Im Jahr 2017 treffen zwei besondere Ereignisse zusammen: 500 Jahre Reformation durch Martin Luther und der 400. Todestag des Würzburger Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn. Beide Männer haben auf unterschiedliche Weise deutliche Spuren in der Geschichte von Gerolzhofen hinterlassen. Zahlreiche Vorträge, Ausstellungen und Führungen werden dies beleuchten. Die zentrale Veranstaltung in 2017 ist aber das Theaterstück mit dem Titel „Du musst dran glauben“.
Gerolzhofen war für Jahrhunderte eine Stadt des Fürstbistums Würzburg. Der Würzburger Fürstbischof war sowohl geistliches Oberhaupt als auch der weltliche Herrscher. Die Gedanken von Martin Luther fanden auch im Raum Gerolzhofen viele Anhänger, auch unter den Priestern. Die Stadt war über nahezu zwei Generationen evangelisch, der Pfarrer und die Vikare waren verheiratet, im Pfarrhaus spielten Kinder.
Die Regentschaft Julius Echters beendete jedoch diese protestantisch geprägte Phase. Als Fürst setzte er konsequent das um, was im Augsburger Religionsfrieden anno 1555 verankert worden war und auf das sich die Regierenden beriefen: Der Herrscher allein bestimmt die Konfession der Untertanen in seinem Territorium. Die müssen glauben, was ihr Fürst glaubt – oder die Konsequenzen tragen.
Ein schmerzlicher Aderlass
Die protestantischen Bürger von Gerolzhofen wurden vor die Wahl gestellt, ihre Heimatstadt zu verlassen oder sich zum katholischen Glauben zu bekennen. Mehrere hundert Gerolzhöfer Exulanten verließen ab 1586 ihre Heimat und ließen sich in evangelischen Gebieten nieder, zum Beispiel in Bimbach, Prichsenstadt oder Kitzingen. Die so genannte Gegenreformation Echters war trotz dieses Aderlasses erfolgreich: Der erneuerte katholische Glaube wurde für die nächsten Jahrhunderte in Gerolzhofen als die einzige christliche Religion etabliert.
Wichtige historische Orte und Bauten, die mit diesen historischen Umbrüchen in Verbindung stehen, sind in Gerolzhofen heute noch vorhanden. So bietet sich die einmalige Chance, sich mit einem Theaterstück exemplarisch mit den Geschehnissen der Reformation und Gegenreformation auseinanderzusetzen.
Mehrschichtiger Titel
Das Stück hat den Titel „Du musst dran glauben“ – ein Titel, der bewusst unterschiedlich ausgelegt werden kann und soll. Da ist zum einen der Religionszwang, den der Fürst ausübt. Und zum anderen steht auch die drohende Konsequenz im Raum, wenn man seiner eigenen Überzeugung folgt und nicht die des Herrschers. Der Titel transportiert so die zentrale Struktur des Projektes: Weltgeschichte bricht sich vor Ort und wird in ihrer ganzen teils tragischen Konsequenz sicht- und erlebbar. Die Menschen des 16. Jahrhunderts werden mit ihren Gedanken, Freuden und Sorgen erlebbar. Die Perspektive auf die damaligen Vorgänge in Gerolzhofen sorgt dafür, die Bedeutung dieses Geschehens mit all seinen Auswirkungen bis in die heutige Zeit zu erkennen und zu reflektieren.
Eine Besonderheit des Theaterprojekts ist die enge Verbindung von historischer Geschichtsforschung und dramaturgischer Umsetzung. Wie bereits 2015 bei dem Theaterstück „Frl. Schmitt und der Aufstand der Frauen“ wird auch beim neuen Stück die wissenschaftliche Aufarbeitung der Datenquellen eine zentrale Stellung einnehmen. Die Recherchen von Geschichtsprofessor Dr. Rainer Leng (Universität Würzburg) flossen direkt mit ein, als die Autorin Christine Weisner (Würzburg) das Theaterstück schrieb.
