Eine Woche vor der ersten Sitzung des neuen Kreistags ließen SPD, Freie Wähler und Grüne die Katze aus dem Sack: In einer gemeinsamen Presseerklärung haben sie am Donnerstag verkündet, künftig eine gemeinsame "bunte Mehrheit" zu bilden - im Verein mit den beiden Vertretern der Linken und der FDP. Dies ergebe zusammen mit der Stimme des Landrats Florian Töpper (SPD) 32 von 61 Stimmen. Getragen wird diese neue Mehrheit offensichtlich vom Wahlergebnis Töppers, auf das in der Mitteilung explizit Bezug genommen wird: 73,5 Prozent der Stimmen holte er bei der Landratswahl gegen Lothar Zachmann (CSU) und mit fast 54 000 Stimmen ist er Spitzenreiter im Einzelergebnis aller Kreistagskandidaten. Töpper habe damit ",Zugpferde' der anderen Kreistagsfraktionen" übertroffen. Gemeint sind CSU-Stimmengaranten wie Gerhard Eck und Anja Weisgerber, die 3000 bzw. 4500 Stimmen weniger erhalten haben als Töpper.
Die "Bunten" ein lockeres Bündnis
Die Kreistagswahl vom 15. März hatte zunächst keine klare Mehrheit erzeugt. Die CSU verlor fünf Sitze, die AfD zog mit vier Räten erstmals ins Gremium ein. Die SPD hielt ihre elf Sitze, während sich Freie Wähler (zehn) und Grüne (acht) verbesserten. Linke und FDP sind halbiert worden und haben jeweils nur noch einen Vertreter. Anschließend signalisierten die vier großen Fraktionen, auf verstärkte Zusammenarbeit setzen zu wollen, nachdem vor allem das Verhältnis zwischen dem SPD-Landrat und großen Teilen der CSU-Fraktion in den Monaten vor der Wahl stark belastet war.

Die neue „bunte Mehrheit“ begreift sich nun als "lockeres Bündnis", in dem man "manche Themen" gemeinsam entscheiden wolle, aber jede Fraktion ihre Ausrichtung behalten soll: "Dennoch gehen wir auf die große Fraktion der CSU mit 25 Kreistagsmandaten zu", heißt es in der Mitteilung. Quasi als eine Art "Juniorpartner". Das ist für die CSU eine völlig neue Situation, die eine neue Vorgehensweise erfordere, wie die neue Fraktionschefin Gabriele Jakob gegenüber dieser Zeitung einräumte. Insofern seien die ersten Gespräche mit SPD, Freien und Grünen "in ruhiger Atmosphäre und im Bewusstsein der neuen Gesamtsituation im Kreistag" geführt worden, wird Jakob in einer Pressemitteilung der CSU vom Donnerstag zitiert. Seit 1946 hatte die CSU stets die absolute Mehrheit oder war an ihr beteiligt gewesen.

Bärmann soll Landrat vertreten
Erstes äußeres Zeichen des Selbstbewusstseins der "Bunten" ist die Besetzung der Landratsstellvertretung. Erste Stellvertreterin war in der vergangenen Legislaturperiode Christine Bender (CSU). Dieses Amt soll nun zu den Freien Wählern wandern: Sie schicken dafür bei der konstituierenden Sitzung am 14. Mai die Niederwerrner Bürgermeisterin Bettina Bärmann ins Rennen. Das zweite Stellvertreteramt - bislang von Peter Seifert (Freie Wähler) wahrgenommen - überlässt man der CSU. Sie hält als Stellvertreterin an Christine Bender fest, die sich mit ihrer bisherigen Arbeit großen Rückhalt in der Bevölkerung erworben habe, so der stellvertretende Fraktionschef Thorsten Wozniak. Die "Bunten" wollen ihrer Mitteilung zufolge keinen Gegenkandidaten aufbieten.

