Es gibt nicht nur Kritik, jetzt regt sich auch Widerstand gegen das geplante Einkaufszentrum am Ortsende von Oberndorf. Kathrin und Sven May, eine der beiden letzten Landwirt-Familien im Stadtteil, wollen verhindern, dass wertvolles Ackerland versiegelt wird. Sie sagen, die Dimensionierung des Projektes sei für Oberndorf übertrieben. "Das ist nicht das, was wir wollen." Und sie sagen: "Das Projekt steht im Gegensatz zur Nachhaltigkeitsstrategie der bayerischen Staatsregierung."
Noch ist das Vorhaben der Auriga Handels- und Gewerbebauträger GmbH im ersten Planungsschritt. Fest steht aber: Auf der derzeit landwirtschaftlich genutzten Fläche nördlich des Schleifweges soll ein großes Einkaufszentrum entstehen. Ein Vollsortimenter, ein Discounter, ein Drogeriemarkt, 3500 Quadratmeter Verkaufsfläche für einen Stadtteil mit knapp 2500 Einwohnern. Plus 150 Parkplätze. Der Schweinfurter Stadtrat hat am 27. September die dafür nötige Änderung des Flächennutzungsplans und die Aufstellung eines Bebauungsplans beschlossen. Das Grundstück befindet sich nach Angaben der Stadt in Privatbesitz.

Auf dem Küchentisch stapeln sich Broschüren. Kathrin May hat viel Informationsmaterial zum Thema Nachhaltigkeit zusammengetragen. Darunter die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen aus der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, denen sich die Stadt Schweinfurt verpflichtet hat. Eines der 17 Ziele heißt " Nachhaltige Städte und Gemeinden". Und darin wird die "größtmögliche Schonung" der Ressourcen durch sparsamen und sinnvollen Umgang mit unbebauten Flächen gefordert.
"Landwirtschaft ohne genügend landwirtschaftliche Fläche funktioniert nicht nachhaltig."
Kathrin und Sven May, Landwirte in Oberndorf
Die Pläne der Stadt stehen dazu im krassen Widerspruch, meinen Kathrin und Sven May. "Landwirtschaft ohne genügend landwirtschaftliche Fläche funktioniert nicht nachhaltig." Auch sei die Dimensionierung des Projektes für die Oberndorfer übertrieben." Mit 3500 Quadratmetern Verkaufsfläche komme es quasi der Größe des Einkaufszentrums am Bergl gleich, das schon den ganzen Stadtteil und das Musikerviertel plus das Oberndorfer Gebiet am Bahnhof abdecke. "Das hat nichts mehr mit einer Nahversorgung für Oberndorf zu tun."
Auf der Homepage der Stadt Schweinfurt steht, dass die Umsetzung der in der 2030-Agenda formulierten Nachhaltigkeitsziele nicht auf die weltweite Ebene beschränkt ist, sondern auch im kommunalen Bereich stattfinden sollte. In Schweinfurt werde daher seit 1998 die Lokale Agenda umgesetzt. Es gibt verschiedene Arbeitsgruppen, die Vorschläge und Projekte erarbeiten und den städtischen Gremien zuarbeiten. 2011 wurde auch die Agenda-Arbeitsgruppe "Nachhaltigkeit in der regionalen Wirtschaft und Steuerungsgruppe Fairtrade" gegründet. Sprecher war von Anfang an Roland Merz. Ihr Ziel ist die Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Region für die kommenden Generationen.
Agenda-Arbeitsgruppe kritisiert Größe und Flächenverbrauch für Einkaufszentrum
"Seit zehn Jahren halten wir Vorträge und informieren in Aktionen, wie der Schweinfurter heute und morgen nachhaltig leben kann", sagt Merz. Mehrfach wurde die Arbeitsgruppe öffentlich dafür ausgezeichnet. Unter anderem 2020 vom Deutschen Städtetag für die Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen auf kommunaler Ebene.
Dass die Stadt nun ein Verfahren eingeleitet hat, um "beste landwirtschaftliche Fläche" für ein Einkaufszentrum zu verbrauchen, das macht Merz fassungslos. "Wir opfern hier wertvollstes Ackerland in Zeiten von Umweltkatastrophen und Ukraine-Krieg, wo wir klima- und ressourcenschonend handeln und uns unabhängig machen sollten."

