Aus. Vorbei. Den „Kammerforster Teufel“ gibt es nicht mehr. Zumindest nicht mehr in personifizierter Form. Denn nach 35 Jahren als Symbolfigur der Kammerforster Weinlage hängt Johannes Pfister das Käppi mit den Hörnern endgültig an den Haken. Am Samstag wurde er im Rahmen einer Feierstunde vor dem Alten Rathaus in Breitbach aus dem Amt verabschiedet.
Zunächst einmal gibt es jedoch noch einmal ein ihm wohlbekanntes Zeremoniell. Mit der Steigerwaldkapelle Oberschwarzach an der Spitze marschieren die Ehrengäste vom Alten Rathaus in Breitbach zum Pfister'schen Weingut nach Kammerforst, um den Teufel abzuholen. Wenige hundert Meter nur, die Kapelle schafft gerade mal ein Musikstück. Vor dem Haus warten bereits Johannes Pfister und seine Familie.
Roland Konrad, der Vorsitzende des Fremdenverkehrs- und Heimatvereins, bringt zur Begrüßung kaum einen Ton heraus. „Da verschlägt es mir glatt die Stimme“, meint er entschuldigend. „Mach' Dir keine Sorgen. Mir wird es heute noch genauso gehen“, tröstet ihn der Noch-Teufel. Er soll recht behalten. Es wird eine kleine, aber emotionale Abschiedsfeier werden. Ein paar Tränchen inklusive. 35 Jahre schüttelt man eben doch nicht einfach so aus dem Frack.
Auch Heino war da
Fast auf den Tag genau ist es am Samstag dreieinhalb Jahrzehnte her, dass Winzersohn Johannes zum Teufel „gehörnt“ wurde. 16 Jahre war er damals alt. Kammerforst hat zu diesem Zeitpunkt bereits ein weithin bekanntes Weinfest, bei dem schon Showgrößen wie Heino auf der Bühne standen. „Das war damals so, wie wenn heute Helene Fischer auftritt“, erinnert sich Johannes Pfister zurück – wie auch daran, dass der blonde Barde mit der dunklen Brille ziemlich arrogant rüberkam.
Auch eine Kammerforster Weinprinzessin gibt es damals bereits seit einem Jahr. Zeitgleich mit der Amtseinführung des Teufels wird deren Nachfolgerin Monika Müller inthronisiert. Der Weinbau im Ort boomt zu dieser Zeit. Die Rebfläche vergrößert sich im Rahmen der Flurbereinigung von zwölf auf 30 Hektar. Veredelte Rebstöcke lösen die wurzelechten ab, bringen mehr Ertrag. Eine Mengenregulierung kennt der Frankenwein in diesen Tagen noch nicht. Statt 120 000 Litern wollen nun auf einmal bis zu 450 000 an den Mann, respektive die Frau gebracht werden.
Da reift in Altbürgermeister Fritz Eberlein, damals Vorsitzender des Heimatvereins, der Plan, der Weinprinzessin eine Symbolfigur zur Seite zu stellen. Doppelt gemoppelt wirbt es sich eben besser. Die Wahl fällt auf Johannes Pfister, der damals noch zur Realschule geht. Er wird zur Personifizierung der Kammerforster Weinlage, die seit 1971 unter dem Namen „Teufel“ in der Weinbergsrolle eingetragen ist.
Alte Pratrizierfamilie
Mit dem Leibhaftigen hat der Name indes gar nichts zu tun. Die Teufels waren vielmehr eine Patrizierfamilie, die Besitzungen in Kammerforst hatten. Auf diese begüterten Herrschaften spielt der feine Zwirn an, in den Johannes Pfister Zeit seines Teufelslebens immer gedresst war: Frack, weißes Hemd, Fliege. Und damit der Teufel auch für weniger in Heimatgeschichte Beflissene als solcher zu Erkennen ist, gab es ein knallrotes Käppi mit schwarzen Teufelshörnchen noch dazu.
Das Käppi, es ist noch das gleiche wie vor 35 Jahren. Das knallige Rot hat an manchen Stellen ein wenig von seiner Intensität eingebüßt, aber die Prophezeiung, die ein Kammerforster dem einst jugendlich-ungestümen Teufel machte, ist nicht eingetreten. „Du wirst Dir die Hörner schon noch abstoßen“, schrieb er dem Johannes ins Stammbuch. „Hab' ich aber nicht“, schmunzelt dieser heute. Einmal, nur einmal sei eines der Hörner abgefallen und musste geklebt werden. Ausgerechnet beim Oberschwarzacher Weinfest.
Aber sonst? Noch immer Original-Equipment. Zumindest auf dem Kopf. Schwalbenschwanz, Hose und Hemd sind auf dem Weg vom Teenager zum gestandenen Mannsbild natürlich nicht mitgewachsen und mussten zwischenzeitliche Upgrades erfahren. Doch Frack und Käppi machen den Kammerforster Teufel schnell unverwechselbar. Überall ist er gerne gesehen, und immer fliegen ihm die Herzen zu, wie sich seine langjährigen Weggefährten erinnern.
Lachen mit Barbara Stamm
Und Johannes ist auch nicht auf den Mund gefallen. Als er bei einem Termin auf der Stollburg einmal Barbara Stamm begegnet, mustert diese sein Outfit und meint: „Ha'm wir heut' Fasching, oder was?“ Die Retourkutsche folgt prompt, denn dem Teufel ist sofort die blaue Bluse der Landtagspräsidentin aufgefallen: „Nur weil Sie eine blaue Bluse anhaben, ist noch kein Fasching“, entgegnet er in Anspielung an Stamms legendäres „blau's Klääd“ bei der Fernsehsitzung „Fastnacht in Franken“ lapidar. „Wann immer wir uns danach wieder begegnet sind, haben wir darüber gelacht“, erinnert sich Johannes Pfister zurück.