Inszeniert wird es von Silvia Kirchhof, uraufgeführt von zahlreichen Akteuren des Kleinen Stadttheaters Gerolzhofen. Die beiden Hauptrollen übernehmen Berufsschauspieler. Die Proben der Schauspieler beginnen im November.
Das Projekt findet schon jetzt überregional große Beachtung. Die hohe Wertigkeit zeigt sich auch daran, dass Heinrich Bedford-Strohm, der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, die Schirmherrschaft übernommen hat. Bedford-Strohm wird selbst nach Gerolzhofen kommen und eine Aufführung besuchen. Auch der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann ist sehr interessiert und hat einen Besuch angekündigt.
Der Ablauf ist unkonventionell. Es handelt sich um ein Wandeltheater. Soll heißen: Am Beginn starten vier Besuchergruppen mit jeweils rund 110 Zuschauern an den vier historischen Spielorten und erleben dort eine Inszenierung mit einer Spiellänge von jeweils etwa 20 Minuten. Danach ziehen die Gruppen weiter zum jeweils nächsten Spielort. Nach der vierten Etappe treffen sich alle Besuchergruppen im Spitalgarten zum gemeinsamen Abschluss.
Die ganze Altstadt ist ein Theater
Die Gruppen werden jeweils von zwei Schauspielern geführt. Und auch auf den Wegen zwischen den Spielorten finden kleine Spielszenen statt. Somit wird die für den Verkehr gesperrte Altstadt mit ihren historischen Gebäuden selbst ein Teil des Stücks.
Dies sind die vier Spielstätten: • Spitalkirche: Hier geht es um die Echterschen Sozialreformen und um christliche Wohltätigkeit im Alltag der Menschen; • Julius-Echter-Vogtei und Eulenturm: An historischer Stätte werden die Hexenprozesse thematisiert.
Glauben und Aberglauben, die rechtskonformen Gerichtsverfahren, Schlendrian und Exzess, das sind die Themen, die hier dramaturgisch und effektvoll umgesetzt werden; • Evangelische Erlöserkirche: Bleiben oder gehen? So lautete die entscheidende Frage, die sich protestantische Familien stellen mussten – mit teils tragischen Auswirkungen; • Katholische Stadtpfarrkirche: Die Missstände in der alten Kirche werden aufgezeigt, bis schließlich Fürstbischof Julius Echter prachtvoll in den Steigerwalddom einzieht, die wichtigsten Männer des Stadtrates vortreten lässt und seine Maßnahmen der Gegenreformation verkündet. • Im Spitalgarten, wo sich die vier Zuschauergruppen schließlich treffen, kommt es zum Abschluss zum Aufeinandertreffen von Martin Luther mit Julius Echter. Diese fiktive Begegnung kommentiert die existenziellen Auseinandersetzungen, die zuvor an den vier Spielorten zu sehen waren. Zugleich ermöglicht dieses fiktive Treffen aber auch eine leichtere Übertragung der Themen auf die heutige Zeit.
Da die vier Teile des Wandeltheaters nebeneinander stehen und nicht aufeinander aufbauen, spielt die Reihenfolge der Spielsequenzen keine Rolle. Allerdings ist das Wandeltheater nicht barrierefrei. Für alle diejenigen, die die Strecken zwischen den Spielorten nicht laufen wollen oder können, findet extra eine Nachmittagsvorstellung in der Stadthalle statt.
Die Uraufführung ist am 24. Mai 2017. Es folgen weitere elf Vorstellungen am 25. bis 28. Mai und vom 1. bis 5. Juni 2017. Zudem in der Stadthalle am 28. Mai und 4. Juni 2017.
Der Kartenvorverkauf startet an diesem Montag, 24. Oktober, bei der Touristinformation, bei Teutsch am Turm, bei allen anderen bekannten Vorverkaufsstellen und im Internet im Ticketportal www.adticket.de