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SCHWEINFURT: Knapp 73 000 Überstunden am Leopoldina

SCHWEINFURT

Knapp 73 000 Überstunden am Leopoldina

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    Zoff am Leopoldina-Krankenhaus: Der Betriebsrat liegt im Clinch mit Geschäftsführer Adrian Schmuker, weil dieser monatelang nichts gegen die Anhäufung von Überstunden unternommen habe. Jetzt hat der Betriebsrat Schmuker am Arbeitsgericht verklagt und zusätzlich angezeigt.
    Zoff am Leopoldina-Krankenhaus: Der Betriebsrat liegt im Clinch mit Geschäftsführer Adrian Schmuker, weil dieser monatelang nichts gegen die Anhäufung von Überstunden unternommen habe. Jetzt hat der Betriebsrat Schmuker am Arbeitsgericht verklagt und zusätzlich angezeigt. Foto: Foto: Anand Anders

    Knapp 73 000 Überstunden schieben, Stand Ende Oktober, die 1700 Beschäftigten des Schweinfurter Leopoldina-Krankenhauses vor sich her. 420 Mitarbeiter sind bei der Zeiterfassung im „roten Ampelbereich“ mit jeweils mehr als 110 Überstunden. 254 von ihnen arbeiten in der Pflege, den Betten führenden Abteilungen. Da reicht es dem Betriebsrat, der nach eigener Aussage seit Dezember 2015 das Problem benennt und in Personalplanungsgesprächen Abhilfe fordert. Der Betriebsrat reicht Klage wegen grober Pflichtverletzung gegen den Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht ein und erstattet Ordnungswidrigkeitsanzeige gegen Geschäftsführer Adrian Schmuker wegen Verstößen gegen das Betriebsverfassungsgesetz.

    10 000 Überstunden mehr noch als im Vorjahr

    Insgesamt listet der Anwalt des Betriebsrates in seiner Antragsschrift an das Arbeitsgericht 72 781 Überstunden für alle Mitarbeiter am Leopoldina auf – gut 11 000 mehr noch als im September 2015. Seit Dezember letzten Jahres thematisiere der Betriebsrat den Überstundenberg, sagt der Betriebsratsvorsitzende Rainer Reichert auf Anfrage dieser Redaktion. Um herunterzukommen, seien nach Berechnung des Betriebsrats mindestens elf Vollzeitkräfte nötig, insbesondere im „Bettenhaus“. Dort stünden bei 254 Beschäftigten die Ampelkonten auf Rot.

    „20 Betten waren geschlossen“

    Mehrere Versuche, eine Antwort zur Personalplanung zu bekommen, wie die Überstunden im Rotbereich gemäß Betriebsvereinbarung innerhalb von sechs Monaten in den grünen Bereich zurückgeführt werden können, seien im Laufe dieses Jahres fehlgeschlagen. Als auch im Personalplanungsgespräch am 18. Oktober dazu „antwortfrei geschwiegen“ wurde, beschloss der Betriebsrat, für Dezember und die Folgemonate seine Zustimmung zur Beschäftigung aller Mitarbeiter im roten Ampelbereich zu verweigern.

    Nun wurde es eng. Wenn 420 Mitarbeiter, vor allem im Pflegebereich, zu Hause bleiben müssten, um ihren Überstundenberg zu verkleinern, wären große Teile des Krankenhauses nicht mehr zu betreiben. Nicht nur die 20 Betten, die laut Betriebsratschef Reichert zwölf Wochen lang geschlossen waren, weil es an Pflegefachkräften gemangelt habe.

    Ordnungswidrigkeitsanzeige ist auch erstattet

    Beim Arbeitsgericht beantragt der Anwalt des Betriebsrats, die Klinik zu verpflichten, für alle Beschäftigten mit rotem Ampelkonto (außer bei leitenden Angestellten) die Rückführung in den grünen Bereich innerhalb der nächsten sechs Monate verbindlich zu planen und für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 10 000 Euro anzudrohen. In der Ordnungswidrigkeitsanzeige regt der Anwalt eine Geldbuße gegen das Krankenhaus von mindestens 150 000 Euro an.

