Unterfränkische Polizeigewerkschafter fordern eine personelle Aufstockung der Polizei in Schweinfurt. Grund ist das dortige Ankerzentrum. Die Einrichtung, in der Asylverfahren schneller und effizienter bearbeitet werden sollen und wo aktuell rund 760 Flüchtlinge untergebracht sind, fordere die Beamten massiv, so der Bezirksvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Hubert Froesch und sein Stellvertreter Thorsten Grimm. Besonders Abschiebungen würden das Arbeitszeitkonto der Beamten belasten.
Konkret fordert die DPolG für den Bereich Schweinfurt "16 bis 20 Stellen mehr", die auch im Laufe des kommenden Jahres besetzt werden sollen. Zwar seien in Schweinfurt bereits acht neue Stellen geschaffen worden als das heutige Ankerzentrum im Jahr 2015 als Aufnahmeeinrichtung in Betrieb gegangen sei. "Eine weitere Aufstockung ist aber geboten", betont Froesch. Erst vor einigen Tagen sei aus dem Kollegenkreis bei der Gewerkschaft die klare Botschaft eingegangen: "Die Belastungsgrenze ist längst erreicht."
"Zigtausende Stunden" Arbeit für die Polizei
Ein Blick in die Statistik veranschaulicht die Problematik. Wie die Regierung von Unterfranken auf Anfrage mitteilt, sollten im Jahr 2018 aus der Region insgesamt 809 Menschen abgeschoben werden. Knapp die Hälfte davon, laut DPolG etwa 370, aus Schweinfurt. Abschiebungen werden von den Operativen Ergänzungsdiensten (OED) der Polizei durchgeführt. Sie holen die Flüchtlinge in ihren Unterkünften ab und bringen sie zum Flughafen nach München. Entsprechende Einheiten gibt es in Unterfranken für die sogenannten Schutzbereiche Würzburg, Aschaffenburg und Schweinfurt. Pro Abschiebung rechnet die DPolG – bürokratischer Aufwand inklusive – rund 66 Stunden Arbeitszeit. "So kommen im Jahr zigtausende von Mann-Stunden zusammen", schimpft Froesch.

Der Erfolg ist indes überschaubar. So fanden bis Mitte Dezember unterfrankenweit nur 171 der 809 geplanten Abschiebungen statt – eine Quote von gut 21 Prozent. In Schweinfurt, berichtet der DPolG-Bezirkschef, würden in nur 30 Prozent der Fälle die Betroffenen im Ankerzentrum auch tatsächlich angetroffen, in nur 15 Prozent der Fälle würden die Abschiebungen letztendlich auch durchgeführt.
"Wenn die Kollegen Pech haben, sind sie bis zu 15 Stunden im Dienst, fahren einen Flüchtling zum Flughafen und müssen ihn wieder mit zurück nehmen."
Hubert Froesch, unterfränkischer Bezirksvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft
Als Gründe nennt die Regierung unter anderem Untertauchen, aktive und passive Widerstandshandlungen, eine plötzliche Erkrankung oder die "Weigerung des Piloten, den Asylbewerber zu transportieren". "Wenn die Kollegen Pech haben", schildert Froesch, "sind sie bis zu 15 Stunden im Dienst, fahren einen Flüchtling zum Flughafen und müssen ihn wieder mit zurück nehmen. Das demotiviert und kann politisch unmöglich so gewollt sein." Das Prozedere, das auch vorsieht, dass ein Flüchtling über den Termin seiner Abschiebung informiert wird, sei in Frage zu stellen.
Doch nicht nur Abschiebungen beschäftigen die Polizei. Zwischen Januar und Oktober 2018 gab es rund um das Ankerzentrum insgesamt 655 Polizeieinsätze, wie das Polizeipräsidium Unterfranken auf Anfrage mitteilt. Vor allem "wegen Ruhestörungen, Sachbeschädigungen und Körperverletzungsdelikten". Allerdings, betont Polizeisprecher Enrico Ball, seien in der Statistik auch Einsätze erfasst, die in keinem Zusammenhang mit dem Ankerzentrum stehen – Verkehrsunfälle vor dem Zentrum etwa.
Bei Abschiebungen ist die Gruppendynamik hoch
Einsätze in den Ankerzentren hätten immer "eine gewisse Qualität", so Froesch. Die Menschen dort seien zwar "nicht per se aggressiver oder kriminell", betont er. Aber wie auch die jüngsten Ausschreitungen im Ankerzentrum Bamberg zeigten, komme es "beim Zusammenleben einer Vielzahl von Migranten unterschiedlicher Nationalität, ethnischer oder religiöser Herkunft und oft mit nur geringer Aussicht auf ein Bleiberecht" immer wieder zu Spannungen. Vor allem bei Abschiebungen sei die Gruppendynamik und die Mobilisierung hoch.
Dennoch sagt Froesch: Der Grundgedanke hinter den Ankerzentren sei richtig. Im Bayerischen Innenministerium zieht man eine "positive erste Zwischenbilanz". Man habe "erfolgreich die Voraussetzungen geschaffen, für noch schnellere Klarheit über den Ausgang des Asylverfahrens", heißt es aus München.
Abschiebungen in Unterfranken Ende Oktober waren in Unterfranken rund 1400 Menschen "vollziehbar ausreisepflichtig". Für 809 Personen hat die Zentrale Ausländerbehörde für das laufende Jahr Abschiebungen organisiert. Die prognostizierten Abschiebungen für 2019 werden sich in etwa auf dem gleichen Niveau bewegen, glaubt man bei der Regierung von Unterfranken. Abschiebungen werden für Personen organisiert, bei denen sämtliche Voraussetzungen für eine Abschiebung vorliegen. Dazu zählen unter anderem das Vorliegen gültiger Identitätspapiere, die Reisefähigkeit des Betroffenen oder die Möglichkeit des Transports. Die meisten Menschen, denen 2018 eine Abschiebung bevorstand, stammten aus Somalia (354 Personen), der Elfenbeinküste (120) und Nigeria (91). Mit einigem Abstand folgten die Herkunftsländer Armenien (55), Algerien (39) und die Ukraine (38). Aus Afghanistan stammten 24, aus Syrien 19 Personen. Von den 809 Personen wurden bis Mitte Dezember tatsächlich 171 abgeschoben, zehn weitere sind freiwillig ausgereist. Insgesamt haben nach Zahlen der Regierung von Unterfranken bis Ende November 399 Flüchtlinge freiwillig das Land verlassen.