Als Murat Pamuk Mitte der neunziger Jahre bei Beständig in Gochsheim den Beruf des Kfz-Mechanikers erlernte, war es für deutsche Betriebe noch durchaus unüblich, Auszubildende mit Migrationshintergrund einzustellen. „Pamuk war nicht unser erster Türke“, sagt Angelika Beständig heute etwas flapsig. Für sie und ihren Gatten Conny, die den 180-Mann-Betrieb heute führen, „zählte bei den Bewerbungsgesprächen stets erst der Mensch, dann das Papier“. Wobei mit Papier zunächst das Zeugnis gemeint ist – und nicht der Reisepass.
Die Beständig Autowelt stand am Montag ebenso auf dem Besuchsprogramm des Integrationsbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung, Martin Neumeyer, wie der Kfz-Meisterbetrieb Pamuk oder die Frieden-Mittelschule in Schweinfurt; alles Einrichtungen, mit denen der erste und einzige „Ausbildungsakquisiteur für türkischstämmige Migranten“ in der Region, Halil Cesur, „netzwerkt“. Neumeyer hatte Cesur vor einem halben Jahr bei einer Fachtagung für Ausbildungsberater kennengelernt und war nach einem Pausengespräch neugierig geworden auf dessen Arbeit in Schweinfurt.
Jetzt informierte er sich einen Tag lang über konkrete Ergebnisse des alltäglichen Bemühens von Cesur, jungen Türken die deutsche Arbeits- und Ausbildungswelt nahezubringen. Pamuk ist kein solches Ergebnis, er war schon da, als es den Akquisiteur in dieser Rolle noch nicht gab. Er ist aber doch ein leuchtendes Beispiel dafür, wie ein junger Mensch mit Migrationshintergrund seine Chancen im deutschen Wirtschaftssystem wahrnehmen kann, wenn er sinnvoll an dieses herangeführt und begleitet wird.
Bei Beständig, wo man großen Wert auf die Qualität der Ausbildung legt und unter anderem das Projekt „Ausbildung im Dialog“ ins Leben gerufen hat (Auszubildende wirken darin selbst an der Verbesserung der Lehrabläufe mit), erhielt Pamuk das fachliche Rüstzeug für seine spätere Selbstständigkeit. Die Handwerkskammer – vertreten insbesondere durch Ausbildungsberater Roland Maul – unterstützt den Kfz-Gesellen aktuell bei seinem Weg zum Meisterbrief, hilft ihm in der Übergangsphase, sein Gewerbe in dem technisch anspruchsvollen Bereich verantwortungsbewusst auszuüben.
„Herr Pamuk ist der größte Fürsprecher Ihres Betriebs.“ Diese Botschaft brachte Martin Neumeyer mit zu den Beständigs, die inzwischen reihenweise türkischstämmige Auszubildende freigesprochen haben und aktuell drei Lehrlinge mit Migrationshintergrund betreuen. Chancen bekommen dort indes auch Jugendliche aus dem Umfeld der Russlanddeutschen, wobei die Eintrittskarte in den Betrieb meist ein erfolgreich absolviertes Praktikum ist. Dieses Instrument zur Berufsorientierung „war in vielen türkischen Familien früher überhaupt nicht bekannt“, betont Halil Cesur. Seit er über die verschiedenen türkischen Vereine aktiv an die Eltern herantritt und diese für die berufliche Zukunft ihrer Kinder sensibilisiert, fragen diese auch verstärkt Praktika nach und bewerben sich auch frühzeitiger bei potenziellen Ausbildungsbetrieben.
„Sie müssen zu uns passen – und Deutsch können“, nennt Angelika Beständig eine zweite Grundvoraussetzung für die Einstellung von Jugendlichen aus Migrantenfamilien. „Und sie müssen loyal sein, unserem Betrieb eine gewisse Wertschätzung entgegenbringen“, ergänzt ihr Mann Conny. Bei den türkischstämmigen Jugendlichen ist das meist gar kein Problem. „Dort gibt es noch Werte wie Respekt und Ehrfurcht vor Älteren und Vorgesetzten“, weiß Ausbildungsbeauftragte Anna Barthelme. Die junge Frau hätte keine Probleme damit, von den türkischen Jugendlichen – wie von allen anderen Azubis im Betrieb – geduzt zu werden. Doch die haben eine anerzogene Scheu vor zu großer Vertrautheit mit der – wenn auch nur wenig – älteren Frau.
„Ihr Betrieb hat Vorbildcharakter“, lobt Martin Neumeyer die integrativen Bemühungen der Beständigs. Er sagt aber auch: „Wer heute nicht das Potenzial ausbildungswilliger Migranten hebt, der wird morgen bei den Facharbeitern in die Röhre schauen.“ Die Demografie unserer Bevölkerung werde automatisch dazu führen, dass „multikulturelle Belegschaften“ in deutschen Betrieben zum Alltag werden.