Anfang September beginnt das neue Kindergartenjahr. Bereits heute lässt sich ziemlich genau feststellen, für wie viele Kinder und deren Familien in Gerolzhofen der Start ins Kindergartenjahr 2023/24 schmerzhaft sein wird. Gemeint sind diejenigen, für die es hier keinen Betreuungsplatz in einer Einrichtung geben wird.
Nach Auskunft von Sabine Klein, eine der beiden Leiterinnen der kirchlichen Kinderhäuser St. Martin und St. Regiswind, stehen aktuell 22 Kleinkinder unter drei Jahren auf der Warteliste für einen Platz in der Krippe. Diese hätten keine Chance, ab September in einem der beiden Kinderhäuser unterzukommen.
Sechs Kinder ab drei Jahren warten zudem auf einen Platz in einer Regelgruppe. Deren Aussichten auf einen freien Platz: sehr gering. Vollständigkeitshalber erwähnt Klein, dass auch zehn Schulkinder darauf warten, nach Beginn des kommenden Schuljahres einen Platz in der Mittagsbetreuung zu ergattern.
Bedarf ist seit langem bekannt
Die Misere hat eine Vorgeschichte, die weit zurückreicht. Dass die katholische Pfarrei die Zahl der Betreuungsplätze nicht erweitern wird, wusste die Stadt Gerolzhofen laut Kirchenpfleger Hubert Zinkl seit rund fünf Jahren. Im Januar war im Stadtrat die Rede von einem geschätzten Bedarf von insgesamt 132 Krippen-Plätzen in der Stadt, was elf Gruppen entspricht. Zusätzlich hieß es, seien 250 Kinder (zehn Gruppen) im Regelgruppen-Bereich unterzubringen. Verglichen mit dem Bestand ergibt das eine Lücke in den Kindergärten von 54 Plätzen in Regel-Gruppen sowie 72 Krippen-Plätzen.

Dann verlor das als besonders dringlich behandelte Thema im Stadtrat merklich an Tempo. Über ein Dutzend möglicher Standorte wurden zwischenzeitlich diskutiert. Die Debatte brauchte bis Ende April. Dann entschied das Gremium, wo der zusätzliche Kindergarten entstehen soll: Auf dem östlichsten Teil des Freibad-Geländes in der Dingolshäuser Straße. Dort sollen Wohncontainer aufgestellt werden, mit Platz für zunächst sechs Krippen- und Regel-Gruppen. Man versicherte aber auch da: Jetzt müsse alles ganz schnell gehen. Die Zeit dränge.
Zentrale Fragen nicht geklärt
In den zwölf Wochen, die seit dieser Sitzung vergangen sind, war von dem Thema im Stadtrat nichts mehr zu hören. Auch nichts zu den damals – bis heute – zentralen Fragen: Ist der Container-Kindergarten am beschlossenen Standort tatsächlich umsetzbar? Und wer betreibt eine solche Einrichtung?
Aktuell, so antwortet Gerolzhofens Bürgermeister Thorsten Wozniak auf eine Anfrage dieser Redaktion, gehe die Stadt davon aus, dass der vom Stadtrat favorisierte Standort auf einem Teil des Freibad-Geländes realisierbar ist. Und auch in der Betreiber-Frage beruhigt Wozniak: "Es sieht gut aus. In dieser Woche finden weitere Gespräche statt."

Im April hatte diese Redaktion von möglichen Betreibern erfahren, dass diese angesichts des akuten Mangels an pädagogischem Personal mit enormen Problemen kämpfen. Es bestünden kaum Chancen, auf dem Arbeitsmarkt die für eine zusätzliche Einrichtung in Gerolzhofen benötigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden.
Waldkindergarten im Mahlholz randvoll
Alternativen zur Kinderbetreuung in festen Einrichtungen gibt es in Gerolzhofen derzeit keine. Der Waldkindergarten im Mahlholz betreut 22 Kinder, ein Kind mehr als normal vorgesehen, berichtet Jana Popp, Mitglied im Vorstand des Waldkindergartens. Ab September werden es dort wieder 21 Kinder über drei Jahre sein; Krippen-Plätze für Kleinkinder unter drei Jahren gibt es nicht. Auch im Waldkindergarten war die Nachfrage für das Kindergartenjahr 2023/24 laut Popp größer als das Angebot: Für maximal sieben zu vergebende Plätze habe es 18 Interessierte gegeben.
Der nicht weit vom Waldkindergarten entfernt geplante Naturkindergarten, den Jennifer Rasch eröffnen möchte, würde 22 Plätze für Kinder ab drei Jahre bieten. Die Unterlagen für den beantragten Bauwagen lägen den Behörden komplett vor, sagt Rasch. Sie warte nur auf eine Entscheidung. Wenn diese innerhalb kurzer Zeit vorläge, wäre ein Start des Naturkindergartens noch in diesem Jahr möglich. Ein Bauwagen, der dem Wunsch-Modell ähnelt, wäre ab Lager lieferbar. Dieser müsste laut Rasch nur etwas umgebaut werden.
Keine Krippe im Naturkindergarten
Selbst mit acht Plätzen, die zum Start des Naturkindergartens zur Eingewöhnung maximal belegt werden könnten, wäre der Bedarf an Kindergartenplätzen in Regelgruppen weitgehend gedeckt – zumindest auf dem Papier. Was bliebe, ist die Lücke in der Kleinkind-Betreuung der unter Dreijährigen.
Die Stadt rechnet laut Bürgermeister Wozniak derzeit damit, dass ein weiterer Kindergarten mit Krippe-Plätzen bis zum Start des Kindergartenjahres 2024/25 betriebsbereit sein wird. Doch was passiert, falls die Stadt sich mit dem potenziellen Betreiber doch nicht einigt und/oder der Bau der Container-Lösung scheitert? Hier weicht Wozniak aus und antwortet leidglich: "Aktuell gehen wir davon aus, einen Betreiber zu finden."
Auch was kurzfristige alternative Lösungsmöglichkeiten oder Hilfen für Eltern angeht, die in wenigen Wochen ohne Betreuungsangebot für ihre Sprösslinge dastehen, hat der Bürgermeister keine Antwort parat, die die Betroffenen zufriedenstellen dürfte. "Provisorien für Kinder", wie Wozniak es nennt, seien "sehr kritisch zu sehen" und "pädagogisch sinnvoll abzuwägen". Die Verwaltung spiele Lösungen und Varianten durch. Doch auch hier stelle sich die Frage, woher das benötigte Fachpersonal stammen soll.
RechtsanspruchSeit zehn Jahren haben Kinder laut dem Sozialgesetzbuch (Achtes Buch) ab dem vollendeten ersten Lebensjahr bis zum Schuleintritt einen Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Kindertagesstätte oder in der Kinderpflege.Die Städte, Märkte und Gemeinden sind für die örtliche Kindergartenbedarfsplanung zuständig und stellen die notwendigen Plätze in Kindertageseinrichtungen zur Verfügung. Der Rechtsanspruch richtet sich gegen die Landkreise und kreisfreien Städte, die im Rahmen der Jugendhilfeplanung für die Gesamt- und Planungsverantwortung zuständig sind.mim