Einige Spuren des Schriftstellers Ludwig Derleth (1870 bis 1948) führen nach Gerolzhofen. Mit dessen Namen verbindet man zwei Dinge, die nach ihm benannt sind: Zum einen ist das die Realschule, zum anderen ist es die Straße, in der sein Geburtshaus stand. Am Haus selbst befindet sich ein Schild. Die Stadt hat nun große Teile aus dem Nachlass ihres bekannten Sohnes bekommen.
Dieser Tage gaben Bürgermeister Thorsten Wozniak, Archiv-Mitarbeiter Norbert Vollmann und Stadtrat Norbert Finster einen ersten Einblick in das Hinterlassene. Es enthält neben einer großen Büste von dessen Kopf verschiedenste Sachen. Briefe, Schriften, verschiedene Einrichtungsgegenstände, bis hin zu Derleths Grabstein, befanden sich in den Kisten und Kartons.

Wer war Ludwig Derleth? Was umfasst der Nachlass? Und was geschieht nun damit? Bürgermeister Wozniak erhofft sich vor allem bei Ersterem neue Erkenntnisse. "Gerade die Briefe sind ein großer Schritt zur Erforschung der Person Ludwig Derleths, die wir bisher nicht so kannten", so der Bürgermeister. Stadtrat Norbert Finster, der sich bereits früher intensiv mit dem Dichter und dessen Werk auseinandergesetzt hat, ging noch weiter und sprach von einem "literarischen Schatz."
Wer war Ludwig Derleth?
Ludwig Derleth wurde 1870 in Gerolzhofen geboren und verbrachte dort die ersten zwei Lebensjahre. Sein Vater war als Amtsrichter in Gerolzhofen tätig; Derleth studierte Germanistik und Altphilologie, wurde zunächst Lehrer. Später wurde er Schriftsteller; Anfang des 20. Jahrhunderts zog er nach München und schrieb die ersten Werke. Er galt als Esoteriker.

Welche Einfluß hatte die Münchner Zeit auf sein Werk?
Anfang des 20. Jahrhundert bewegte er sich im Stefan-George-Kreis, einer Gruppe, in der sich einige elitäre Dichter und Freidenker befanden. Als ihr Motto galt: L'art pour L'art: Das sah vor, Kunst allein wegen der Kunst auszuüben, nicht zum Geld verdienen, oder um etwas damit zu erreichen.
Welche Beziehung hatte er zu Gerolzhofen?
Wenig. Derleth kehrte wohl später nicht mehr in seine Geburtsstadt zurück, er zeigte aber viel Interesse an Franken. So befinden sich in seinem Fundus ein Sammelband fränkischer Dichter und mehrere Bildbände aus Franken. Vor allem auf Betreiben von Dr. Otmar Wolf und dem früheren Bürgermeister Franz Stephan Gerolzhofen kümmert sich die Stadt als einziger um Derleths Werk.

Was war sein Hauptwerk?
Ein Buch mit dem Titel "Der Fränkische Koran". An dem rund 485 Seiten umfassenden Werk schrieb er fast 30 Jahre. Das Buch ist im renommierten Literatur-Nachschlagewerk Kindlers Literaturlexikon aufgenommen. Das Hauptwerk aus dem Jahr 1932 ist ein großangelegter Weltgesang von der "Pilgerfahrt der Menschenseele von Gott zu Gott", ein mächtiges Lebens- und Glaubensbuch.

Zuvor hatte er als Lyriker in den "Blättern für die Kunst" und in der Zeitschrift "Pan" Aufsätze und Schriften veröffentlicht. Sein leidenschaftliches Bemühen zielte auf eine neue hierarchische Ordnung eines gereinigten katholischen Christentums, das er in seinen 1904 veröffentlichten "Proklamationen" mit revolutionärem Pathos verkündete. Weitere Veröffentlichungen waren die "Seraphinische Hochzeit" (1939) und "Der Tod des Thanatos" (1945).
Woher stammen die hinterlassenen Sachen?
Aus dem Palazzo San Pietro di Stabio im schweizerischen Tessin. Dort im Haus eines Mäzens, der Familie Schlettwein, lebte und wohnte Derleth von 1936 bis zu seinem Tod 1948. Die Familie Schlettwein räumte die Villa und bot den Nachlass seiner Geburtsstadt an. Im September transportierten sie die Sachen nach Gerolzhofen auf ihre Kosten.

Erste Stücke bekam Gerolzhofen bereits 2015 aus dem Nachlass. Dazu gehört der markante gelb furnierte Tisch der im Vorzimmer des Sitzungssaals im Rathaus steht. Außerdem sind kistenweise Briefe, teils ungeöffnete, darunter, handschriftliche Texte von Derleth.
Was geschieht mit dem Fundus?
Die gesamten angelieferten Stücke und Dokumente werden zunächst erfasst und gesichtet. Das dürfte einigte Zeit in Anspruch nehmen. Später soll unter anderem ein Vortrag zum Schriftsteller stattfinden, der auch auf den Nachlass eingeht. Gedacht ist zudem an eine Ausstellung im Rathaus. Später sollen sie einen Platz im Archiv oder einem Museum bekommen. Bürgermeister Wozniak kann sich vorstellen, das Ganze im Rahmen einer Doktorarbeit einer Hochschule anzubieten. Die Grabplatte erhält ihren Platz im Friedhof.
