkasten. Ein richtiger Briefkasten mit integrierter Zeitungsrolle. Die Metallkiste wurde an die Rückseite des schwarz glänzenden Grabsteins geschraubt. In unserer modernen Welt will oder muss ja jeder überall und jederzeit erreichbar sein. Aber braucht's am Ort der ewigen Ruhe tatsächlich noch einen Briefkasten? Dann wäre die Beerdigung ja eher ein Umzug und die Todesanzeige ein pietätvoll formulierter Nachsendeantrag.
Die Sache mit dem Briefkasten ist allerdings rein praktischer Natur. Im Zuge der optischen Verschönerung des Gerolzhöfer Gottesackers wurden in den vergangenen Wochen mehrere licht gewordene Thuja-Hecken zwischen den Grabreihen gerodet und die Flächen mit Rollrasen belegt. Was jetzt schön aussieht und von der Bevölkerung auch allgemein gelobt wird, hat aber einen kleinen Haken: Bislang wurden die Hecken auch genutzt, um hier Blumenvasen, Gießkanne und kleine Gartengeräte hinter dem Grabstein zu verstecken.
Jetzt stellt sich für viele Heckenlose die Frage: Wohin mit der Gerätschaft? Einfach auf den Rollrasen legen? Nein. Das sieht erstens nicht gut aus, zweitens schadet es auf Dauer dem Grün und drittens ist es von der Verwaltung nicht erwünscht. In dieser Notlage ist die Idee mit dem Briefkasten entstanden. Der kleine Handrechen und die Hacke sind jetzt sauber aufgeräumt. Und unten im Zeitungsrohr hat sogar die grüne Steckvase ihren Platz gefunden. Aus dem Briefkasten wurde der kleinste Geräteschuppen der Welt. In den sozialen Medien überschlägt sich ein Großteil der Kommentatoren ob der innovativen Idee vor Begeisterung. Der Leidensdruck wegen heimatloser Vasen und Handrechen scheint hoch zu sein. Viele sprechen gar von einer regelrechten Marktlücke. Vielleicht sei es künftig sogar möglich, dass der Steinmetz an der Rückseite des Grabsteins gleich ein optisch unauffälliges Servicefach vorsieht. Als Innovation aus dem Steigerwald.