"Das gibt einen massiven Kundenschwund."
Roland Merz, Sprecher vom Agenda-Arbeitskreis "Nachhaltigkeit"
Es ist vor allem die Größe und der "unnötige Flächenverbrauch", was Merz kritisiert. Und die Tatsache, dass es solche Angebote in unmittelbarer Nachbarschaft, in Bergrheinfeld und am Bergl ja schon gibt. Alles, was das neue Einkaufszentrum bieten soll, sei dort vorhanden. Der Weg für die Oberndorfer nicht viel weiter als zu einem Einkaufsmarkt am Schleifweg. Für Merz steht deshalb fest: "Dieses Einkaufszentrum wird nicht wirtschaftlich zu betreiben sein." Kunden, die man für Oberndorf anwerben muss, werden am Bergl gebraucht. Kunden, die nach Oberndorf gehen, werden am Bergl fehlen. "Das gibt einen massiven Kundenschwund."
Die Agenda-Arbeitsgruppe "Nachhaltigkeit" will deshalb gemeinsam mit Kathrin und Sven May ein Konzept für eine echte Nahversorgung in Oberndorf erstellen. "Jetzt ist die Chance, mal was Neues zu machen", sagt Roland Merz. Das Ziel ist, einen Dorfladen zu installieren wie es landauf und landab Kommunen zur Sicherung der Nahversorgung tun.
Ein Beispiel: der Dorfladen mit Café, Bäcker und Metzger in Obereisenheim. Betreiberin ist eine eigens gegründete Unternehmensgesellschaft. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger haben als stille Gesellschafter Anteile gezeichnet und tragen somit auch finanziell das Projekt mit. "So etwas könnten wir uns in Oberndorf auch vorstellen", sagt Kathrin May. Denn es gehe ja nicht nur um eine Nahversorgung im Stadtteil, es fehle auch ein sozialer Treffpunkt für Jung und Alt.
Wichtig ist es der gelernten Technikerin für Landbau, dass die Stadt mit im Boot ist. Auch die Unterstützung der örtlichen Vereine und Organisationen sei nötig. Und die Bereitschaft der Bevölkerung, einen Dorfladen zu unterstützen. "So läuft's auf den Dörfern", weiß Kathrin May.

Die Agenda-Arbeitsgruppe hat bereits recherchiert, wie die Gründung eines Dorfladens geht. Kommunen können sich dabei vom Bundesverband der Bürger- und Dorfläden beraten lassen. "Das wird sogar finanziell gefördert", weiß Roland Merz. Dann braucht man eine Lokalität. Das könnte zum Beispiel das leerstehende Gasthaus Schwarzer Adler sein, meint Kathrin May. Es liegt zentral, ist fußläufig erreichbar und bietet ausreichend Platz. Unten für den Laden, oben für den sozialen Treffpunkt.
Ideen gibt es viele. Sie sollen nun in ein handfestes Konzept münden, das dem Stadtrat vorgelegt wird.
Agenda-Arbeitsgruppe fordert Wirtschaftlichkeitsprüfung für Einkaufszentrum
Im ersten Schritt aber will der Agenda-Arbeitskreis im Rahmen der vom Stadtrat beschlossenen Flächennutzungsplanänderung eine Wirtschaftlichkeitsprüfung für das beabsichtigte Einkaufszentrum beantragen. Denn ein Blick ins Einzelhandelskonzept der Stadt zeigt: Schweinfurt ist überversorgt, was Lebensmittelmärkte und Vollsortimenter betrifft. Und auch der Handelsverband ist skeptisch, prognostiziert: Der neue Markt wird Kundinnen und Kunden abziehen von den Märkten um ihn herum.
"Das ist ein reiner Verdrängungswettbewerb", sagt Roland Merz und wünscht sich, dass der Stadtrat über den eigenen Kirchturm hinausblickt. Denn in der Agenda 2030 ist auch das Nachhaltigkeitsziel "Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum" verankert, das zur Bewusstseinsbildung beim Thema "Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen" auffordert. In seinen Augen wäre es deshalb "fatal, wenn man weiterhin auf ein Einkaufszentrum pocht".