Auf Einladung des Historischen Vereins präsentierte Grabungsleiter Ulrich Müller vom "Büro für Ausgrabungen & Dokumentationen Dieter Heyse" aus Schwarzach im Pfarrer-Hersam-Haus das Ergebnis der wissenschaftlichen Grabungen, die 2016 im Bereich des Neubaugebiets "Nützelbach I" und dann 2018/19 im Areal von "Nützelbach II" stattgefunden haben.
Im Bereich von "Nützelbach I" haben die Wissenschaftler eine spätkeltische Siedlung aus der späten Hallstattperiode und der frühen Latènezeit etwa um 500 vor Christus nachgewiesen. Dort wurden allerdings punktuell nur die Bereiche untersucht, die laut Bebauungsplan konkret für eine Bebauung vorgesehen waren. Die Bereiche für Garten- und öffentliche Grünflächen blieben von den Archäologen unangetastet. Dort schlummern im Untergrund noch die Zeugen der Vorzeit.
Nasse Füße
"Wir haben dort sehr schnell nasse Füße bekommen", erinnert sich Ulrich Müller. Der Grund für die aufsteigende Nässe war bei der Ausgrabung schnell gefunden: Das frühere, das originale Bachbett des Nützelbachs verlief früher in Schlangenlinien quer durch das jetzige Neubaugebiet. Erst in moderner Zeit wurde der Bach in Richtung Süden verlegt und in ein neues künstliches Bett gezwängt.

Im früheren Bachbett, das sich im Querschnitt durch die Sedimentablagerungen schön abbildete, entdeckten die Wissenschafter zahlreiche Fundgegenstände, unter anderem Keramikscherben und Tierknochen. Die Menschen, die vor 2500 Jahren dort in unmittelbarer Nähe zum Flüsschen lebten, haben ihren Abfall einfach in den Bach geschmissen. Die Müllentsorgung war schon immer ein Problem des modernen Menschen.
Erdkeller für Vorräte
In diesem Ausgrabungsgebiet machten die Archäologen insgesamt 86 Siedlungsbefunde, in erster Linie Pfostengruben und die Reste von Erdkellern. In den Pfostengruben steckten früher die senkrechten Balken der hölzernen Haus- und Scheunenkonstruktionen. Und die Erdkeller, teils flaschenförmig in den Untergrund gegraben, dienten damals zur Vorratshaltung. Zu den schönsten Fundstücken zählt eine kleine, hauchdünne Silbermünze, etwa so groß wie ein Marienkäfer: ein keltischer Viertelquinar. Auf der Vorderseite ist ein nach links blickender Kopf und auf der Rückseite mutmaßlich eine Eule geprägt.

Im Gegensatz zu "Nützelbach I" wurde das Neubaugebiet südlich des Bachs nicht punktuell, sondern flächendeckend untersucht. Nach Voruntersuchungen des Landesamts für Denkmalpflege zeigte sich, dass auf dem insgesamt 4,2 Hektar großen Gebiet eine Fläche von 27 000 Quadratmetern eine besondere Dichte von Befunden aufwies. Diese 2,7 Hektar wurden in siebenmonatiger Arbeit mit teils großem Personalaufwand erforscht.
Zunächst habe man mit dem Bagger den Humus auf dem Acker abgezogen. Der Humus selbst wurde nicht untersucht, weil sich etwaige Funde durch die lange landwirtschaftliche Bearbeitung sowieso nicht mehr exakt zuzuordnen lassen und so nicht wissenschaftlich zu interpretieren sind. Interessant für die Wissenschaftler waren vielmehr die Schichten unterhalb des so genannten Pflughorizonts.
Vor 3000 Jahren
Insgesamt wurden 623 Erdbefunde festgestellt und per GPS exakt verortet. Anhand der Funde geht Ulrich Müller davon aus, dass "Nützelbach II" erstmalig am Übergang der Bronze- zur Eisenzeit, zwischen 1300 und 800 vor Christus, besiedelt war. Die Menschen dieser Urnenfelderkultur gehörten sicherlich einer bestimmten Volksgruppe an, für die es aber bislang noch keinen Namen gibt. Zwischen 50 und 100 Personen dürften damals in der Siedlung gelebt haben. Wenn die Böden der Äcker nach einigen Generationen verbraucht waren, zog man weiter. Oftmals nahm die Gruppe sogar die wichtigsten Tragpfosten ihrer Häuser mit. Zurück blieben nur die Pfostenlöcher, die allmählich zugeschwemmt wurden und sich bis heute farblich vom anderen Untergrund absetzen.

Vier verschiedene Siedlungsbereiche konnten festgestellt werden. Am unteren Siedlungsplatz in unmittelbarer Nähe zum heutigen Nützelbach, direkt neben dem modernen Feldweg, wurden nur spärliche Überreste festgestellt. Anhand von Pfostengruben lässt sich aber die Position einiger Gebäude rekonstruieren. Starke Erosion am Fuß des Hangs und das regelmäßig auftretende Hochwasser des Bachs haben in den vergangenen Jahrtausenden den Rest zerstört.
Möglicherweise Urnenbestattungen
Etwa in der Mitte des in Richtung Süden aufsteigenden Hangs befand sich eine zweite Siedlungsstelle. Dort gelang es den Archäologen, aus den insgesamt 300 Befunden mehrere Gebäude zu rekonstruieren. Es wurden hier auch Gefäß-Depots in Gruben gefunden. Möglicherweise wurde die Asche von Verstorbenen in Urnen gefüllt und mit anderen in Gruben bestattet. Zu dieser Zeit wurde Feuerbestattung praktiziert, Hinweise auf einen Friedhof mit Körperbestattungen fanden sich nicht.

Im dritten Siedlungsareal, wieder etwas weiter südlicher, konnten nur 50 Befunde gesichert werden. Interessant war dort eine Grube mit einer großen Menge zerbrochener Keramik und Brandlehm. "Dort wurde Brandschutt entsorgt", interpretiert Müller diesen Fund.
Produktions- und Vorratsfläche
Ganz im Süden des Untersuchungsgebiets stieß das Archäologen-Team auf 170 Befunde. Ins Auge fielen dort große Gruben, die entweder der Lehmentnahme oder als Erdkeller dienten. Solche Erdkeller seien in der Regel bis zu zwei Meter tief gewesen, sagte Müller. Im Gegensatz dazu waren die jetzt untersuchten Kellerreste relativ flach, der tiefste nur 1,2 Meter tief. Der Grund dafür ist in der Erosion zu suchen. Gefunden wurde auch Metallschlacke. "Dieser Bereich diente früher offenbar als Produktions- und Vorratsfläche", sagte Müller.
Nach der ersten menschlichen Besiedelung der Fläche hat sich dort dann 3000 Jahre lang nichts mehr getan. Warum, das ist unklar. Sicher ist aber: In absehrbarer Zeit wird hier nun ein neuer Stadtteil von Gerolzhofen entstehen.