Nach der umstrittenen Fällaktion des Staatlichen Forstbetriebs im Waldgebiet bei Fabrikschleichach hat der Verein Nationalpark Steigerwald eine ungewöhnliche Aktion organisiert. 70 Vereinsmitglieder hätten eine Menschenkette gebildet, um eine Waldfläche von einem Hektar abzugrenzen, teilt der Verein in einer Presseerklärung mit. „Das Ziel dieser Aktion ist es, mehr Transparenz in das Ausmaß der Waldzerstörung zu bringen“, betonte der Vereinsvorsitzende Liebhard Löffler. Man wollte damit den Wahrheitsgehalt der Behauptungen des Forstbetriebs nachprüfen.
Wie berichtet, hatte der Staatsforstbetrieb bereits vor Beginn der Fällaktion und auch nach dem Ende der Arbeiten stets betont, man habe im Schnitt nur fünf der insgesamt 30 Starkbuchen über 30 Zentimeter Durchmesser pro Hektar entnommen. Die Zähl- und Mess-Aktion des Vereins Nationalpark Steigerwald auf dem von ihm ausgewählten Hektar sei aber zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen, teilt der Verein mit: 46 Starkbuchen ab 30 Zentimeter Brusthöhendurchmesser hätten noch vor kurzem auf dem Areal gestanden. Davon seien 22 Buchen ab 60 Zentimeter Stammdurchmesser gefällt worden. 24 Buchen blieben übrig. "Fast die Hälfte der Starkbäume mussten demnach ihr Leben lassen", schreibt der Verein. Der 2. Vorsitzende Florian Tully (Gerolzhofen) spricht von einem bösen Verdacht: „Da in dem Waldgebiet erst vor rund vier Jahren Starkbuchen gefällt worden sind, kann sich ein Betrachter tatsächlich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Chance auf Ausweisung eines Unesco-Weltnaturerbes mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln des Staatsforstes verringert werden soll.“
Nur mediale Aufmerksamkeit
Auf Anfrage dieser Redaktion nimmt der Forstbetriebsleiter Ulrich Mergner Stellung zu den vom Verein erhobenen Vorwürfen. Und er macht dies in aller Deutlichkeit: "Es ist schon nicht leicht, komplexe waldbauliche und naturschutzfachliche Zusammenhänge gegenüber forstlichen Laien zu vermitteln. Besonders schwierig ist das gegenüber einer Gruppierung, die überhaupt keine Holznutzung möchte, für eine fundierte Beurteilung fachlich überfordert ist und eigentlich nur mediale Aufmerksamkeit sucht." Vor Beginn der Forstarbeiten in der Abteilung "Röthen" sei das Konzept des Forstbetriebs über die Nutzung von Buchenstammholz in dem Artikel der Main-Post Gerolzhofen "ausführlich und fachlich korrekt" dargestellt worden.
Der Verein habe auch auf die aktuellen Inventurdaten, die der Forstbetrieb immer wieder transparent mache, nicht reagiert - weil diese Zahlen nicht in die Kampagne des Vereins passen würden. Denn bei der jüngsten Wald-Inventur habe sich gezeigt, dass sich im Forstbetrieb Ebrach der Holzvorrat erhöht und dabei der Laubbaum-Anteil zugenommen habe, die Biotopbäume mehr geworden seien, starkes Laubtotholz angereichert wurde und die Artenvielfalt darauf reagiert habe. "Die Wälder sind heute artenreicher als früher." Offenbar seien die Vertreter des Nationalpark-Vereins aber an einer artenschutzgerechten Waldbewirtschaftung im Steigerwald nicht interessiert und suchten "mit populistischen Medien-Aktionen eine gänzliche Einstellung der Waldbewirtschaftung zu erreichen".
Widersprüchliche Berichte?
Ulrich Mergner geht in seiner ausführlichen Stellungnahme auf Anfrage dieser Redaktion auch auf Widersprüche zwischen den Mitteilungen des Vereins und des Forstbetriebs ein:
- Der Verein spricht von einer "Waldzerstörung auf einer Fläche von 60 Hektar". Mergner wehrt sich gegen den Begriff "Waldzerstörung". Davon könne nur bei Rodungen oder Großkahlschlägen mit Bodenabtrag gesprochen werden. "Bei einer normalen forstlichen Nutzung wird Wald nicht zerstört."
