Vor sage und schreibe 75 Jahren hat die Handball-Männermannschaft des TV Gerolzhofen ihren ersten Meistertitel errungen. Von den Handball-Pionieren der Stadt sind heute nur noch wenige am Leben. Einer von ihnen ist Edgar Weigand. Der 93-Jährige lebt im Wohnstift Steigerwald und erinnert sich noch gut an die Zeit, als er als 20-Jähriger mit dem Handball-Sport begonnen hat.
Handball war seinerzeit in Gerolzhofen noch eine ganz junge Sportart. Als die Gerolzhöfer im Jahr 1949 ihren ersten Meistertitel holten, war die Handballabteilung gerade mal zwei Jahre alt. Im Jahr 1947 war die Handballabteilung mit drei Mannschaften aus der Taufe gehoben worden: Herren-Mannschaft, Reservemannschaft und Damen-Mannschaft.

Erster Abteilungsleiter war Rudi Mai, der drei Jahre im Amt war. Ihm folgten Sepp Wolf (1951 bis 1956), Otto Knorr (1957 bis 1961) und Edgar Weigand (1962 bis 1964). Weigand selbst begann im Jahr 1951 mit dem Sport und gehörte der Mannschaft an, der im selben Jahr die zweite Meisterschaft in der Kreisliga der A-Klasse Schweinfurt gelang.
Jugendmannschaften gab es noch nicht
Wie sich Edgar Weigand im Gespräch mit dieser Redaktion erinnert, gab es damals keine Handball-Jugend. Wer sich für den Sport interessierte, der begann wie er als junger Erwachsener. Trainiert wurde damals nur im Freien, am sogenannten Säusee. An der Stelle steht heute das Gerolzhöfer Hallenbad.

Ein entscheidender Unterschied zum heutigen Handball lag in der Größe des Spielfelds. Denn dieses lag nicht nur unter freiem Himmel, sondern war viel größer als heutzutage, erzählt Weigand. Das Handball-Großfeld war von den Ausmaßen her identisch mit den Spielfeldern, auf denen Fußball gespielt wird. Die Tore waren ebenfalls entsprechend groß.

Größer als heutzutage waren auch die Bälle, mit denen gespielt wurde. "Die waren aus Leder und entsprechend schnell hart und glitten einem schnell aus der Hand, weil sie so flutschig waren", erinnert sich Weigand.
Auf dem Großfeld standen pro Mannschaft elf Spieler, wie beim Fußball. Das Spielfeld war in drei Drittel unterteilt und es galt die Regel, dass sich immer nur sechs Spieler in einem Drittel aufhalten durften.
Nach dem Spiel gab's kein Nachkarten
Die Spieler riefen sich während des Spiels auf dem Feld immer nur mit Spitznamen, um den Gegner zu verwirren. Weigand hieß "Kreute", abgeleitet von Kröte. Wie kam's dazu? Er selbst gebrauchte dieses nicht böse gemeinte Schimpfwort gerne, um andere damit zu necken, wenn dies beispielsweise einen Spielzug vergeigt hatten. "Doch nach Spielende galt bei uns immer die Devise: Vorbei ist vorbei", sagt Weigand. Fehler, die während des Spiels passiert waren, wurden anschließend nicht mehr diskutiert.

Am liebsten erinnert sich Weigand, der als Finanzbeamter arbeitete, an den Zusammenhalt in der Mannschaft, die weit über die Zeiten auf dem Spielfeld hinausreichten. Karlheinz Hauck (76), ebenfalls einer der alten noch lebenden Handball-Haudegen in Gerolzhofen, bestätigt dies. Altersgrenzen spielten keine nennenswerte Rolle. Jüngere und Ältere spielten nicht nur zusammen, sie verbrachten auch ihre Freizeit zusammen. Beide Ex-Handballer sprechen von den Stammtischen, die immer freitags in wechselnden Gaststätten in der Stadt besucht wurden.
Sie erinnern sie sich noch gut daran, dass eines Freitags, spätabends zwei Handballer aus dem Klofenster des heutigen "Tor zum Steigerwald" türmen wollten, um einer Polizeikontrolle zu entwischen. Damals gab es noch Sperrstunden. Das Ergebnis: Beide landeten im Misthaufen, der sich unterhalb des Fensters befand. "Meine Schuhe konnte ich danach wegwerfen", sagt Weigand und muss heute noch lachen, als er sich selbst als einer der beiden Tollpatsche entlarvt.
Vater und Sohn standen gemeinsam auf dem Feld
Weigand selbst spielte noch, bis er Mitte 40 war und machte während seiner aktiven Zeit noch den Wechsel vom Groß- auf das heute im Handballsport übliche Kleinfeld mit. Dies führte zu der kuriosen Situation, dass er im Jahr 1976, während einer Fahrt in das damals noch durch den Eisernen Vorhang von Westeuropa getrennte Ungarn, gemeinsam mit seinem Sohn Jürgen in einer Mannschaft spielte. Nachdem er mit dem Handballspielen aufgehört hatte, hat Weigand Senior noch etliche Jahre als Schiedsrichter Handballspiele gepfiffen.
![Das Bild zeigt die Meistermannschaft von 1951 mit Edgar Weigand (vorne rechts). Dessen Mitspieler sind bis auf einen bereits alle gestorben. Dies sind: (hinten von links) Abteilungsleiter Sepp Wolf, Erich Nüsslein, Erich Ballandat, Norbert Rothenanger (lebt noch), Willi Ortner, Hubert Littkeitz, Otto Knorr, (vorne von links) Erwin Jahn, [ein namentlich unbekannter Spieler] und Herbert Reimann. Das Bild zeigt die Meistermannschaft von 1951 mit Edgar Weigand (vorne rechts). Dessen Mitspieler sind bis auf einen bereits alle gestorben. Dies sind: (hinten von links) Abteilungsleiter Sepp Wolf, Erich Nüsslein, Erich Ballandat, Norbert Rothenanger (lebt noch), Willi Ortner, Hubert Littkeitz, Otto Knorr, (vorne von links) Erwin Jahn, [ein namentlich unbekannter Spieler] und Herbert Reimann.](https://images.mgpd.de/img/105925346/crop/c1_1-w100/962268532/217392119/foto-main-post-10579048.jpg)
Ein Großteil der Spiele, zu denen sie antraten, waren in den Anfangsjahren seiner Karriere Turniere, sagt Weigand. Gerolzhofen gehörte zum Spielkreis Schweinfurt. Die Begegnungen führten aber auch bis nach Bad Kissingen sowie in den Kitzinger Landkreis, wo der Handball-Sport von Beginn an stark vertreten war. Da Ende der 40er-, Anfang der 50er-Jahre kaum jemand ein Auto besaß, fuhren viele der jungen Männer oft mit dem Motorrad zu den Spielen. Da waren sie manchmal schon groggy, bevor sie überhaupt mit dem Spiel begonnen haben, sagt Weigand.