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Gerolzhofen: Im Steigerwalddom: Warum das Fastentuch für ein neues Sehen sorgen soll

Gerolzhofen

Im Steigerwalddom: Warum das Fastentuch für ein neues Sehen sorgen soll

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    Ein so genanntes Fastentuch verdeckt während der Fastenzeit in der Stadtpfarrkirche von Gerolzhofen das große Hochaltar-Bild.
    Ein so genanntes Fastentuch verdeckt während der Fastenzeit in der Stadtpfarrkirche von Gerolzhofen das große Hochaltar-Bild. Foto: Klaus Vogt

    Seit dem Mittelalter ist es eine alte Tradition der katholischen Kirche: das so genannte Fastentuch oder auch Hungertuch. Zum Beginn der Fastenzeit wird das große Altarbild der Kirche mit diesem Tuch verhängt und entschwindet so sieben Wochen lang den Blicken. In diesem Jahr hat der Kommunionkurs der Pfarrei Gerolzhofen diese alte Tradition des Fastentuchs aufgegriffen, passend zum Kommunionthema 2022 "Entdecke das Geheimnis!" Ein großes bemaltes Tuch verdeckt derzeit am Hochaltar das Bild der Krönung Mariens.

    Die Kinder wurden eingeladen, sich am unteren Ende auf das fünf auf vier Meter große Tuch zu stellen und zunächst mit Kohlestift um ihre Füße einen Kreis als Samenkorn zu zeichnen und dann mit ihrer Lieblingsfarbe auszumalen, berichtet Pfarrer Stefan Mai auf Anfrage. Ein Symbol für "Das bin ich". In einer Meditation malten es sich die Kinder dann aus, wie das, was in ihnen als Samen angelegt ist, sich weiter entfaltet, was sie sich für ihr Leben wünschen und was sie vielleicht einmal werden wollen.

    Der Baum wird bunt

    Zusammen mit Gertrud Weule malten die Kommunionkinder dafür ausgehend von den Samenkörnern ihre Linien in der Form eines wachsenden Baumes nach oben. Zu den Oster-Feiertagen wird diese Baumkrone auf dem Fastentuch dann noch mit bunten Farben ausgemalt - ein Hoffnungsbild, dass das, was in den Kindern an Begabungen und Gutem angelegt ist, zur Entfaltung kommt und Früchte trägt.

    Das aktuelle Fastentuch im Steigerwalddom ist gleichsam die reduzierte Fortführung eines Jahrhunderte alten katholischen Brauchs. Damals wurde ein großes, zumeist mit der Darstellung der Passion Christi bemaltes oder besticktes Leinentuch quer über den Zugang zum Chorraum gespannt. Während der vierzigtägigen Fastenzeit war dadurch der mitfeiernden Gemeinde der komplette Blick zum Altarraum und zum Zelebranten versperrt. Man konnte die Liturgie also nur hörend mitverfolgen. Sinn einer solchen Aktion war es, dass neben dem rein körperlichen Fasten zusätzlich auch noch eine Form des geistigen Fastens gestellt wurde.

    Luther lehnte dies ab

    Der von diesem Brauch abgeleitete volkssprachliche Ausdruck , wonach jemand "am Hungertuch nagt", darf also nicht nur auf die materielle Armut bezogen werden. In den evangelischen Kirchen gab es übrigens keine derartigen Fastentücher. Reformator Martin Luther bezeichnete eine solche althergebrachte Symbolik und Zeichensprache in den Riten der alten Kirche als "Gaukelwerk".

    Aus der gleichen Denkweise wie das Hungertuch stammt auch der allmählich in Vergessenheit geratende Brauch, ab der zweiten Woche vor Ostern in der Kirche die dort aufgestellten Kreuze mit lilafarbenen Tüchern zu verhüllen. Früher war dies - Ältere werden sich noch erinnern - auch in der Gerolzhöfer Stadtpfarrkirche so üblich.

    Ein neuer Blick

    Die Tradition der Kreuzverhüllung mag aus heutiger Sicht unverständlich sein. Denn warum soll ausgerechnet in der Fastenzeit, in der die Passion Christi und das Kreuz im Mittelpunkt stehen, dieses verhüllt werden? Um dies zu verstehen, muss man wissen, dass der Brauch einer Zeit entspringt, als die Kreuze noch mit Gold und Edelsteinen ausstaffierte Triumphkreuze waren, häufig ohne die realistische Darstellung des Martertods Jesu. Später dann, als die Kreuze vermehrt den leidenden Jesus zeigten, sorgte die zeitweise Verhüllung des Kruzifixus dafür, das gewohnte Kreuz eine Zeitlang den Blicken zu entziehen, um es am Karfreitag dann gleichsam mit neuen Augen zu sehen.

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