    Vorletzte Woche die Wende: Schmuker habe laut Reichert die Aufstockung der Pflegefachkräfte von offiziell 445 (de facto in den letzten Jahren 430) auf 453 nun zugesagt – plus so viele, wie gebraucht werden, um die Überstunden in den grünen Bereich zurückzuführen. Schmuker habe sich der Forderung des Betriebsrats beugen müssen, so Reichert. Die Rechtsschritte gegen ihn hält er dennoch aufrecht. Ihm müsse klargemacht werden, dass er die Informations- und Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei der Personalplanung zu respektieren und die Betriebsvereinbarungen einzuhalten habe.

    Vorsätzliches Handeln des Geschäftsführers?

    Dabei habe das Arbeitsgericht dem Geschäftsführer in gerichtlichen Vergleichen schon zweimal – 2008 und 2016 – genau dieses verdeutlicht. Für den Würzburger Arbeitsrechtler Bernd Spengler, der den Betriebsrat vertritt, deutet die Verweigerung Schmukers gar auf vorsätzliches Handeln hin.

    Reichert sorgt sich um die Zukunft der Klinik. Sie brauche, um im Wettbewerb um gute Kräfte zu bestehen, einen guten Ruf. Fachpersonal müsse mit dem Leopoldina gute Arbeitsbedingungen verbinden – nicht Überlastung und Überstunden, von denen man nicht herunterkommt. Dabei gebe es gar keinen Grund, am Pflegepersonal zu sparen. Das Leo schreibe schwarze Zahlen, habe im letzten Jahr vier Millionen Euro Überschuss erwirtschaftet. Elf Vollzeitstellen für dringend benötigte Schwestern kosteten 500 000 Euro. Schmukers „monatelange Weigerung, das Problem mit dem Betriebsrat anzugehen, zeige eines: „Die Mitarbeiter sind ihm wurscht.“

    Schmuker will die Überstunden am liebsten auszahlen

    Laut Schmuker liegen von 1100 Beschäftigten im nichtärztlichen Dienst derzeit 340 im roten Ampelbereich mit mehr als 110 Überstunden, der Schnitt bei 76. Ein Großteil stamme aus einer einmaligen Zeitgutschrift von 2014 aufgrund neuer Rechtssprechung zur Vergütung von Wege- und Umkleidungszeiten. Er wolle die Überstunden am liebsten ausbezahlen, aber die Beschäftigten nicht. Die schlagartige Erhöhung der Arbeitszeitkonten lasse sich nicht in kurzer Zeit abbauen, wenn die Mitarbeiter statt Geld „regelmäßig Freizeitausgleich bevorzugen“.

    Bei den Personalplanungsgesprächen sei er nicht dabei, so der Geschäftsführer. Im September habe er erstmals schriftlich von einer Station mitgeteilt bekommen, dass sie bezüglich der Arbeitsbelastung an die Grenze gekommen sei. „Das allgemein hohe Stundenniveau kannte ich, wenn es zu hoch wird, muss halt einer mal schreien“, so Schmuker im Gespräch mit dieser Redaktion.

    Dass er die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat verweigere, entspreche nicht den Tatsachen. Das zeigten konkrete Lösungen für einzelne Stationen, die mit dem Betriebsrat dieses Jahr gefunden worden seien. Und, so Schmuker weiter: „Auch wenn wir außergerichtliche Lösungen bevorzugen, stellen arbeitsgerichtliche Verfahren keine außergewöhnliche Besonderheit bei einem Unternehmen unserer Größe dar.“ Er sei weiterhin gesprächsbereit.

    OB Remelé will nun vermitteln

    Schmuker bestätigt, dass vor kurzem mit dem Betriebsrat ein „Maßnahmenkatalog“ verabschiedet worden sei, mit dem die Arbeitszeitkonten „dauerhaft in einen niedrigeren Bereich zurückgeführt werden sollen“. Dazu gehörten Neueinstellungen, so viel wie nötig, sowie die Ausbezahlung von 10 000 Überstunden.

    Ihm sei die Situation am Leopoldina bekannt, lässt Leopoldina-Aufsichtsratsratsvorsitzender, Oberbürgermeister Sebastian Remelé, mitteilen. Die Geschäftsführung habe ihm glaubhaft vermittelt, dass trotz des arbeitsgerichtlichen Verfahrens weiterhin Gesprächsbereitschaft mit dem Betriebsrat bestehe.

    Remelé werde nach den letzten Entwicklungen, die gezeigt hätten, „dass es sowohl kommunikativ als auch zwischenmenschlich bislang unüberbrückbare Differenzen gibt, sich mit beiden Parteien in Verbindung setzen, um die Probleme zu besprechen und gemeinsam eine Lösung zu finden“.

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