Überhaupt: Wer so lange im Dienste des Frankenweins unterwegs ist, kann einiges an Anekdoten auspacken. Über die erste Weinmesse zum Beispiel, zu der er von Amts wegen reiste. 1988 war das, nach Hamburg. „Das war schon fast ein Kulturschock“, sagt er heute, und der junge Johannes fällt fast vom Glauben ab, als er sieht, dass der Bocksbeutel mit einem Verkaufspreis von einer Mark zwanzig ab Kammerforst in der Hansestadt für satte 15 Mark verkauft wird. Eine Flasche Sekt auf der Reeperbahn kosten ihn und seine Begleiter gar 75 Mark: „Die teuerste Flasche Sekt, die ich je mit gekauft habe.“
Unterwegs mit Diko
Oder über die Weinwerbereise mit dem „Weinpapst aus dem Steigerwald“ Dietmar Kordowich. Zusammen mit einigen Weinprinzessinnen geht es nach Nürnberg. Dort, wo im Advent das Christkind seinen berühmten Prolog spricht, soll im Frühjahr mit einem Probeausschank für die Weinfestsaison im Steigerwald geworben werden. „Diko, das ist schon alles genehmigt, oder?“, fragen die jungen Weinrepräsentanten etwas zögerlich, um ein überzeugtes „Ja klar“ zur Antwort zu bekommen. Heute weiß es der Teufel freilich besser: „Das ging so lange gut, bis das Ordnungsamt kam und wir stiften gingen.“
Viel Zeit hat Johannes Pfister für sein Ehrenamt geopfert, wie der Oberschwarzacher Bürgermeister Manfred Schötz vorrechnet. Zeit, die seine Frau und seine drei Kinder irgendwo vom Familienleben abknapsen müssen. „Du musstest Deinen Johannes immer mit dem Kammerforster Teufel teilen“, meint Schötz in Richtung von Pfisters Frau Angelika. Die er im Übrigen gar nicht hätte ehelichen dürfen, hätten nicht die Kammerforster Propheten einmal mehr daneben gelegen. „Der heiratet sowieso mal eine Weinprinzessin“, war der einhellige Tenor. Nur: Angelika trug nie eine Prinzessinnenkrone.
Viele schöne Momente
Familiäre Begleitung hatte der Teufel aber doch ab und an. Eine der Weinprinzessinnen, die ihn in den ersten seiner 35 Jahre begleitete, war seine Schwester Renate. Und 30 Jahre nach seiner Amtseinführung, 2013, trat für zwei Jahre seine älteste Tochter Karina an seine Seite.
Auch wenn die Zeit als Teufel manchmal Entbehrungen mit sich brachte, will Johannes Pfister sie nicht missen. Er erinnert sich an viele Momente, an denen er Menschen einfach eine Freude machen konnte. Vor allem denkt er da an den deutsch-deutschen Weinexpress, der 1991 kurz nach der Grenzöffnung von Zwickau nach Gerolzhofen zum Weinfest rollt. Jedem Abteil wird eine Weinprinzessin oder Symbolfigur zugeordnet, die dort kostenlos Wein ausschenkt. Auch Johannes. „Die hatten eine derartige Freude, da habe ich ein richtig gutes Gefühl gehabt“, bekennt Pfister: „Das war ein sehr emotionaler Moment.“
Wie auch nun, als er endgültig das rote Käppi mit den Hörnchen absetzt. Ganz leicht fällt es ihm nicht. Man merkt es. Auch, wenn er es eigentlich schon vor einem Jahr machen wollte und erst von Roland Konrad überzeugt werden musste, die 35 doch bitteschön noch voll zu machen. Jetzt sind noch einmal alle alten Weggefährten gekommen, um ihm für seinen unermüdlichen Einsatz zu danken. Fritz Eberlein und Hans Schwab, die einstigen Weinfestleiter. Altbürgermeister Josef Radler. Die einstigen oder aktuellen Vertreter der Tourismusverbände wie Victor Fieger, Beate Glotzmann oder Monika Lindner. Etliche seiner ehemaligen Weinprinzessinnen nebst der derzeitigen, Selina Dusolt. Und sein Symbolfigur-Kollege Guido Plener, den er 2016 als „Schlossherr vom Herrenberg“ in Oberschwarzach mit installierte.
Ein endgültiges „Ade!“
Immer „bella figura“ habe er gemacht, stets „ein perfektes Bild unserer Region abgegeben“, „eine außergewöhnliche Persönlichkeit“ sei er gewesen, heißt es in den vielen Dankesreden. Auch Pfister hat zu danken, vor allem all seinen Kammerforstern und Breitbachern sowie seiner Familie. Und dann wird der Teufel noch einmal ganz pragmatisch: „Es gilt das gleiche wie bei jeder Beerdigung: Man sollte nicht trauern, weil jemand geht, sondern froh sein, dass man ihn so lange gehabt hat.“ Die Weinwerbung der Region hatte Johannes Pfister 35 schöne und intensive Jahre als Sympathieträger. Nun aber wird das rote Käppi mit den schwarzen Hörnern eingemottet. Der Teufel hat abgedankt.