Dass ihre Reise nach Dobrotiv keine leichte wird, das ist Natascha Göb aus Frankenwinheim bereits klar gewesen, bevor sie am 9. Februar dorthin aufbrach. Ihr Heimatort liegt zwar im Westen der Ukraine, etwa 250 Kilometer südlich von Lwiw (Lemberg). Doch der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hält das ganze Land seit über zwei Jahren fest im Griff. Die Folgen für die Menschen in der Ukraine sind überall im Land extrem.
Bereits vor einem Jahr war Natascha Göb in die Ukraine, die sie vor gut 20 Jahren verlassen hat, aufgebrochen, um Osterpäckchen an die Familien in ihrem Heimatort zu verteilen. Es war die erste Fahrt in die alte Heimat nach Kriegsbeginn. Schon damals berichtete sie nach ihrer Rückkehr vom Leid und dem Schmerz der Menschen, die sie getroffen hat. Doch dieses Mal, sagt sie, sei es noch furchtbarer gewesen, "viel schlimmer, als ich gedacht hatte".
Mehr als doppelt so viele Gefallene
Besonders greifbar war der Schrecken des Krieges für sie erneut in Nadwirna, einer Kleinstadt mit rund 22.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, nicht weit von Dobrotiv entfernt. Vor einem Jahr standen dort an einem öffentlichen Platz 48 Plakate mit großformatigen Bildern von Männern, manche noch ganz jung, andere älter.

Jedes Plakat steht für einen im Krieg gefallenen Einwohner des Städtchens. Ein knappes Jahr später, im Februar 2024, hat Natascha Göb dort 113 Plakate gezählt, in drei Reihen. Die Zahl der Gefallenen allein aus diesem Ort hat sich in gut zehn Monaten mehr als verdoppelt. "Da kriegst du einen Schock", beschreibt Natascha Göb den Anblick.

Auf einem der Plakate ist das Bild ihres Cousins Ihor Jazko zu sehen. Der 41-Jährige ist im Dezember 2023 in Cherson gefallen, knapp 1000 Kilometer von seiner Heimat entfernt im Süden der Ukraine, am Schwarzen Meer.
Ein weiterer Verwandter, ihr ältester Neffe Iwan Bilous (36), kämpft noch als Soldat. Zweimal wurde er bereits in einem Bunker verschüttet und hat überlebt, berichtete er Natascha Göb, als sie sich trafen. Seine Frau ist mit Zwillingen schwanger.

Pickups verteilen die Hilfsgüter
Natascha Göb war nicht mit leeren Händen in die Ukraine gefahren. Wie im vergangenen Jahr hatte sie zuhause Hilfsmittel gesammelt und einen Transport organisiert. 60 bis 70 Kartons sind zusammengekommen, berichtet sie. Darin: Hygieneartikel, Medikamente, Verbandszeug, Schlafsäcke, Taschenlampen, Batterien, haltbare Lebensmittel. Sie hatte aber auch einfache Liegen und Einwegauflagen für Feldlazarette erhalten sowie medizinische Geräte.
Die Hilfsgüter wurden in der Ukraine in Pickups geladen und dorthin gebracht, wo sie dringend gebraucht werden. Die Soldaten, die die Güter abgeholt haben, waren mehrfach verwundet, berichtet Göb. Die Männer hätten auf sie "wie Roboter" gewirkt.

Natascha Göb ist allen Spenderinnen und Spendern sehr dankbar für deren Hilfe. Namentlich nennt sie die Veteranenfreunde Herlheim, den Rotary-Club Gerolzhofen sowie Dietlinde Wolf und Anja Iff aus Gerolzhofen für die wiederholt geleistete Unterstützung.
Erlebnisse machen betroffen
In diesem Jahr hat Natascha Göb nur gut eine Woche in der Ukraine verbringen können und ist am 18. Februar die rund 1400 Kilometer lange Rückreise angetreten. In der Ukraine hat sie neben Angehörigen ihrer Familie auch ein Kinderheim besucht, in dem sie früher gearbeitet hat. Die Erlebnisse in ihrer früheren Heimat haben die Frankenwinheimerin, die von ihrer Tochter begleitet wurde, hörbar getroffen. "Viele in unserem Land haben keine Ahnung, wie belastet die Menschen in der Ukraine sind", sagt sie.

Trotz der Strapazen und des Kriegsterrors habe Natascha Göb bei den Menschen, die sie getroffen und mit denen sie gesprochen hat, keine Kriegsmüdigkeit feststellen können. Dabei sehe es gerade für ihr Heimatland nicht gut aus, sagt sie. Dennoch ist sie vom Durchhaltewillen des ukrainischen Volkes überzeugt: "Die Ukraine wird weiterkämpfen, bis der letzte Russe das Land verlassen hat. Die Ukraine wird sich verteidigen bis zum letzten Mann." Für sie steht fest: Russland möchte die ukrainische Nation vernichten.