Die Zeichen stehen auf Neubeginn. Nirgends ist das dieser Tage so deutlich zu beobachten, wie in der Dreimühlenstraße in Gerolzhofen. In unmittelbarer Nachbarschaft sind dort, an der Ecke zur Bahnhofstraße, das Jugendhaus und die Unterkunft der Stadtkapelle beheimatet. Beide wagen einen Neustart, aus unterschiedlichen Gründen, unter verschiedenen Voraussetzungen und mit anderen Methoden.
Bei der Stadtkapelle geht's – auch wenn die Verantwortlichen das nicht so drastisch sehen – schlichtweg ums nackte Überleben. Das einstige Aushängeschild der gepflegten Blasmusik in Gerolzhofen ist von einem vielköpfigen Klangkörper längst zu einem Häufchen verkümmert. Sechs Musiker halten dem Ensemble noch die Treue. Dies klingt bei Auftritten nicht nur dürftig, sondern bisweilen leicht schräg und reicht für etliche Anlässe auch schlichtweg nicht aus.
Deshalb hat die Stadtkapelle jetzt einen weiteren, vielleicht letzten lebensrettenden Versuch gestartet, an Nachwuchs zu gelangen. Ein offener Probeabend sollte Interessierte, darunter möglichst viele junge angehende Musikerinnen und Musiker locken. Der Ausgang ist offen. Die Lage ist prekär: Es geht um die dringend benötigte Frischzellenkur, bevor das Herz des Klangkörpers völlig aus dem Takt gerät und das Schlagen womöglich einstellt.
Lebenswelt der Jugendlichen
Auf moderne, jugendgerechtere Formen der Kommunikation setzt Johanna Kassner. Als Stadtjugendpflegerin ist die 30-Jährige für das benachbarte Jugendhaus verantwortlich. Diesem möchte sie ebenfalls neues Leben einhauchen und hat dafür auf sozialen Medien kräftig die Werbetrommeln gerührt. Junge Menschen in den Lebenswelten abholen, in denen sie sich ohnehin während eines beachtlichen Teils ihrer Zeit tummeln: auf TikTok, Instagram & Co.
Auch dies dürfte kein leichtes Unterfangen sein. Denn um sich im realen Leben, außerhalb der virtuellen Welt im Display-Format von Smartphones, zu treffen und zu begegnen, bedarf es einer Überzeugungskraft. Bleibt der Stadtjugendpflegerin nur zu wünschen, dass sie diese aufbringt. Die dafür ebenfalls erforderliche offene Einstellung und ein strahlendes Lachen hat sie auf jeden Fall. Das ist viel wert.
Sich im Berufsleben durchzubeißen und einem Arbeitgeber die Treue halten, über 50 Jahre hinweg, das dürfte für die allermeisten junge Menschen heutzutage kaum vorstellbar sein. Für junge Menschen zählt dies zu einem Werte-Horizont, der gefühlt mindestens aus der Steinzeit stammt. Dass eine solche Einstellung aber zu beruflichem Glück führen kann, verkörpert Marga Thurn. Die 65-Jährige arbeitet seit ihrer Zeit als Lehrling bei ein und demselben Modehaus in Gerolzhofen – und hat bis heute Spaß und Freude an ihrem Job. Sie ist damit vielen einen großen Schritt voraus.