Die Veröffentlichung eines historischen Bildes in der Main-Post, das ein vierspänniges Pferdefuhrwerk mit einem großen Bierfass bei einem Festzug in der Grabenstraße zeigt, hat für das Gerolzhöfer Stadtmuseum den gewünschten Effekt gebracht: Mehrere ältere Gerolzhöfer meldeten sich, die Personen auf der Fotografie erkannt hatten.
Doch neben den Anrufen mit dem Motto "Ich weiß was" gab es auch Meldungen, die mit den Worten begannen "So etwas habe ich auch." So wurde dem Museum aus einem alten Familienalbum eine tolle, bislang unbekannte Fotografie leihweise zum Einscannen überlassen, das ebenfalls einen Vierspänner vor einem geschmückten Festwagen mit einem großen Bierfass zeigt. Das Foto ist leider weder datiert noch beschriftet.
Gambrinus auf dem Fass
Die Fotografie entstand – das ist klar zu erkennen – in Gerolzhofen am unteren Ende der Spitalstraße am Neptunbrunnen vor der damaligen Brauerei-Gaststätte von Joseph Stephan. Der Wagen ist mit Tannenreisig und Birken geschmückt und trägt das Transparent "Hand in Hand mit dem Bauernstand". Ein Plakat weist zudem darauf hin, dass es sich um den Wagen der Brauer-Zunft Gerolzhofen handelt. Auf dem Fass sitzt eine Person, die mutmaßlich den König Gambrinus, den angeblichen Erfinder des Bierbrauens, darstellen soll.
Daneben stehen junge Männer mit Lederschürzen und Maßkrügen. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um die Inhaber oder Mitarbeiter der hiesigen Brauereien. Bis jetzt konnte nur eine Person auf dem Wagen identifiziert werden und zwar der Mann hinter dem, der die Zunftfahne hält: Es handelt sich um den Brauereibesitzer Richard Greß (1910 - 1945). Greß dürfte zum Zeitpunkt der Aufnahme Mitte/Ende 20 gewesen sein. Daraus lässt sich schließen, dass das Foto Mitte/Ende der 1930er-Jahre entstanden sein dürfte.
Vermutlich Landwirtschaftsfest
Aus welchem Anlass der Festwagen durch die Gerolzhöfer Altstadt fuhr, darüber kann man nur spekulieren. Das Transparent "Hand in Hand mit dem Bauernstand" ist aber ein Hinweis darauf, dass die Bierbrauer zu Gast waren bei einer Veranstaltung der Landwirtschaft. In der Tat gab es früher in Gerolzhofen – erstmalig anno 1851 – landwirtschaftliche Feste mit Tierschauen und Tierprämierungen. Höhepunkt dieser Feste in der Kreisstadt waren jeweils die großen Umzüge. Im Stadtarchiv gibt es mehrere alte Fotografien von Festwagen, die bei solchen Umzügen mitgeführt wurden.
Bei den Festzügen nahmen – quasi als schmückendes Beiwerk – auch die örtlichen Vertreter der ehemaligen Handwerkszünfte teil, die sich inzwischen "Gewerbsvereine" nannten. Es gab eine ganze Reihe solcher Gewerbsvereine damals in Gerolzhofen: die Schneider, Bäcker, Müller, Schreiner, Schuhmacher, Seiler, Weber und Knopfmacher, Büttner, Bierbrauer und die Zusammenschlüsse "Leder" (Sattler, Buchbinder und Gerber), "Eisen" (Schmiede, Schlosser, Spengler, Wagner, Kupfer- und Nagelschmiede) sowie "Bau" (Zimmermänner, Maurer und Schlotfeger).