Geboren und aufgewachsen ist Pfarrer Rainer M. Schießler 1960 in München-Laim, nicht gerade ein „In-Viertel“. Nach der Priesterweihe 1987 und Kaplansjahren ist er seit 1993 Stadtpfarrer in St. Maximilian im Glockenbachviertel - und seit 2011 auch noch „Nebenbei-Pfarrer“ in Heilig Geist, einer der wohl schönsten Kirchen Münchens, direkt am Viktualienmarkt.
So stellte sich Pfarrer Schießler bei seiner Lesung, die eher ein Vortag war, den rund 150 Besuchern in der proppenvollen Bergrheinfelder Gemeindebibliothek vor. „Auftreten statt austreten“, lautet sein Appell in einer Zeit, in der so viele Menschen wie nie die katholische Kirche verlassen. Sein Rezept heißt Klartext.
„Du musst auf die Menschen zugehen“, sagte er. Das könne die heutige Kirche nicht, es gebe beispielsweise keine Mitsprache bei der Besetzung von Priester- oder Bischofsstellen. Wenn es keine Kritik gäbe, gebe es die Kirche heute nicht mehr, stellte Schießler fest.
„Ich bin ein so glücklicher Mensch, denn man hat mir Kirche als Himmel angeboten“, sagt der Pfarrer. Und dafür streitet er und läuft den Menschen hinterher. Während die Zahl der Gottesdienstbesucher in manchen Pfarreien zunehmend zurückgeht, hat der Seelsorger Sonntag für Sonntag ein volles Haus. Mit unkonventionellen Methoden bemüht er sich, das Wort Gottes zu verkünden, und erreicht damit die Menschen.
Im Frühjahr segnet der leidenschaftliche Motorradfahrer in der Gemeinde die Maschinen der Väter und die Bobbycars der Kleinsten, an Heiligabend lässt er einen DJ auflegen und schenkt Sekt aus – schließlich wird der Geburtstag Jesu gefeiert. „Du musst die Leute mögen, Liturgie darf nicht wehtun und Sakramente musst du spüren“, lauten einige seiner Leitlinien.
Von der Kirche nicht mehr berührt
Das Bedürfnis nach Glauben sei bei den Menschen da, doch sie fühlten sich von der Kirche nicht mehr berührt, hat der 55-Jährige im Laufe der Zeit die Erfahrung gemacht. Geprägt hätten ihn immer wieder markante Priesterpersönlichkeiten, die ihm den Weg gewiesen haben.
Was „Liebe deinen Nächsten“ und bedingungslose Barmherzigkeit wirklich seien, kennt der Pfarrer heute. Niemand habe ihn danach noch einmal irgendetwas aus dem Wirken von Jesus Christus erklären müssen. „Wer das Prinzip der Nächstenliebe nicht mit jeder Faser seines Seins in sich aufgesogen hat, der soll niemals Priester werden“, so seine Überzeugung.
Prägende Erfahrungen für die Seelsorge habe er später auch gemacht, als er Taxi fuhr, um sich damit sein Theologie-Studium zu finanzieren. Da sei er auf eine Wirklichkeit getroffen, von der im Priesterseminar nichts zu hören und zu sehen gewesen sei.
Lebendig schildert Schießler seine Lebensgeschichte, seine erste Begegnung mit Franken, wo eine Großtante im Kloster Oberzell Nonne war. Dazu gehört das Scheitern bei den Kapuzinern ebenso wie der frühe Verlust seiner Mutter.
Und dann ist da wieder der kämpferische Don Camillo, der das Glockenläuten gegenüber Kritikern verteidigt und den richtigen Ton findet für homosexuelle Katholiken oder aus der Kirche Ausgetretene. Auch dazu gehören seine Erlebnisse mit Jugendgruppen im Heiligen Land.
Im Mittelpunkt der Mensch
„Gewaltlosigkeit, Nächstenliebe und Fremdenliebe finde man in allen Weltreligionen“, sagte Schießler. Auch Thora, Koran und Bibel beinhalteten gleiche Personen. Als Beispiel nannte er die schwangere Maria, und er sehe keinen Unterschied zwischen diesen drei Religionen. Konventionen sind seine Sache nicht.
Im Mittelpunkt stehe für ihn der Mensch. Er liebe seine Kirche, auch wenn er sie kritisiere. Und wenn der liebe Gott heute die Erde sehe, würde dieser wahrscheinlich mit purer Verzweiflung oder Schenkelklopfen reagieren.