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WETZHAUSEN: So entsteht der beste Rhöner Rotgelegte

WETZHAUSEN

So entsteht der beste Rhöner Rotgelegte

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    In die gewürzte Mischung aus Schweinefleisch, Schwartenbrei und gewolftem Fett kommt ein
ordentlicher Schuss Blut.
    In die gewürzte Mischung aus Schweinefleisch, Schwartenbrei und gewolftem Fett kommt ein ordentlicher Schuss Blut. Foto: Anand Anders

    Im Fenster des alten Fachwerkhauses brennt Licht. Seit fünf Uhr ist Bernd Unger wie jeden Tag in seiner Wurstküche in Wetzhausen am Werkeln. Mittwochs stehen Rotgelegter, Weißgelegter und Hausmacherleberwurst auf dem Programm. 120 Kilogramm von der besonderen fränkischen Kochwurst, dem Rotgelegten, entstehen dabei. Vier Metzger stehen mit dem 53-jährigen Unger täglich in der Küche. Manche von ihnen sind schon 48 Jahre im Betrieb. Es dampft aus den Kesseln, die Männer tragen Gummistiefel, die weißen Ärmel sind hochgekrempelt.

    Die Urkunde, auf die sie stolz sind in der Metzgerei Unger, hängt an der Wand im gekachelten Verkaufsraum: „Bester Rhöner Rotgelegter“. Auf dem Rhöner Wurstmarkt 2016, der alle zwei Jahre in Ostheim vor der Rhön (Lkr.

    Rhön-Grabfeld) stattfindet und tausende Wurstfans aus der ganzen Bundesrepublik anzieht, hat Unger die Top-Platzierung für den besten Rotgelegten eingefahren. Ein anderes Prädikat, diesmal für den besten Wacholderschinken, liegt schon eine Weile zurück. Die Wurstmarkt-Jury hat vor allem das Aroma von Ungers Rotgelegtem gelobt: Der frische Pfeffer schmecke durch, erzählt Unger. Und auch das Wurst-Publikum soll seinen Rotgelegten per Abstimmung als den besten bewertet haben, so wurde ihm gesagt.

    Die Metzgerei stammt aus dem Zweiten Weltkrieg

    Wie entsteht er, der beste Rotgelegte weit und breit? „Unser Vorteil ist, dass wir alles selber machen“, sagt Unger. Von der Schlachtung bis zum Verkauf über die Ladentheke. Der 53-Jährige hat die Metzgerei mit 18 Jahren von seinem früh verstorbenen Vater übernommen, auch der war schon mit 17 auf Ungers Metzgergroßvater gefolgt. Wann genau die Metzgerei im Zweiten Weltkrieg gegründet wurde, kann Bernd Unger nicht sagen. Inzwischen hat er neben dem Hauptgeschäft mit der Wurstküche auch eine Filiale in Sulzfeld (Lkr. Rhön-Grabfeld) und eine in Maßbach (Lkr. Bad Kissingen). Bernd Ungers Frau steht hinter der Verkaufstheke. Sohn Manuel (26) ist Metzger im Betrieb. Die Nachfolge in vierter Generation ist gesichert.

    Unger kennt alle seine Lieferanten. Am Samstag holt er 20 Schweine von den Höfen im Umkreis, aus Sulzfeld oder Thundorf (Lkr. Bad Kissingen). Auch Rinder verarbeitet die Metzgerei. Auch Lamm? Nein, das sei nicht gefragt. Der Montag ist Schlachttag für Schweine, am Dienstag werden sie zerlegt. Großvieh schlachtet Unger donnerstags, freitags zerlegt er es. Metzgerhandwerk ist auch Routine. Seit Jahrzehnten verlangen die Rhöner Kunden nach dem Gleichen, Rotgelegter ist vor allem zur Federweißen-Zeit beliebt. „Aber 60 bis 70 Kilo machen wir unabhängig davon das ganze Jahr in einer Woche.“

    Aus einem Schwein fließen drei Liter Blut

    Bernd Unger holt Gewürze aus der Kammer. Außer Pökelsalz und Pfeffer verrät er keine Details der Zusammensetzung seines Rotgelegten.
    Bernd Unger holt Gewürze aus der Kammer. Außer Pökelsalz und Pfeffer verrät er keine Details der Zusammensetzung seines Rotgelegten. Foto: Anand Anders

    Für die 120 Kilo Rotgelegten braucht Unger zwölf Liter Blut, außer der spezifischen Würzung unterscheidet ihn vor allem das Blut, also die Farbe, vom Weißgelegten. Zur Blutgewinnung wird das Schwein mit einem Stromschlag betäubt. Aus der angestochenen Hauptschlagader fließen drei Liter. Für den Rotgelegten einer Woche braucht Unger das Blut von vier Schweinen. Der Rest kommt in Blutwurst oder Zungenwurst.

    Das Rezept: Rotgelegter besteht zu 60 Prozent aus Fleisch, vom Kopf des Schweins, bei Ungers auch von der Brust oder den Spitzen, also den schmalen Enden der Lende. „Im Rotgelegten muss der Magerfleischanteil relativ hoch sein“, sagt Unger. Das Fleisch ist am Dienstagabend über Nacht in Salzlake gepökelt worden.

