Die Geschichte ist ihm wichtig. Dafür lebt er. Als Reichsschultheiß tritt er in seiner Heimatgemeinde Gochsheim seit 1996 auf, seit kurzem berichtet er auch als Reichsvogt in Schweinfurt über alte Zeiten. Er ist Gründungsmitglied des Historischen Förderkreises Gochsheim, den er lange Jahre (1996 bis 2005) führte. Er sorgte und sorgt dafür, dass die Geschichte der Juden in Gochsheim nicht in Vergessenheit gerät. Auf seine Anregung im Fränkischen Bund hin wurde der Tag der Franken ins Leben gerufen, der nun jährlich begangen wird.
Die Rede ist von Leo Jäger, der am morgigen 4. Advent 75. Geburtstag feiert. Vater Georg war Ziegelarbeiter, Mutter Amalie Hausfrau. Leo wurde als siebtes von neun Kindern in Järkendorf geboren. Sein Job als Dienststellenleiter der Bundesbahn machte ihn und seine Frau Roswitha zu Gochsheimern.
Der Neubürger engagierte sich von Anfang an: Mitgründer der JU, Vorsitzender des TSV, Büttenredner und Vorstandsmitglied beim GCC, Mitglied im Gartenbauverein, Mitgründer der Freien Bürger Union, für die er 18 Jahre im Gemeinderat saß, später Akteur bei den Unabhängigen Wählern Gochsheim.
Der Jubilar hat alle nur denkbaren Auszeichnungen erhalten: Die Bürgermedaillen in Bronze, Silber und Gold, den Dank des Freistaates für sein Wirken im Gemeinderat. Verdienstmedaillen erhielt er vom TSV (mit Ehrenmitgliedschaft), vom Landessportverein und – klar – vom Historischen Förderkreis.
Der war für den langjährigen freien Mitarbeiter auch dieser Zeitung seine zweite Heimat. Dass er es nicht lassen kann, zeigt diese Recherche, zu der ihn die Wahl von Bürgermeisterin Helga Fleischer animierte: Sie ist tatsächlich die erste Frau auf dem Chefsessel. Seit 1402 gibt es eine Auflistung der Amtsinhaber, in dieser Zeit haben nur Männer Gochsheim regiert. Auf der langen Liste tauchen viele Namen von Familien auf, die es heute noch gibt. Von einem der wohl bekanntesten Reichsschultheiße, Lorenz Hahn, existiert noch ein Kelch, den dieser der Kirchengemeinde vermacht hatte, schildert Jäger.
Er selbst ist Schultheiß, er ist qualifizierter Gästeführer, führt auch durchs jüdische Museum in Würzburg und zuhause in seinem Gochsheim regelmäßig zu den ehemals jüdischen Stätten. Seit 40 Jahren tauscht er sich mit Dodie Gottlieb aus Aschdod aus, einer 200 000-Einwohnerstadt in Israel. 25 Mal war das Mitglied der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Unterfranken schon in Israel.
Dem Neuen steht er ebenso aufgeschlossen gegenüber. Seit es das soziale Netzwerk Facebook in Deutschland gibt, ist Leo Jäger dabei. „Ich bin halt offen und kommunikativ“, sagt der Jubilar, der in Gochsheim – und da schließt sich der Kreis – natürlich in einem historischen Haus wohnt: Ein Bürgerhaus aus dem Jahr 1689. Es gratulieren sechs Kinder, die auch schon wieder Kinder haben.