Grüne erhalten Stellvertreterposten
Neu ist, dass es künftig einen dritten Stellvertreter geben wird. Man habe die Zahl so ausgewählt, um "die Breite des Kreistags" abzubilden, sagte Landrat Töpper auf Anfrage dieser Redaktion. Manche Landkreise hätten sogar mehr Vertreter, doch das strebt der Landrat nicht an: "Diese Zahl muss auskömmlich sein." "Als Wahlsieger" habe man Ambitionen auf ein Vertretungsamt, machte der künftige Grünen-Fraktionschef Johannes Weiß deutlich. Für den dritten Stellvertreterposten bewirbt sich daher der Gerolzhöfer Thomas Vizl. Auch diese Personalie wird von der "bunten Mehrheit" getragen. Gemäß parlamentarischem Brauch werden diese Ämter nach der Stärke der Fraktionen vergeben, womit auch die SPD als zweitgrößte Gruppe ein "Anrecht" auf einen Vertreter hätte. Sie stellt aber den Landrat und verzichtet daher.

Die AfD, mit der SPD und Grüne eine Zusammenarbeit öffentlich ausgeschlossen haben, will mangels Erfolgsaussichten keine eigenen Bewerber für die drei Wahlgänge entsenden. Das sagte der Kreisvorsitzende und frisch gewählte Fraktionssprecher Bernd Schuhmann gegenüber dieser Redaktion.
Bis 2014 hatte es nur einen Vertreter des Landrats gegeben, danach gab es auf Initiative Töppers zwei.
Ausschüsse dürfen künftig beschließen
Auch die praktische Arbeit im Kreistag wird sich verändern. Töpper will die Zahl der Ausschüsse von sechs auf acht erhöhen; bis auf die Rechnungsprüfung sollen alle eigene Beschlüsse fassen können. Bisher hatten alle Gremien mit Ausnahme des Kreisausschusses nur eine beratende Funktion. Völlig neu sind die Ausschüsse für Kreisentwicklung sowie für soziale Angelegenheiten und Ehrenamt. Bei Letzterem könnte gar eine grüne Handschrift sichtbar werden, denn die Grünen hatten schon 2008 (erfolglos) einen Ausschuss für Soziales und Integration gefordert.
Zwei neue Ausschüsse
Die Erweiterung des Themenspektrums für die Ausschüsse hält Landrat Töpper für sinnvoll, da Themen wie die Neuordnung des ÖPNV im Rahmen der Kreisentwicklung und das Engagement des Kreises in sozialen Angelegenheiten und im Ehrenamt die Bandbreite der Aufgaben widerspieglten. Die Expertise in den Fraktionen könne man auf der Basis beschließender Ausschüsse besser zusammenfassen und den Kreistag in seiner Gesamtheit stärker einbinden als in der bisherigen Struktur mit einem beschließenden Kreisausschuss und drei bis vier Plenarsitzungen im Jahr. Für diese Neuerung erwartet Töpper am 14. Mai "eine breite Mehrheit" im Kreistag.
Neue grüne Fraktionsspitze
Inzwischen haben auch die Grünen ihre Fraktionsspitze im Kreistag neu besetzt. Die Wernecker Birgit Schmitt und Johannes Weiß nehmen am Tag der ersten Kreistagssitzung am 14. Mai als Nachfolger von Birgid Röder (Gerolzhofen) und Walter Rachle (Sennfeld), die nicht mehr in den Kreistag gewählt worden sind, ihre Arbeit auf. Bis dahin leiten Kathrin Tröster (Niederwerrn) und Udo Rumpel (Werneck) die Fraktion kommissarisch.
Die FDP hat in einer Mitteilung vom Mittwoch erläutert, warum es bei ihr nach der Wahl einen personellen Wechsel gegeben hat. Der wiedergewählte Michael Galm habe aus gesundheitlichen Gründen auf das Mandat verzichtet. Nachrücker war Kreisvorsitzender Norbert Sauer. Er macht berufliche Gründe für seinen Verzicht geltend: „Die starke Einbindung in mein neues Geschäft lässt mir gerade in der neuen Situation als ‚Einzelkämpfer‘ leider keine Möglichkeit, die Arbeit im Kreistag so zu leisten, wie ich es von mir selbst erwarte.“ Den FDP-Sitz nimmt nun Daniel Stark (Sulzheim) ein. Als Teil der neuen "bunten Mehrheit".