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Gerolzhofen: Spannende Geschichte einer kleinen Kapelle

Gerolzhofen

Spannende Geschichte einer kleinen Kapelle

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    Bei der Ausstellungeröffnung "300 Jahre Gertraudiskapelle" in der Rüstkammer: (von links) Museumsleiter Klaus Vogt, Bezirksrätin Gerlinde Martin, Museumsleiter Bertram Schulz und Bürgermeister Thorsten Wozniak. 
    Bei der Ausstellungeröffnung "300 Jahre Gertraudiskapelle" in der Rüstkammer: (von links) Museumsleiter Klaus Vogt, Bezirksrätin Gerlinde Martin, Museumsleiter Bertram Schulz und Bürgermeister Thorsten Wozniak.  Foto: Ingrid Feil

    Während die Nutzung des Kapellbergs durch die archäologischen Grabungen des Teams von Eike Michl von der Universität Bamberg mittlerweile sehr gut erforscht ist, bleibt die frühe Geschichte der Kapelle auf dem Hundsrück mangels aussagekräftiger Quellen lückenhaft und teils sogar widersprüchlich. Dies wird auch in der aktuellen Sonderausstellung des Stadtmuseums Gerolzhofen "300 Jahre Gertraudiskapelle" deutlich, die am Sonntagvormittag in der Rüstkammer eröffnet wurde.

    Klaus Vogt, der zusammen mit seinem Museumsleiter-Kollegen Bertram Schulz die Ausstellung konzipiert und aufgebaut hat, gab in seinem Einführungsvortrag einen kurzen Überblick über die seit rund 3000 vor Christus währende Nutzung des Kapellbergs. Als im frühen 10. Jahrhundert in der Burganlage der Schweinfurter Markgrafen auf dem Bergkamm östlich der Stadt ein stolzer Steinbau errichtet wird, bekommt das Gebäude an seiner Ostseite einen eingezogenen Rechteck-Chor, der bei den archäologischen Grabungen wieder zum Vorschein kam. Möglicherweise war hier die Burgkapelle untergebracht. Über das Patronat ist nichts bekannt.

    Kapelle für den Bischof

    Ab dem frühen 11. Jahrhundert bauen die Bischöfe von Würzburg die Burganlage zu einer von fünf Bischofspfalzen in ihrem Bistum aus. Damals hatte der Bischof noch keinen festen Amtssitz in Würzburg, sondern reiste mit seinem gesamten Hofstaat und Beamtenapparat von Pfalz zu Pfalz durch sein Hoheitsgebiet. Pro Station blieb er jeweils mehrere Wochen. Deswegen wird es mit hoher Sicherheit (wieder auf der Ostseite) eine Kapelle innerhalb der Bischofspfalz gegeben haben, wo der Oberhirte seinen täglichen Gottesdienst feierte. Über das Patronat der Kapelle ist ebenfalls nichts überliefert.

    Die früheste schriftliche Erwähnung einer Kapelle oben auf dem Berg stammt aus dem Jahr 1357, also aus der Blütezeit der Bischofspfalz. In der Urkunde im Stadtarchiv ist zu lesen, dass das Ehepaar Berchtold und Kunigunde Schmitt per Testament ihre Felder und Wiesen der Pfarrkirche in Gerolzhofen vermacht. Unter den aufgeführten Äckern befinden sich auch zwei Felder „hinten am Kirchberg beim Nützelbach“, die mit einer Abgabenpflicht von vier Pfennigen zugunsten der „Kapelle zu Lindenloch“ belastet sind. 

    Niedergang im Städtekrieg

    Im Fränkischen Städtekrieg um 1400 geht die Bischofspfalz oberhalb von Lindelach in Flammen auf. Fortan - und dies vermutlich über mehrere Generationen - dient der beeindruckend große, einst 60 Meter lange, mehrstöckige Steinbau als Steinbruch.

    Auch die bischöfliche Kapelle wird im Krieg schwer beschädigt. Eine Urkunde von 1403 berichtet, dass die „capellam in loco dicto Cappelberg prope Lindeloch in honorem Sancta Gertrudis“ (die Kapelle zu Ehren der Hl. Gertrud auf dem so genannten Kappelberg nahe bei Lindelach) ganz „wüst liegt“. Wegen der Zerstörung gliedert Bischof Johann die Kapelle St. Gertrudis dem neu gegründeten Spital in Gerolzhofen zu dessen besserer Finanzausstattung an. Damit kommen nun alle Einnahmen, die bislang der Kapelle zustanden, dem neuen Spital zugute.

    Patronin von Krankenhauskirchen

    Unklar ist, ob es sich bei der erwähnten Kapelle St. Gertrudis um die Kapelle in der Bischofspfalz handelt oder ob auf dem Kapellberg vielleicht noch ein zweites Kirchlein (im Bereich des heutigen Standortes?) stand. Anhand des Patrozinium St. Gertrud lässt sich aber darauf schließen, dass die Kapelle eine Funktion als „Krankenhaus-Kapelle“ oder Siechhaus-Kapelle hatte. Denn die heilige Gertrud hatte sich zu Lebzeiten besonders um Arme, Kranke und Gebrechliche gekümmert und wurde nach ihrem Tod die Patronin vieler Krankenhauskirchen. 

