„Wolf trifft Henker“ – ganz so jenseitig, so Martin Heberlein, würde es nicht zugehen bei diesem Abend im Schrotturm mit drei Autoren aus Schweinfurt und Würzburg. LiTrio, das sind Heberlein selbst, Hanns Peter Zwißler und Ulrike Schäfer. Das Publikum strömte und bekam einen außerordentlich erbaulichen, interessanten und amüsanten Abend geboten.
Im Wechsel lasen sie Neues aus ihrem Schaffen. Hanns Peter Zwißler folgte beispielsweise dem Rat Bredouille aus seinem aktuellen Roman „Die Kunst des Scharfrichters und der Nutzen des Schaffotts“. In seiner bildhaften, von feinem Humor durchsetzten Sprache manifestieren sich Person, Charakter und historisches Gesellschaftsbild vor dem inneren Auge des Zuhörers. Zahlreiche Details fügen sich wie Mosaiksteinchen, winzige Andeutungen formen in der Fantasie ein hintersinniges Bild. So etwa wenn Bredouille einen froschäugigen Blick auf eine junge Schöne wirft, die ein Bad in ihren Tränen nimmt, als dieser sie ehelichen will – was dennoch passiert, denn angesichts des fortgeschrittenen Alters des Bräutigams ist eine Ehe auf Zeit absehbar. Da will man unbedingt weiterlesen!
Martin Heberlein bietet einen kaum zu übertreffenden köstlichen Service zur Weltliteratur: Als Meister der Kürze hilft er all jenen, die in der heutigen Hektik keine Zeit mehr für Goethe, Zweig und Brecht finden, aber dennoch mitreden wollen. In wenigen Versen fasst er klassische tragische Konflikte wie den der Iphigenie zusammen: „Tochtermord auf Aulis, wenn da mal nicht was faul ist!“, in einem Zweizeiler gar das Gesamtwerk von Andreas Gryphius. Komprimiert und in parodistischer Zeitsprache klärt der Gymnasiallehrer mal eben, was Goethe irgendwie umständlich ausgedrückt hat.
Ulrike Schäfers poetische Kurzprosa beeindruckt. „Inselsommer“ widmet sich Kindheitserinnerungen an Ferien voller emotionaler Eindrücke, Licht und Schatten. Winzigkeiten wie die Rosinenflecken auf dem Butterbrotpapier, Momente, Augenblicke leuchten auf, umfangen den Hörer und nehmen ihn mit auf eine Reise in die eigene Kindheit. Sehr konkret und voll schlichter Poesie lässt Schäfer die Atmosphäre einer Zeit erspüren, die nach Jahren nur noch Erinnerung ist. Berührend der Text über Gelika, deren Erinnerung an eine alte Liebe wie eine Silberspur zum Herz durchdringt und Hoffnung für ein neues Leben gibt – wird sie die Kraft finden, es auch zu führen? Mit „Wie fühlt es sich an ein Tier zu sein“ hat Schäfer den Würth-Literaturwettbewerb 2010 gewonnen. Auch hier die Thematik, die doch immer wieder den Abend durchzieht: Rückschau, Alter, Vergänglichkeit, Tod. Die Protagonistin dieser Geschichte wird zunehmend verwirrt, erfriert schließlich im Schnee. In Zwißlers „Überfrierende Nässe“ ist die Hauptfigur der Macht der Liebe verfallen und friert, schwer verletzt nach einer Rutschpartie auf katholisch trainierten Knien über spiegelglatte Straßen, an Treppenstufen fest. Komisch ist das, tragisch zugleich. Zeitgenössisches von Literaten aus der Region: eine lohnende Entdeckungsreise. Elke Tober–Vogt