Der Kirchgang gehört immer noch für viele zum Weihnachtsfest. Davon zeugte ein voller Steigerwalddom sowohl in der Christmette an Heiligabend als auch in den festlichen Gottesdiensten an den beiden Feiertagen. Vor allem in der Mette waren diesmal auffallend viele junge Leute zu sehen.
An Heiligabend nahm sich Pfarrer Stefan Mai des Weihnachtslieds "Es ist ein Ros' entsprungen" an. Ein Rosenlied habe auch die Tochter des Countrysängers Johnny Cash geschrieben. Aber es sei ein Rosenlied ganz anderer Art.
Am Grab ihres gerade verstorbenen Vaters kommen Rosanne Cash die Worte ihres neuen Liedes in den Sinn, das sie berühmt gemacht hat: „Wir fallen wie die samtenen Blütenblätter. Wir bluten und wir sind zerrissen. Aber Gott ist in den Rosen. Und in den Dornen.“ Gott sei da, wo es unfassbar schön ist und Gott sei da, wo es unsagbar weh tut, erkannte Mai einen schwer fassbaren Dualismus in diesem Lied.
Der stechende Schmerz
Wenn die Dornen des Lebens stechen, habe man hat das Gefühl, der stechende Schmerz wird nie vergehen, beschrieb Mai eine menschliche Grundsituation. Und dann breche mitten im Schmerz etwas auf, das helfe, die eigene Situation in einem anderen Licht zu sehen. Das Düstere helle sich auf. Gott sei eben in den Rosen und in den Dornen. Die Mette gestalteten Kantor Karl-Heinz Sauer an der Orgel sowie Christine Hauck an der Flöte und Caro Auer (Gesang) mit. Danach schenkten die Pfadfinder Glühwein aus und die Stadtkapelle spielte in starker Besetzung weihnachtliche Weisen.
Zur Kinderweihnachtsfeier der ökumenischen Kinderkirche waren am Nachmittag zahlreiche junge Christen mit ihren Eltern und Großeltern gekommen, so dass auch der Saal des Pfarrer-Hersam-Hauses bis in die letzten Reihen besetzt war. Nach der Begrüßung durch Sonja Marschall richtete Pfarrer Stefan Mai sein Grußwort an die Besucher. Das neue Eingangslied "Hallo halli willkommen herein" und die weitere musikalische Ausgestaltung übernahmen Ida Müller und Matthias Lieder auf der Gitarre und Johanna Würffel auf der Querflöte.
Schattenspiel
Nach dem Entzünden der vierten Adventskerze erzählte Miriam Kübler die Weihnachtsgeschichte mit Herbergssuche, die als als Schattenspiel dargestellt wurde. Im aufgebauten Adventskranz fanden Maria und Josef schließlich eine Bleibe und das Jesuskind wurde geboren. Heike Leopold-Würffel legte nun mit Hilfe aller anwesenden Kinder rund um die Krippe das Bodenbild mit Wiesen, Schafen, dem Nachthimmel und vielen Strohsternen.
Ein Musikstück auf der Geige, gespielt von Maren Würffel, kündigte die Schar kleiner Engel an und Eva Lieder überbrachte die Weihnachtsbotschaft. Fürbitten wurden von Isabell Sommer gesprochen und Pfarrer Stefan Mai erteilte den Weihnachtssegen.
In seinen Kinderjahren, erzählte Pfarrer Mai, wurde am Heiligen Abend auch immer im Gebet der verstorbenen Familienmitglieder gedacht. So wurde das Vater Unser gebetet, mit besonderem Gedenken an einen kürzlich Verstorbenen des Vorbereitungsteams der Kinderkirche. Im abgedunkelten Saal, nur erhellt von Kerzen, ertönte das Weihnachtslied "Stille Nacht". In einer weiteren Krippenfeier der Kinder übernahm Kantor Karl-Heinz Sauer in der Stadtpfarrkirche mit Grundschulkindern die Gestaltung.
Ist Weihnachten wirklich froh?