    Ab dem Jahr 1403 wird in der Stadt an das neue Spital eine eigene Kirche angebaut. In einem Bericht aus dem Jahr 1683, der wichtige Ereignisse der Gerolzhöfer Stadtgeschichte zusammenfasst, heißt es sinngemäß, dass die Spitalkirche "anstatt der Kapelle St. Gertrudis, die auf dem Kapellberg stand und zerstört wurde", errichtet wurde.

    So sah die gotische Figurengruppe in der Gertraudiskapelle vor ihrer Sicherstellung und Renovierung aus.
    So sah die gotische Figurengruppe in der Gertraudiskapelle vor ihrer Sicherstellung und Renovierung aus. Foto: Stadtmuseum

    Messe für die Siechen

    Im Mai 1410 gibt es aber wieder eine Gertraudiskapelle. Die Spitalgründer Berthold und Anna Rucker rufen mit Genehmigung des Bischofs das Benefizium St. Gertrudis ins Leben. Mit den Erlösen des Benefiziums wird der Unterhalt eines Kaplans im Spital finanziert. Zu den Aufgaben des Spital-Kaplans zählt es, neben der Spitalkirche auch einmal wöchentlich in der Gertraudiskapelle eine Messe zu lesen, zu der die Siechen aus dem Siechhaus kommen. Das Gerolzhöfer Siechhaus, in dem die Aussätzigen und an Seuchen Erkrankten weit außerhalb der Stadt untergebracht waren, bestand seit dem Jahr 1100. Gesichert ist der Standort - auf halbem Weg zwischen Gerolzhofen und Dingolshausen - erst seit der Echter-Zeit, als ein Siechhaus neu gebaut wurde.

    Doch wo lag diese Gertraudiskapelle von 1410? Wurde die Ruine auf dem Kapellberg wieder instandgesetzt und Teile davon als Siechhaus genutzt? Nicht ganz abwegig ist auch die Möglichkeit, dass es dort im Siechhaus eine kleine Kapelle gibt, die als Gertraudiskapelle bezeichnet wird. Denn das Spital bezahlt jetzt regelmäßig den Gerolzhöfer Kirchner, „um im Siechenhäuslein zu läuten“. Und wo es eine Glocke gab, dürfte es auch eine Kapelle gegeben haben.

    1719 bilden einige Bürger ein Komitee und wollen die „Gertraudiskapelle“ wieder erbauen. Dies wird aber von der Bezirksregierung nicht gebilligt. Die Gründe sind unbekannt. Im Jahr 1720 gelobt dann Hans Jörg Schnöß, Stadtförster im Mahlholz und wohnhaft am Marktplatz (heute Stadtapotheke), bei schwerer Krankheit vor der Statue der Hl. Gertraud, eine neue Gertraudiskapelle auf den alten Fundamenten der Kapelle zu bauen, „die im schwedischen Krieg zerstört worden war“. Mit dem „schwedischen Krieg“ meint Schnöß den Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648). Stand tatsächlich seit 1410 wieder eine Kapelle oben am Kapellberg, bis die Schweden das Dorf Lindelach und dabei auch die Kapelle niederbrannten?

    Ungeklärte Fragen

    Unklar ist außerdem, warum am Türsturz der Kapelle die Jahreszahl 1718 steht, wo doch Schnöß die Kapelle laut Unterlagen erst 1720 in Auftrag gab. Klaus Vogt abschließend: "Klar ist: Es besteht noch Forschungsbedarf."

    Bürgermeister Thorsten Wozniak hatte die städtische Ausstellung eröffnet. Die Gertraudiskapelle auf dem Kapellberg mit dem herrlichen Ausblick sei schon immer ein Ort gewesen, wo Menschen neue Kraft tanken, ihre Gedanken schweifen und sich inspirieren lassen. Die Kapelle mit ihrer schlichten Eleganz unter der alten Linde sei zudem ein beliebtes Fotomotiv, was durch die zahlreichen Fotografien in der Sonderausstellung auch belegt werde. 

    Bezirksrätin Gerlinde Martin (Obervolkach) lobte die Ausstellung im Namen des Bezirks Unterfranken als wichtigen Beitrag zur Kultur- und Erinnerungsarbeit. Solche Plätze wie an der Gertraudiskapelle seien gerade in der heutigen Zeit wichtige Rückzugs- und Besinnungsorte. 

    Renate Förster, die die Kapelle seit einigen Jahren ehrenamtlich betreut, nahm die Ausstellung zum Anlass, sich der bei Stadt für die gute Zusammenarbeit zum Erhalt des kleinen Gotteshauses zu bedanken.

    Die Feier wurde vom Flötenduo Ayana Ludwig und Emilia Johanni und Elke Friedl (Klavierbegleitung) musikalisch umrahmt.

    Die Ausstellung ist ab sofort zu den bekannten Öffnungszeiten der Touristinformation für die kommenden vier Wochen geöffnet.

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