Otmar Reick kennt sich gut mit Tieren aus. Allerdings sind seine Hühner, Gänse, Enten und Pfauen, die er auf dem 2000 Quadratmeter großen Mahlholzacker in der Nähe des Schallfelder Waldes hegt und pflegt, gewöhnlich etwas kleiner als das Tier, dem er dieser Tage gegenüber stand. Der rüstige Rentner aus Gerolzhofen ist sich ganz sicher, an jenem Morgen vor rund zwei Wochen gegen 7.30 Uhr auf etwa 50 Meter Entfernung einem Wolf gegenübergestanden zu haben.
Wie jeden Tag um diese Uhrzeit war er in der Nähe seines Gartengrundstücks aus dem Auto ausgestiegen, um die letzten Meter zu Fuß zu laufen, als er das in aller Seelenruhe am Waldrand stehende Tier erblickte. Er war daraufhin noch etwas auf der Waldwiese auf den Wolf zugelaufen. Auch als er angefangen habe, laut zu schreien, habe das Tier überhaupt nicht reagiert und keine Anstalten gemacht, davonzulaufen. Da es weder scheu noch schreckhaft gewesen sei, müsse es bereits Erfahrungen mit Menschen gemacht haben, ist sich Otmar Reick sicher.
Im Wald verschwunden
Nach einigen Minuten habe der Wolf dann doch auf der Wiese kehrt gemacht und sei im Schallfelder Wald verschwunden. Die nächsten Tage habe er immer wieder Ausschau nach dem Tier gehalten, aber es habe sich nicht mehr blicken lassen.
Der 78-Jährige, dessen Garten mit all den gepflanzten Bäumen und Sträuchern eine wahre Oase auch für Igel, Ringelnatter, Hase, seltene Vögel aller Art und anderes Getier in der ansonsten stark ausgeräumten Flur ist: „Es war wohl ein Wolf auf der Wanderschaft, der durch Rhön, Haßberge und Steigerwald durchgezogen ist.“
„Ein schöner Kerl“
Mehrfach betont Otmar Reick: „Es war ein wunderschönes und wunderbares Tier.“ Etwas größer als ein Schäferhund sei er gewesen, mit einem herrlich hellgrau-bräunlich gefärbten Fell und den charakteristischen spitzen Ohren. Er sagt nochmals: „Ein schöner Kerl“. Wobei er allerdings nicht sagen könne, ob es sich um ein Männchen oder Weibchen gehandelt habe.
Otmar Reicks Beobachtung deckt sich mit Schilderungen des inzwischen verstorbenen Stadt- und Bürgerwaldförsters Volker Conrad. Der hatte bereits 2017 der Redaktion berichtet, sich sicher gewesen zu sein, im Bereich zwischen Mahlholz und Schallfelder Wald auf Spuren eines durchgezogenen Wolfes gestoßen zu sein.
Auch andere Ereignisse lassen darauf schließen, dass in der hiesigen Gegend Wölfe durchziehen, auch wenn es noch nicht gelungen ist, einen genetischer DNA-Nachweis etwa in Form von Speichel oder Haaren des Wolfes an gerissenen Rehen oder in Form von Wolfskot zu erbringen.
Wolf, Wolfshund oder kein Wolf?
Der Grat ist indes oft schmal. Auch bei einem Fall in Stammheim 2017 war man sich in Jägerkreisen ziemlich sicher, dass ein Wolf das Reh gerissen hatte. Fachleute ordneten die Bisspuren den Bildern nach aber einem Hund zu.
Ein ganzes Wolfsrudel kommt nach Aussage von Experten aufgrund der benötigten Reviergröße sicher nicht für die Gegend um Gerolzhofen in Betracht. Denkbar sind aber auch im hiesigen Raum durchziehende Wanderwölfe. Diese meist jungen, männlichen Einzelgänger legen oft weite Strecken zurück, egal ob sie auf der Suche nach einem geeigneten eigenen Territorium nur durchziehen oder weil sie dort in der Gegend sesshaft werden möchten.
