Zu Zeiten, als die Dorfpfarrer noch im Pfarrhaus wohnten, archivierten sie auch dort ihre Dokumente. Verschiedene Gegenstände, oft Geschenke der Gläubigen, kamen im Lauf der Zeit dazu. So war es auch im Pfarrhaus in Lülsfeld. Zuletzt wohnte Pfarrer Raimund Merget dort, bis er im Jahr 2013 ins Wohnstift Steigerwald nach Gerolzhofen zog.
Da eine weitere kirchliche Nutzung des Gebäudes nicht absehbar ist, verkaufte die Gemeinde nun das im Jahr 1871 errichtete Gebäude. Dies veranlassten Martin Ament von der Kirchenverwaltung sowie den ehemaligen Kirchenpfleger Otmar Haubenreich dazu, einen neuen Ort für die im einstigen Pfarrhaus in einem Stahlschrank gelagerten Unterlagen und Gegenstände zu suchen.

Schweres Gerät für den schweren Schrank
Der Inhalt konnte zu Fuß in den kleinen Keller unter der Sakristei der Kirche gebracht werden. Der Schrank selbst aber war zu groß und schwer, um ihn aus dem zweiten Stock die Treppe hinunter zu bugsieren. Also organisierte man einen Teleskoplader und schob den Schrank aus dem Giebelfenster in die Schaufel der Maschine.

Während der Aktion fanden Ament und Haubenreich einige interessante Dinge, beispielsweise eine Landkarte der Gemeinde aus dem Jahr 1930. Diese wurde nach der ersten Flurbereinigung im Jahr 1926 erstellt und zeigt wohl die Besitztümer der Kirche im Gemeindegebiet zu dieser Zeit. Fünf Jahre jünger ist eine Skizze des Lülsfelder Beichtstuhls von Bildhauer Franz Lieb aus Würzburg. Wie aus seinem Stempel zu entnehmen ist, nannte er sein Unternehmen "Werkstätte für kirchliche und profane Kunst". Datiert ist das Papier auf das Jahr 1934.

Urkunde mit lateinischem Titel
Laut Haubenreich wurde damals die Lülsfelder Kirche erweitert und der Beichtstuhl eingebaut. Obwohl er 42 Jahre lang das Amt des Kirchenpflegers ausübte, konnte er nicht sagen wozu eine Urkunde mit auf Latein verfassten Titel "Diploma Aggregationis Apostolatus Orationis" vergeben wurde, die ebenfalls zwischen den Unterlagen im Schrank ruhte.

Woran erkennt ein Laie eine Torarolle?
Bemerkenswert ist auf jeden Fall ein zusammengerolltes Pergament mit fremden Lettern. Ist es ein Teil einer Thorarolle? Haubenreich ist sich nicht sicher. Auch weiß er nicht, ob in den übrigen Dokumenten noch weitere Entdeckungen zu erwarten sind. Wahrscheinlich handelt es sich größtenteils um Rechnungen, die sich im Lauf der vergangenen 100 Jahren angesammelt haben. Ebenfalls ungeklärt ist die Herkunft eines verzierten Kästchens mit Engelsbildern auf den Innenseiten der Türen und insgesamt 14 christlichen Anhängern.

Anders schaut es beim Schrein der Kriegsgefallenen aus, der noch bis in die 1990er Jahre in der Lülsfelder Kirche aufgehängt war und der bereits im Kirchenkeller lagerte. Mit ihm gedachten die Angehörigen den Toten des Kriegs.
Schicksal einer jungen Frau im Krieg

Haubenreich weiß, dass einige Personen in der Sammlung fehlen und vermutet, dass Angehörige wohl kein Foto zur Verfügung hatten. Ein tragisches Beispiel dieser traurigen Sammlung: Die 19-jährige Klothilde Wohlfeil kam am Donnerstag, 24. Februar 1944, ums Leben. An diesem Tag erlebte Schweinfurt den größten Luftangriff während des Zweiten Weltkriegs. Rund 20 Kilometer südlich der Kugellagerstadt entdeckte an diesem Tag eines oder mehrere der versprengten Flugzeuge der Royal Air Force einen Zug. Mit diesem wollte die junge Lülsfelderin an diesem Tag nach Schweinfurt fahren. Doch schon vor Gerolzhofen endete die Fahrt und ihr Leben. Die Flugzeugbesatzungen hatten das Feuer auf den Zug eröffnet.
