Es herrscht Dauerregen, als die Mitglieder des Zweckverbands "Waldpflege – Gemeinsamer Bürgerwald Gerolzhofen-Dingolshausen" mit Förster Jochen Schenk zur Frühjahrswaldeinsicht aufbrechen. Auf den ersten Blick erscheint die Szene der mit Gummistiefeln, Regenjacken und Schirmen bewaffneten Stadt- und Gemeinderäte, die über matschige Waldwege marschieren wie Hohn. Haben nicht zuletzt Schlagzeilen von Trockenschäden und Käferplage die Nachrichten aus dem Wald dominiert? Beides widerspricht sich nicht, erfahren die Teilnehmer der fast fünfstündigen Exkursion in den Steigerwald. Der Bürgerwald steht durchaus auf der Kippe, wenn nicht dringend etwas unternommen wird.
Dabei darf der Wald in diesem Frühjahr durchaus mal etwas durchschnaufen. Förster Schenk hatte es bereits in der Zweckverbandssitzung in der Woche zuvor berichtet: Er schätzt die Wasserversorgung für die Bäume aktuell als so gut ein, wie in den vergangenen zehn Frühjahren nicht mehr. Den Winter über ist gut Niederschlag gefallen, auch Schnee. Und vor allem konnte das Wasser gut versickern, weil die Böden die meiste Zeit nicht gefroren war. Hinzu kommen die moderaten Temperaturen im April, mit Frühfrösten bis weit in den Monat hinein. Dies alles hat dazu geführt, dass der Waldboden nur wenig Wasser verloren hat.
Ausbreiten der Käfer ist gebremst – vorerst
Davon profitieren derzeit alle Baumarten, allen voran aber die Fichte, die laut Schenk dieses Jahr besser gegen Schädlinge gerüstet sein dürfte als in den vergangenen Jahren. Das massenhafte Auftreten der Borkenkäfer sei gebremst, "wenn auch nicht aufgehalten".

Grund zum Jubeln hat der Förster – abgesehen von dem dank hoher Marktpreise sehr gut gelaufenen Holzverkauf (siehe Infobox) – dennoch nicht. Das wird während der Waldeinsicht schnell klar. Vereinfacht gesagt geht es um nicht weniger, als um die Mammutaufgabe, den Wald umzubauen – nicht nur partiell, sondern umfassend, nicht mittelfristig, sondern am besten sofort. "Wir haben keine 25 Jahre mehr im Steigerwald", sagt Schenk.
Eine solche Zeitspanne war in seiner Zunft bis vor kurzem nicht viel mehr als ein Augenblick. Denn Förster sehen das Ergebnis ihrer Arbeit immer nur ansatzweise. Wer heute Bäume pflanzt, pflanzt diese für seine Nachkommen in 100 oder vielleicht 150 Jahren.
Der Hitze und Trockenheit folgen Schädlinge
Doch der Klimawandel setzt Förster massiv unter Zeitdruck. Er lässt etlichen Baumarten, die seit Jahrhunderten im 800 Hektar großen Gemeinsamen Bürgerwald so wie im restlichen Steigerwald gedeihen, aller Voraussicht nach keine Chance. Für viele wird es künftig einfach zu heiß und zu trocken sein. Oder sie fallen Schädlingen zum Opfer, die wiederum von Hitze und Trockenheit profitieren. Ein Teufelskreis.

Exemplarisch zeigt Förster Schenk an einzelnen Holzeinschlägen seine Strategie, die sich – sehr vereinfacht – auf folgenden Nenner bringen lässt: Kiefern und Fichten sollen raus aus dem Wald. Sie haben in den vergangenen Trockenjahren bereits massiv gelitten und sind bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht zu retten. Stattdessen sollen flächendeckend Laubbäume wachsen. Doch auch hier geht's nicht ohne Plan. Denn: Auch nicht alle Laubbäume werden überleben. Manche werden nur mit Glück überleben, andere hingegen haben – nach heutigem Wissen – durchaus gute Chancen, etwa Speierling, Eiche und Elsbeere. Bei den Nadelbäumen schrumpft die Auswahl an Zukunftsbäumen dagegen drastisch. Schenk nennt die Weißtanne als Kandidat mit Zukunft im Bürgerwald, in eingeschränktem Maß auch noch die Douglasie.

Seinen "Traumbestand", wie er es nennt, bringt der Gerolzhöfer Förster auf die Formel: zehn Baumarten plus x. Er möchte damit sicherstellen, dass auf die Fläche des Bürgerwalds betrachtet genügend verschiedene Baumarten wachsen, um gegebenenfalls auch den Ausfall einer Art zu verkraften. Denn Rückschläge wird es immer wieder geben, wie das durch einen Pilz hervorgerufene Eschentriebsterben zeigt, das diese Baumart dezimiert. Und bis vor wenigen Jahren hatte die Esche noch als Baum mit Zukunft gezählt.
Bedeutung der Buchen ist noch unklar
Erreichen möchte Schenk sein Ziel dadurch, dass er und seine Mitarbeiter immer dort, wo es Lücken im Bestand gibt, Zukunftsbäume - beispielsweise Eichen, Kirschen oder Linden - pflanzen. Diese bilden dann den Grundstock für eine natürliche Verjüngung des Waldes. Die Setzlinge müssten von hoher Qualität sein und unbedingt vor Verbiss geschützt werden. "Ich möchte lieber weniger, dafür aber hochwertige und große Individuen im Wald stehen haben", erklärt der Förster mit Blick auf die zentrale Rolle der Zukunftsbäume im Wald der Zukunft. Die Buchen, die momentan den absoluten Großteil des Baumbestands ausmachen, "halten wir dazwischen so, dass es passt". Denn seit zwei, drei Jahren ist es nicht mehr zu übersehen: Auch die Buche kämpft mit der Trockenheit, je nach Sorte und Standort.

Wie ernsthaft die Forstleute die Lage beurteilen, zeigt eine Überlegung, die Schenk den Mitgliedern des Waldpflege-Zweckverbands vorgestellt hat: Er spiele mit dem Gedanken, auf einer definierten Fläche Baumsetzlinge zumindest im ersten Jahr bei Bedarf per Hand zu gießen. Denn was nütze es, wenn diese gleich nach dem Pflanzen wieder vertrocknen? Da geht es nicht nur um die sieben bis acht Euro, die jeder Setzling, Arbeitszeit und Verbissschutz mitgerechnet, kostet. Sondern: "Wir haben den Luxus der Zeit nicht mehr", sagt Schenk. "Der erste Schuss muss sitzen."
Holzeinschlag im Gemeinsamen BürgerwaldIm zurückliegenden Winter wurden im Gemeinsamen Bürgerwald von Gerolzhofen und Dingolshausen insgesamt 5419 Festmeter (Fm) Holz eingeschlagen. 2400 Fm davon waren geplant, circa 600 Fm waren Schad- und Käferholz. Ausgelöst von den ab Herbst 2020 auch für Käferholz anziehenden Preisen auf dem Holzmarkt wurden 2358 Fm Nadelholz (überwiegend Fichte) aus Abteilungen, wo fast ausschließlich Nadelbäume wuchsen, geerntet. Dies soll auf diesen Flächen das Ausbreiten von Mischbaumarten begünstigen und den Baumbestand stabilisieren.Quelle: Förster Jochen Schenk