Die Gemeinden entlang der alten Trasse der so genannten Unteren Steigerwaldbahn zwischen Sennfeld und Großlangheim (mit Ausnahme von Gerolzhofen) haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, die von ihnen beantragte Entwidmung der Bahnstrecke bei der Regierung von Mittelfranken doch noch durchzukriegen. Sie wollen jetzt einen Vorstoß unternehmen, damit die Beschlüsse in den Kreistagen von Schweinfurt und Kitzingen, die jeweils pro Bahn ausgefallen waren, wieder geändert werden.
Darum geht es: Die Stadt Kitzingen hatte bei der für dieses Spezialverfahren zuständigen Regierung von Mittelfranken die Entwidmung der Bahnstrecke auf ihrer städtischen Gemarkung beantragt. Dem Antrag wurde stattgegeben, die Bahnstrecke im Kitzingen Stadtgebiet hat damit ihre rechtliche Privilegierung verloren, sie existiert juristisch gesehen nicht mehr. Nach dem Vorbild Kitzingens stellten in der Folge auch die Stadt- und Gemeinderäte aller Kommunen entlang der Strecke ebenfalls Anträge auf Entwidmung der Bahngrundstücke auf ihren Gemarkungen: Großlangheim, Kleinlangheim, Wiesentheid, Prichsenstadt (im Lkr. Kitzingen) sowie Lülsfeld, Frankenwinheim, Gerolzhofen, Sulzheim, Grettstadt, Gochsheim und Sennfeld (im Lkr. Schweinfurt). Die Entscheidungen in den Stadt- und Gemeinderäten fielen jeweils einstimmig beziehungsweise mit großer Mehrheit quer durch alle Fraktionen. Lediglich die Stadt Gerolzhofen zog Anfang 2019 ihren Antrag zurück und will jetzt erst eine neutrale Fahrgast-Potenzialanalyse der Bayerischen Eisenbahngesellschaft für die Strecke abwarten, ehe man sich dann verbindlich für oder gegen die Wiederbelebung ausspricht.
Kreistage gegen Gemeinden
Das von den Kommunen beantragte Entwidmungsverfahren, dessen Ablauf in Paragraph 23 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) geregelt ist, läuft derzeit bei der Bezirksregierung von Mittelfranken. Im Zuge dessen haben sich die Landkreise Schweinfurt und Kitzingen als Träger des Öffentlichen Personennahverkehrs in der Region zu Wort gemeldet. Beide Landkreise haben sich nach Mehrheitsbeschlüssen ihrer Kreistage gegen die Anrainergemeinden gestellt und die in Paragraf 23 AEG aufgeführten Hinderungsgründe einer Entwidmung geltend gemacht: Die Landkreise sehen noch ein „Verkehrsbedürfnis“ für die Bahnstrecke und erwarten - anders als die Kommunen - wie im AEG gefordert „langfristig eine Nutzung der Infrastruktur im Rahmen der Zweckbestimmung“.
Konferenz in der Mitte
Bei der Bürgermeister-Besprechung in Sennfeld am Dienstagvormittag wurden beide Kreistagsbeschlüsse von allen Anwesenden deutlich kritisiert. Vor den Abstimmungen in den Kreisgremien hätte man die betroffenen Gemeinden besser einbinden müssen, sagte beispielsweise Ewald Vögler, der Bürgermeister von Grettstadt. Jede Anrainergemeinde habe ihre eigenen, speziellen Gründe, um gegen die Wiederbelebung der Bahnstrecke zu sein. „Diese wurde aber nicht andiskutiert.“ Bei der Diskussion im Schweinfurter Kreistag sei es grundsätzlich nur um eine Verbesserung des Öffentlichen Personennahverkehrs gegangen. „Da ist klar, dass der Kreistag dies so will.“ Dabei hätte man sich aber nicht auf das Ergebnis „bedenklicher Gutachten“ verlassen dürfen, ohne nachzufragen, wer diese Untersuchungen denn in Auftrag gegeben habe. „Wir vor Ort wissen wesentlich mehr.“
Sennfelds Bürgermeister Oliver Schulze sagte, man müsse mit dem Schweinfurter Kreistag auf sachlicher Ebene das Thema nochmals besprechen. Der Lülsfelder Bürgermeister Wolfgang Anger bedauerte ebenfalls den fehlenden Gedankenaustausch zwischen Gemeinden und den beiden Kreistagen. Er schlug vor, die Landräte Florian Töpper und Tamara Bischof sowie die Fraktionsvorsitzenden beider Kreistage nach der Sommerpause zu einer gemeinsamen Konferenz mit den Bürgermeistern entlang der Strecke einzuladen. Diese Sitzung könnte in Gerolzhofen oder in Lülsfeld, also quasi in der Mitte der Trasse stattfinden. Man sollte dabei eine „ergebnisoffene Diskussion“ führen, sagte Anger. Das Ziel des Treffens ist allerdings eindeutig: „Wir müssen das Thema nochmals in die Kreistage bringen.“ Bürgermeister Oliver Schulze erklärte sich bereit, die Organisation des Treffens zu übernehmen.