Rückkehr im Steigerwald steht bevor
Für Ulrich Wotschikowsky, einem der gefragtesten Wolfsexperten in Deutschland, stellt sich allerdings angesichts der „atemberaubenden Zunahme der Populationen“ seit dem Jahr 2000 längst nicht mehr die Frage, ob der Wolf auch den Steigerwald in Deutschland als Lebensraum zurückerobert, sondern nur wann dies geschehe. Der Steigerwald sei für den Wolf ein „super Gebiet“ mit Platz für „mehrere Rudel“, davon ist der Wildbiologe, Jäger und frühere stellvertretende Nationalparkleiter im Bayerischen Wald überzeugt. Bislang habe aber keine Hinweise auf einen oder gar mehrere Wölfe im hiesigen Raum.
Wolf-Nachweise in Unterfranken
Davon unabhängig hatte 2017 das für die Wolf-Beobachtung im Freistaat zuständige Bayerische Landesamt für Umwelt die Existenz eines freilaufenden Wolfes im Landkreis Main-Spessart anhand der gemachten Handy-Fotos bestätigt. Inzwischen konnte der Wolf mehrfach auch im Landkreis Rhön-Grabfeld durch Fotos oder Genetik, in dem Fall Speichel, nachgewiesen werden.
Meldungen aus dem Raum Gerolzhofen
Nicht von der Hand zu weisen ist, dass zum Beispiel 2017 wiederholt teils trächtige Rehe im Bereich der Gerolzhöfer Polizei gerissen wurden. So im Februar bei Obereuerheim, im März an der Kartbahn bei Gerolzhofen oder im Mai auf der Alitzheimer Seite des Hörnauer Waldes. Insbesondere bei dem an der Kartbahn getöteten Reh ging man aufgrund des Verletzungsbildes davon aus, dass die Bissspuren eher auf einen Wolf als auf einen großen Hund hindeuteten. Dazu gab es einen Zeugen, der sich „zweihundertprozentig“ sicher war, am Dienstag, 4. April 2017, an der B 286 in Höhe von Unterspiesheimeinen Wolf gesehen zu haben und keiner Verwechslung etwa mit einem Wolfshund aufgesessen zu sein. Über diese Vorfälle hinaus hat es nach Aussage von Margit Endres, der Leiterin der Polizeiinspektion Gerolzhofen, seitdem aber keine neuen Meldungen mehr gegeben.
Nach Auskunft eines Sprechers des Landesamtes für Umweltschutz in Bayern liegt dort nach wie vor keine einzige bestätigte Wolfssichtung aus dem Landkreis Schweinfurt vor. Was dem LfU allerdings nicht gemeldet werde, gehe auch nicht in die Datenhaltung ein. Aufgrund der großen Reichweite der Tiere, könnten diese jederzeit überall auftreten, bestätigt aber auch der LfU-Mann.
Auch dem Kontaktbüro „Wölfe in Sachsen", und dem Freundeskreis freilebender Wölfe in Nordrhein-Westfallen sind hier keine Meldungen aus dem Raum Schweinfurt und Steigerwald untergekommen, obwohl sie über ihre eigenen Bundesländer hinaus Wolfhinweise aufnehmen und bewerten, wie die Nachfrage ergab.
Wolfsichtungen ans LfU melden
Hinweise auf Wölfe (Sichtungen, Spuren, Kot, gerissene Tiere) sollten immer an die zuständigen Behörden gemeldet werden, damit diesen nachgegangen werden kann. In Bayern ist das Landesamt für Umwelt (LfU) die zuständige Stelle, an die man sich sofort direkt oder über Polizei und Landratsamt wenden sollte.
Hunde an die Leine nehmen
Wölfe gelten als scheu und daher als ungefährlich für Menschen. Fachleute raten, bei einer Begegnung mit einem Wolf den nötigen Respekt vor dem Tier zu haben und Abstand halten. Man sollte Ruhe bewahren und keine Panik aufkommen lassen, um den Beute- und Jagdinstinkt des Tieres nicht zu wecken. Hunde sollten in jedem Fall an der Leine geführt werden.
Informationen zum Wolf und seinem Monitoring in Bayern finden sich im Internet auf der Seite des Bayerischen Landesamtes für Umwelt unter: www.lfu.bayern.de