- Der Verein spricht von "rund 60 Hektar Wald", seitens des Forstbetriebs war bei der Pressekonferenz von einem Holzeinschlag auf 27 Hektar die Rede gewesen. Mergner erklärt dies: "Es handelt sich um zwei unterschiedliche Hiebsflächen." Beide Flächen zusammen ergeben rund 60 Hektar. In dem im Westen gelegenen 27 Hektar großen älteren, zweischichtigen Waldgebiet habe - wie gegenüber der Presse vorab erläutert - die Ernte von stärkeren Buchen stattgefunden. Auf der im Osten gelegenen Hiebsfläche habe es sich hingegen um Durchforstungen oder so genannte Verjüngungsnutzungen gehandelt. Durchforstungen fänden statt, um den verbleibenden Bäumen, oft Eichen, ein besseres Wachstum zu ermöglichen. Und die Verjüngungsnutzungen dienten dazu, dass junge Bäume wieder nachwachsen können, wo erntereife Bäume genutzt werden. Bei dieser Waldverjüngung werde besonderes Augenmerk auf Mischbaumarten zur Buche gelegt, wie zum Beispiel Eiche, Lärche oder Douglasie. "Sie werden auch als Lichtbaumarten bezeichnet, weil sie mehr Licht zum Gedeihen benötigen als junge Buchen."
Ein Durchschnittswert
- In dem von den 70 Aktivisten des Vereins umrahmten Hektar wurden laut Nationalpark-Verein deutlich mehr Bäume gefällt als nur fünf Starkbäume, wie es vom Forstbetrieb angekündigt worden waren. Auch dies kann Mergner erklären. Bei den Angaben des Forstbetriebs handele es sich um Durchschnittszahlen für die gesamte Fläche, erläutert Mergner. Die Erhebung des NP-Vereins sei dagegen offenbar eine punktuelle und damit nicht repräsentative Aufnahme. Die waldbauliche Situation vor Ort sei schließlich nicht überall die gleiche. Dem entsprechend sei auch die Entnahmezahl der Bäume nicht überall gleich, sondern situationsabhängig. Schließlich strebe man keine homogenen und altersgleichen Wälder an, sondern Wälder, die kleinräumig ihre Struktur wechseln.
Anfällig für Stürme?
- Der ausgelichtete Wald biete jetzt wesentlich mehr Angriffsfläche für die Zerstörungswut der schweren Stürme, kritisiert der Nationalpark-Verein zudem. Ungleichartige und gestufte Wälder seien eine alte und auch berechtigte Forderung der Naturschutzverbände, kontert Mergner. Wenn der Wald kleinräumig seine Struktur wechsle, habe dies ökologische Vorteile, weil dadurch viele Randsituationen und Nischen („Edge-Effekt“) für Tier-, Pilz- und Pflanzenarten mit unterschiedlichen ökologischen Ansprüchen entstünden. "Ziel unserer Waldbewirtschaftung ist es, auch möglichst viele Baumarten zu beteiligen, um das Risiko im Zuge des Klimawandels abzupuffern und die Artenvielfalt zu erhöhen." Dazu gehörten auch Baumarten wie Eiche und Lärche. Diese Bäume würden aber mehr Licht benötigen als die Buche.
Zwei Ernten in zehn Jahren
- Ein weiterer Vorwurf des Vereins: In dem Waldgebiet seien erst vor rund vier Jahren Starkbuchen gefällt worden. Mergner bestätigt dies. "Dazu muss man wissen, dass die forstliche Planung in dem Bestand zwei Nutzungseingriffe pro Jahrzehnt vorgesehen hat. Sinn der Verteilung der Holzernte auf zweimal ist es, die Bäume in der Oberschicht ausreifen zu lassen und nicht zu früh zu ernten." Das sei auch eine Forderung des Bundes Naturschutz in Bayern, der mit seiner „Rotkernkampage“ dafür werbe, Buchen erst in stärkeren Dimensionen zu nutzen. Wichtig für das Verständnis sei, dass immer wieder Bäume in stärkere Dimensionen nachwachsen.
Auf Antrag des staatlichen Forstbetriebs Ebrach haben Mitarbeiter des zuständigen Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Schweinfurt die umstrittene Hiebsfläche am Montag, 14. Januar, begangen. Stephan Thierfelder, der Bereichsleiter Forsten der Behörde, wird im Laufe dieser Woche darüber einen Bericht verfassen, hat er angekündigt.