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Gerolzhofen: TCM: Den Menschen als Gesamtes sehen

Gerolzhofen

TCM: Den Menschen als Gesamtes sehen

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    Dr. Christian Schmincke, Chefarzt der Klinik am Steigerwald auf der Waldesruh bei Gerolzhofen, erläutert einer Patientin die Wirkungsweise der Akupunktur. Diese ist eine der Säulen der Traditionellen Chinesischen Medizin.
    Dr. Christian Schmincke, Chefarzt der Klinik am Steigerwald auf der Waldesruh bei Gerolzhofen, erläutert einer Patientin die Wirkungsweise der Akupunktur. Diese ist eine der Säulen der Traditionellen Chinesischen Medizin. Foto: Fotos: Klinik am Steigerwald/DPA Jens Kalaene

    Vor zwei Jahrzehnten eröffnete eine Gruppe von Ärzten um Dr. Christian Schmincke eine Fachklinik für Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) im ehemaligen Kugelfischer-Erholungsheim Waldesruh oberhalb Mutzenroth. Am Sonntag, 17. Juli, feiern Schmincke und sein Team das 20-jährige Bestehen der Klinik, unter anderem mit einem Tag der offenen Tür von 14 bis 18 Uhr, der Einblicke gibt in den Klinikalltag. Vorab sprach Dr. Christian Schmincke, der Chefarzt auf der Waldesruh, mit unserer Redaktion über die Vorzüge der Chinesischen Medizin und ließ die Geschichte der Klinik Revue passieren.

    frage: Wann wurde die Traditionelle Chinesische Medizin bei uns in Westeuropa eigentlich ein Thema?

    Dr. Christian Schmincke: Grundsätzlich gleich nach dem Krieg. Es gab vor allem Lehrer aus dem heutigen Vietnam, aber es waren relativ wenige Ärzte, die das betrieben haben. Einen richtigen Boom erlebte die chinesische Medizin dann mit der Öffnung Chinas Anfang der 1970er-Jahre. US-Präsident Richard Nixon war bei Mao Zedong zu Gast, und die ihn begleitenden Journalisten haben unter anderem gefilmt, wie die Chinesen operieren. Ohne Narkose, nur mit Akupunktur-Betäubung. Viele Heilkundige sind daraufhin nach China gereist, um zu lernen.

    Umgekehrt kamen auch chinesische Professoren zu uns. Zunächst verbreitete sich vor allem die Akupunktur. Andere Methoden wie Qi Gong und chinesische Massage kamen erst später hinzu. Die chinesische Arzneitherapie ist erst vor vielleicht 20, 30 Jahren so richtig bekannt geworden.

    Und wie sind Sie zur chinesischen Medizin gekommen?

    Schmincke: Ich habe zunächst Biochemie gemacht, war ein paar Jahre in der Forschung tätig. Dann wollte ich mich mehr mit Menschen beschäftigen und habe Medizin studiert. Aber als Naturwissenschaftler ist man immer ein bisschen enttäuscht von der Schulmedizin. Sie ist so ungenau. Daher habe ich etwas Genaueres gesucht, was sich tatsächlich mit dem menschlichen Körper, seinen verschiedenen Funktionen beschäftigt. So bin ich dann zu den Chinesen gekommen und habe seit Mitte der 70er-Jahre chinesische Medizin gelernt. Unter anderem bin ich drei Mal nach China gereist und einer meiner Lehrmeister, Professor Li Bo Ning, war auch einige Monate bei mir in meiner Tübinger Praxis.

    Und dann kamen Sie auf die Idee, sich mit einer Klinik auf die TCM zu spezialisieren?

    Schmincke: Das war nicht meine Idee. Dahinter steckte unsere Arbeitsgemeinschaft, alles ziemlich erfahrene Ärzte der chinesischen Medizin. Wir hatten viele wirklich schwer kranke Patienten, bei denen eine ambulante Behandlung nicht mehr ausreichte. Dafür brauchten wir eine Klinik.

    Aber warum in der Provinz und dann noch im Wald, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen? Lieschen Müller denkt sich doch glatt: Mit so einer Klinik gehe ich in einen großstädtischen Ballungsraum, wo meine Patienten sind.

    Schmincke: Das ist eine interessante Frage. Wir haben lange gesucht. In Oberbayern. Dann in Franken. Wir hatten auch eine stillgelegte Klinik in Stuttgart im Auge. Aber in der Großstadt hat man immer mit dem Lärm Probleme. Hier gab es Ruhe. Und die Patienten, die wir behandeln, sollten auch die Wohltaten eines naturnahen Aufenthaltes genießen können. Zudem gab es hier erschwingliche Preise. Wir hatten kein Geld und mussten das Ding ja irgendwie erwerben und umbauen. Dafür mussten wir erst Gesellschafter finden.

    Als die Klinik dann eröffnet war, haben Ihnen die Patienten gleich die Türe eingerannt? Oder gab es doch eher Anlaufschwierigkeiten?

    Schmincke: Wir haben versucht, in den Bettenbedarfsplan von Bayern aufgenommen zu werden. Das hat aber nicht geklappt, deswegen mussten wir als Privatklinik firmieren. Bei den gesetzlich Versicherten haben die Kassen daher in der Regel die Kosten nicht übernommen. Das ist ein großes Problem bis auf den heutigen Tag.

    Haben Sie die Hoffnung, dass sich daran mal etwas ändert?