Bei dem Vorschlag von Bürgermeister Anger, der unter anderem von Dieter Zeller, 2. Bürgermeister des Markts Kleinlangheim, und vom Frankenwinheimer Bürgermeister Herbert Fröhlich ausdrücklich unterstützt wurde, klang die Hoffnung mit, dass die Kreistage Schweinfurt und Kitzingen eventuell nochmals ihre getroffene Entscheidungen überdenken und vielleicht sogar zurücknehmen könnten. Denn würden die von den Landkreisen bislang geltend gemachten Hinderungsgründe für die Entwidmung der Bahnstrecke wegfallen, wäre die Entscheidung der Regierung von Mittelfranken praktisch vorprogrammiert: Alles andere als die Entwidmung der Strecke, die so genannte „Freistellung von Bahnbetriebszwecken“, wäre dann eine Überraschung.
Machbar und rentabel?
René Schlehr, der Bürgermeister von Prichsenstadt, betonte, man werde als Bürgermeister beziehungsweise als Stadt- oder Gemeinderat einer Wiederbelebung der Strecke selbstverständlich zustimmen, wenn eindeutig geklärt sei, dass bei einer Reaktivierung die Vorteile überwiegen. Bislang sehe er dies aber nicht. Neben der Frage, ob die Reaktivierung überhaupt machbar sei, müsse man dann auch nach der Rentabilität fragen. Man rechne ja in einer Gemeinde auch erst alle Kosten zusammen, bevor man ein neues Baugebiet ausweist, und entscheide sich erst dann für oder gegen das Projekt, wenn die konkreten Grundstückspreise berechnet seien. Unterstützung fand Schlehr beim Sulzheimer Bürgermeister-Assistenten Markus Bohlender-Saukel, der gemeinsam mit Sulzheimer 2. Bürgermeister Albrecht Dazer an der Sitzung teilnahm und mit einem hohen Defizit beim Betrieb der Bahnstrecke rechnet.
Sorge um Verkehrschaos
Sennfelds Bürgermeister Oliver Schulze verwies auf Verkehrsprobleme, die seiner Meinung nach entstünden, wenn sich die Bahnschranke an der viel befahrenen Kreuzung Hauptstraße/Gerolzhofer Straße/Schwebheimer Straße mehrmals pro Stunde schließen würde. Er erwarte dann Staus bis raus zur Autobahn, bis zur Maxbrücke und bis zum Schwebheimer Kreisel. „Es graut mir davor“, sagte der Bürgermeister. An solche Konsequenzen denke keiner der Bahnbefürworter.
Die Gochsheimer Bürgermeisterin Helga Fleischer machte die möglicherweise drohende Verschlechterung des Bus-Angebots zum Thema. Unstrittig ist, dass es - falls die Bahn kommt - neben der Bahnstrecke keinen parallel verlaufenden Busverkehr mehr geben wird. Hauptsächlich die Linie 8160 dürfte dann wegfallen. Helga Fleischer macht sich aber auch Sorgen, dass eventuell die Stadtbuslinien zwischen Gochsheim und Schweinfurt ausgedünnt werden. Bislang könne man alle 20 Minuten nach Schweinfurt fahren, und dies von Haltestellen aus, die gerade auch für Senioren gut erreichbar seien. „Dies wäre eine deutliche Verschlechterung für die Senioren, wenn sie erst zum Bahnhof laufen müssten, um nach Schweinfurt zu kommen.“
Wo soll gebaut werden?
Ein weiteres Thema: die Infrastruktur auf und neben der stillgelegten Bahnstrecke. Ein Eisenbahn-Infrastrukturunternehmen, das die Strecke übernimmt, muss die Trasse und die Haltestationen ohne Zuschüsse des Freistaats in einen Zustand versetzen, der einen attraktiven Zugverkehr ermöglicht. Auch hier sehen die Bürgermeister Probleme bei der möglichen Umsetzung. Zahlreiche Liegenschaften der Deutschen Bahn entlang der Strecke, unter anderem die ehemaligen Bahnhöfe und angrenzenden Grundstücke, seien inzwischen an Privat verkauft. Es werde schwierig, in den Gemeinden noch Flächen zu finden, wo die neuen Haltestellen, die Park & Ride-Parkplätze oder das neue Ausweichgleis für den gegenläufigen Zugverkehr gebaut werden könnten.