Auf den im Vorfeld des Festes vielfach ausgetauschten Wunsch "Frohe Weihnachten, frohe Feiertage" ging Pfarrer Stefan Mai in seiner Predigt am 1. Feiertag ein. Der Geistliche stellte die Frage, ob wirklich jeder die Weihnachtsfreude spüren könne oder ob ist es nicht vielmehr so sei, wie der frühere Bundespräsident Gustav Heinemann in einer Weihnachtsansprache einmal gesagt hat: "Weihnachten macht die Frohen und Lebenstüchtigen froher, die Betrübten aber, die schwer am Leben tragen, trauriger. Weihnachten macht bewusster als jeder andere Tag, wer im Licht und wer im Schatten lebt."
Damit habe Heinemann eine Lebenswirklichkeit getroffen: Wer alleine in seiner Stube sitze, wer nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen könne, wer mit einem leeren Platz an seiner Seite zurechtkommen müsse, wer schwere Sorgen mit sich herumtrage, für den sei Weihnachten meist ein dunkler Tag.
Das "Merry Christmas" der Amerikaner sei eine moderne Erfindung und treffe nicht den ursprünglichen Sinn des christlichen Weihnachtsfestes. Die frühen Christen feierten Weihnachten in der dunkelsten und längsten Nacht des Jahres. "Darum geht es: Nicht ich muss lustig werden. Sondern ich möchte daran glauben, dass Gott in meine Dunkelheit kommt – und mich das Schwere und Dunkle nicht überwältigen kann", fasste Mai den tieferen Sinn von Weihnachten zusammen. Musikalisch begleitete diesmal Bernhard Füller den Organisten Karl-Heinz Sauer.
Rundfunkgottesdienst
Zigtausende Zuhörer hatte Stefan Mai dann am 2. Feiertag, denn der Bayerische Rundfunk übertrug den Gottesdienst aus Gerolzhofen live in seinem Programm Bayern 1. Hier berichtete der Prediger von einem Erlebnis des heutigen Magdeburger Bischofs Gerhard Feige. Er sollte sich einer 12. Klasse an einer Schule in der DDR mit dem Thema "Meine Entwicklung" auseinandersetzen. Feige bekam seinen Aufsatz unbenotet zurück, denn er hatte sich getraut, genau zu erklären, warum er in der damaligen DDR kein Mitglied der „Freien Deutschen Jugend“ sein könne. Als Grund gab er an, dass in deren Statut der Hass gegen den Klassenfeind festgeschrieben war.
Von dieser Begebenheit aus seiner Jugend erzählte Gerhard Feige kürzlich bei einer Podiumsdiskussion mit dem Thema „Ich hasse nicht zurück“. Er diskutierte das Thema mit dem Linken-Politiker Gregor Gysi in einem überfüllten Saal in Leipzig. Die beiden so unterschiedlichen Männer, Gregor Gysi, dessen Vater Kultusminister und DDR-Botschafter war, und Gerhard Feige, Sohn eines katholischen Schuhmachermeisters, waren sich trotz unterschiedlicher Herkunft und Weltanschauung darin einig: Erziehung zum Hass sei grundsätzlich falsch. Bewegend die Worte von Gregor Gysi: „Meine Feinde lieben, wie Jesus gesagt hat, kann ich nicht. Aber ich hasse nicht zurück, lieber Herr Bischof.“
Auch der Tagesheilige Stefanus habe sich an den Jesus-Satz „Du sollst deinen Feind lieben“ gehalten. Kurz bevor der den Märtyrertod starb, rief er noch: "Herr rechne ihnen diesen Sünde nicht an!"
Nicht Gefühl, sondern Verhalten
Den Feind lieben sei nicht ein Gefühl, es sei vielmehr ein Verhalten gegenüber einem Menschen, der einem übel will, legte Mai das Jesus-Wort aus. Den Feind lieben heiße: Obwohl du mein Feind bist, halte ich mich auf der Handlungsebene zurück, lasse es nicht zur Eskalation kommen, schlage nicht zurück, intrigiere nicht, erkläre dich nicht zum Nichtmenschen."
Im Rundfunkgottesdienst sang der Projektchor der Pfarreiengemeinschaft St. Franziskus noch einmal Teile der Missa pastoralis in D von Jan Lohelius Oehlschlägel. Mitarbeit: Sonja Marschall