    Schmincke: Es hieß, ihr müsst Therapiestudien machen. Ihr müsst Forschung betreiben. Ihr müsst beweisen, dass es hilft. Das haben wir gemacht. Und dabei ist herausgekommen, dass wir eine erstaunlich hohe Besserungsquote haben, und die Besserung auch nach zwei Jahren noch ausgesprochen stabil war. Damit sind wir zu den Kassen gegangen. Aber die sind so in ihren bürokratischen „Gefängnissen“ eingesperrt, die können uns einfach keine Zulassung geben. Wir versuchen, das momentan über die Politik zu ändern. Aber ich bin da nicht so optimistisch.

    Sie haben in den Anfangstagen auch im Fernsehen dafür gesorgt, die Klinik bekannt zu machen, waren bei Jürgen Fliege in seiner ARD-Talkshow.

    Schmincke: Dass wir überhaupt am Anfang genug Patienten hatten, um zu überleben, das verdanken wir schon dem Jürgen Fliege. Ohne ihn gäbe es uns wohl gar nicht. Denn damit so ein Projekt anläuft, dass überhaupt genug Patienten behandelt werden konnten, die dann Mundpropaganda für uns machen, dazu braucht man einen Zünder. Und das ist nun mal das Fernsehen, vor allem das überregionale. Fliege hatte ja zu seiner besten Zeit über sechs Millionen Zuschauer. Daraufhin kamen natürlich schon sehr viele Anfragen.

    Wie war denn die Reaktion der Schulmedizin auf die „chinesische Konkurrenz“ auf der Waldesruh?

    Schmincke: Am Anfang gab es da schon manchmal schwierige Situationen. Im Moment hat sich alles entspannt. 75 Prozent unserer Patienten kommen ja gar nicht aus der Region.

    Und wenn wir einmal eine schulmedizinische Diagnostik brauchen oder eine intensivmedizinische Mitbehandlung, dann sind wir natürlich froh über eine Zusammenarbeit mit der Geomed-Klinik, mit dem Leopoldina in Schweinfurt oder in manchen Fällen auch mit Würzburg. Wir nehmen denen ja nichts weg, und eigentlich bedeutet unsere Arbeit für sie eher einen Zugewinn an Patienten. Von der Krankheitsauffassung her ist es natürlich ein durchaus konfliktreiches Feld. Das Entscheidende ist immer die Kommunikation mit den Kollegen.

    Die chinesische Medizin verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Wie sieht dieser aus?

    Schmincke: Die Krankheiten sind nach chinesischer Auffassung immer Allgemeinstörungen und machen oft auch eine Wanderung durch verschiedene Organbereiche durch. Es ist eine völlig künstliche Perspektive, welche die westliche Medizin aufbaut. Sie sagt: Wenn jemand am Rücken krank ist, müssen wir den Rücken behandeln. Aber vielleicht muss man ja die Nasennebenhöhlen behandeln, damit der Rücken gesund wird. Diese Verengung des Blicks hängt mit der Fächereinteilung zusammen. Die ist sicher sinnvoll in chirurgischen Fächern. Ich möchte mir auch nicht meine Augen von einem Frauenarzt operieren lassen.

    Aber wenn es um die Beseitigung von chronischen Krankheiten geht, ist unsere Stärke gegenüber der Schulmedizin, dass wir die Gesamtbalancestörung sehen und ganz gezielt darauf hinarbeiten können, dass der Mensch stabiler wird und die Krankheiten überwindet.

    Darauf liegt dann wohl auch der Schwerpunkt Ihrer Arbeit?

    Schmincke: Wir behandeln Schmerzpatienten, neurologische Patienten, Patienten mit chronischen Entzündungen. Aber auch psychosomatische Fälle. Mit Panikattacken und so was werden die Chinesen ziemlich schnell fertig. Wenn man die Psychosomatik noch weiter fasst, haben wir auch Kinder mit ADHS. Hierbei liegt der Ansatz in der Verknüpfung der effektiven Methoden der chinesischen Medizin mit Familientherapie und Schulberatung. Ein spannendes Feld, und ich denke, dass wir da noch eine ganz schöne Zukunft vor uns haben.

    Apropos Zukunft: Wo soll es hingehen mit der Waldesruh? Wollen Sie die Klinik noch vergrößern?

    Schmincke: Nein. Wir stehen nicht auf zahlenmäßiges Wachstum, sondern bestehen auf dem Prinzip des inneren Wachstums. Dazu gehört auch, dass wir auf dem Gebiet der Aus- und Weiterbildung noch aktiver sein wollen. Wir sind an sich die einzige Klinik, die in nennenswertem Umfang Ärzte ausbildet in chinesischer Arzneitherapie. Wir wollen mithelfen, dass in ganz Deutschland solche Ärzte verfügbar sind. Und dann wollen wir für die Krankheitsbilder, wo wir viel Erfahrung haben, differenzierte Leitlinien entwickeln, die wir Kollegen an die Hand geben können.

    Und wie lange wollen Sie selbst noch mit an Bord bleiben?

    Schmincke: Dazu kann ich gar nichts sagen. Wer weiß denn, wie weit die Gesundheit mitspielt in den nächsten Jahren? Wenn man mal 70 ist, muss man immer mit allem rechnen. Aber ich denke, ich bleibe schon noch ein paar Jährchen da oben.

    Das komplette Interview mit Dr. Christian Schmincke lesen Sie im kommenden „Schaufenster für die Region Mainschleife und Steigerwald“, das am Dienstag, 26. Juli, erscheint.

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