    Am Mittwochmorgen schneiden Unger und sein Angestellter Thomas Schmitt, schon 31 Jahre im Betrieb, das Fleisch in zweifingerdicke Würfel. Damit sie Fett verlieren, füllt Schmitt die Fleischwürfel in ein Sieb und schüttet heiße Brühe darüber. Aus den Sieblöchern strömt Fleischbrühe zurück in eine Wanne. „Diese Suppe gibt es auch zum Kauf“, erklärt Unger. Zusammen mit Kesselfleisch.

    Erst wird Fett entfernt, dann kommt wieder welches dazu

    Gerade erst Fett entfernt, kommt jetzt wieder Fett dazu. Nachdem es durch den Fleischwolf gedreht worden ist, ist das „gewolfte Fett“ so fein, dass es beim Essen nicht heraussticht, sondern nur Geschmack verleiht. Ebenso der Schwartenbrei: Gekochte Schwarte, also Schweinehaut, wird ebenso fein gehäckselt und zur Mischung hinzugegeben. „Was ich nicht essen will, verkaufe ich auch nicht“, sagt Unger.

    Von Hand gefüllt: Rotgelegter.
    Von Hand gefüllt: Rotgelegter. Foto: Anand Anders

    Geschichten von Borsten, die aus mancher Kochwurst herauslugen, kennt er. Für ihn ist ein guter Rotgelegter eine Delikatesse. Mit Senf und aufs Brot? Unger ist geschockt: „Brot, Gurke, fertig, aus.“

    Zwischen Fett und Schwartenbrei verschwindet der gestandene Metzger mit der weißen Baseballkappe kurz in der Gewürzkammer nebenan. Hier riecht es nach Pfeffer und Kräutern. Unger wiegt ab: Schwarzer Pfeffer kommt in den Rotgelegten, auch Pökelsalz. Dessen Nitritanteil rötet das Fleisch etwas und macht es anschaulicher. Doch das vollständige Würzgeheimnis behält Unger für sich.

    Die Gewürze im Topf, walzt Manuel Unger mit den Händen bis zu den Ellbogen durch die Wurstmischung. Das Fleischerhandwerk wird seinem Namen gerecht. Dann schwappen zwölf Liter Blut in die Wanne. Bei Zimmertemperatur wurde es durchgerührt, leichter Schaum liegt obenauf. Unger rührt weiter im Fleisch-Fett-Schwartenbrei-Gemisch.

    Der Schweinemagen wird auf links gedreht

    Währenddessen hat Thomas Schmitt die Saumägen vorbereitet: 20 gibt es, für den restlichen Rotgelegten werden Kunstdärme verwendet. Mancher Kunde wünscht sich sogar lieber die Kunststoffpelle als Natur. Warum eigentlich im Magen und nicht im Darm? „Wird schon immer so gemacht“, sagt Unger. Kein Grund, etwas zu ändern.

    Damit der Rotgelegte in eine saubere Naturpelle wandern kann, haben die Metzger den Schweinemagen gereinigt, gesalzen und auf links gedreht – so dass auch in Ausnahmen keine Futterreste mit dem Rotgelegten in Verbindung kommen. Eine der beiden natürlichen Öffnungen, die Speiseröhre, wird abgebunden, dann steckt Schmitt einen Metalltrichter in den Magen und zieht ihn durch die blutrote Mischung. Er schüttelt etwas, so dass Füllung nach unten rutscht, streicht den Magen von außen in Form und bindet die Öffnung ab.

    Rotgelegter gehört neben weißem schon immer zum Sortiment der Metzgerei.
    Rotgelegter gehört neben weißem schon immer zum Sortiment der Metzgerei. Foto: Anand Anders

    Dreieinhalb Stunden zieht der Rotgelegte noch in 80 Grad warmer Brühe. Über Nacht wird er in Ungers Kühlwagen hängen. Und ab Donnerstagfrüh in der Kühltheke zum Verkauf bereitliegen. Wer den Rotgelegten kauft?! Da muss Unger überlegen. Niemand bestimmtes, vom älteren Wetzhäuser bis zur jüngeren Familie. In der Rhön gibt es keine Vegetarier, so scheint es. „Bei uns im Dorf wird noch das Gleiche gegessen wie früher.“ In der Metzgerei Unger läuft sogar Hirn. Und sogar LKW-Fahrer halten um 8.45 Uhr vor der Tür und kaufen sich ihr fränkisches Frühstück.

    Fränkisches Wurstlexikon • Begriffe für fränkische Wurstprodukte gibt es so viele wie Dialektvarianten. Das merkt man, wenn man Metzger nach ihrem Angebot fragt. Unger zum Beispiel verkauft den Rotgelegten auch, wenn ein Kunde „roten Presssack“ verlangt. Die meisten Namen sind gleichbedeutend, mit kleinen Rezepturunterschieden. Keine Garantie auf Allgemeingültigkeit. • Rotgelegter/Weißgelegter: Kochwurst mit hohem Magerfleischanteil vom Schweinekopf • Presssack/Presskopf: Kochwurst auch aus anderen Schweinefleischteilen • Schwartenmagen: oft in der weißen Variante, dem Presskopf und Weißgelegten ähnlich • Blutwurst, auch Rot-/Schwarzwurst: Blut zur Bindung, kleinere Fleischwürfel (jha)

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