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Gerolzhofen: Wie geht’s Dir mit der Stille?

Gerolzhofen

Wie geht’s Dir mit der Stille?

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    Die Gertraudiskapelle oberhalb von Gerolzhofen ist für viele ein Ort der Stille. 
    Die Gertraudiskapelle oberhalb von Gerolzhofen ist für viele ein Ort der Stille.  Foto: Günter Engert

    In Corona-Zeiten wird es stiller auf den Straßen und öffentlichen Plätzen. Keine Gruppen, die picknicken, keine Skateboard-Gruppen und kein Fußballspiel in den Stadtparks. Kein Kinderlachen auf den Spielplätzen. Verordnete Entschleunigung. Viele Termine werden abgesagt. Das Leben verlangsamt sich. Jetzt zu Frühlingsbeginn, wo in der Natur langsam das Leben zu pulsieren beginnt, kehrt in die Gesellschaft - wenigstens für ein paar Wochen - eine „staade Zeit“ ein. Menschen machen neue Erfahrung mit Stille.

    Pfarrer Stefan Mai.
    Pfarrer Stefan Mai. Foto: Michael Mößlein

    Schon vor Corona spürten Menschen in unserer überreizten und überhitzten Zeit Sehnsucht nach Stille. Bildungshäuser, Meditationszentren, Psychotherapeuten machen Angebote zum Entschleunigen, wie man einem übertriebenem Lebenstempo entkommen kann. Man lernt, Pausen im Kalender zu markieren. Lücken werden mit Farbstift fett umrandet. Seminare bieten Körpererfahrungen, Atemübungen und Traumreisen in das Land der Stille an.

    Andere reisen zu den letzten Ruheoasen dieser Welt, die als Kraftplätze internationales Renommee genießen. Oder besuchen Wellnesshotels, wo sie "die Seele baumeln lassen“ oder nehmen Auszeiten in Klöstern, um hinter Klostermauern abseits von Smartphone und Television in die Stille einzutauchen. 

    Aber die Rechnung „Je weniger Lärm, desto mehr Entspannung“ ist zu simpel. Eine Verringerung der Dezibelzahl führt nicht automatisch zu mehr Ausgeglichenheit. Das erlebten schon die ersten christlichen Einsiedler, die im dritten Jahrhundert aus dem fruchtbaren Nildelta in die ägyptische Wüste zogen, um – wie sie sagten – „die Süßigkeit des Schweigens“ zu suchen.

    Es gehört offenbar zur Stille, dass sie erschrecken kann. Sie entzieht sich den Erholungssuchenden, erleichtert nicht, wenigstens nicht gleich. Sie öffnet sich bei der erstbesten Begegnung nicht freundlich. Es wird leise um mich herum. Und mit einem Mal merke ich, welch Lärm in meinem Kopf herrscht. Gedankenchaos: Meine Gedanken sind wie ein Vogelschwarm, immer in Bewegung. Sie schrecken hoch, fliegen auf. Kommen zurück.

    Erfahrungen mit der Stille

    Meine Urerfahrungen mit der Stille kommen aus der bäuerlichen Lebenswelt meiner Kindheit. Stillemeditationen waren für mich: Im Frühjahr das Steinelesen auf den Äckern, wenn wir einfach - ohne viel zu reden - die Steine sammelten und die Lerchen sich nach oben schraubten und jubilierten. Wenn ich als Kind oft lange nach getaner Arbeit im Stall saß und den Kühen beim Wiederkäuen zuschaute. Ein Bild der Ruhe und tiefen Friedens. Stilleerfahrung ist für mich, wenn ich bei geöffnetem Fenster draußen dem Regen zuhöre, wie er auf den Dächern tanzt. Oder im Morgengrauen auf die ersten Vogelstimmen warte. Stille kehrt bei mir ein, wenn ich einen Gedanken lese, der tief in mein Herz fällt, der mir nicht aus dem Kopf geht und den ich lange mit mir herumtrage. Und immer wieder beeindruckt mich die Stille nach der Predigt im Kirchenraum, wenn es in einem Raum, in dem es schon still war, noch stiller wird.

    Ein Ort der Stille ist für manchem Gerolzhöfer die Gertraudiskapelle, nur mal ein paar Minuten in Ruhe hinsetzen, die Gedanken kommen lassen, während draußen der Wind pfeift oder sein Lied im Blätterrauschen der alten Linde singt. Für viele ist auch die Stadtpfarrkirche ein Ort der Stille, wenn sie beim Eintreten spüren: Wie eine andere Welt, der Lärm verebbt hier und die Stille findet ihr Bild in einer kleinen Flamme einer kleinen Opferkerze vor dem Marienaltar.

    Den Wolken zuschauen

    Stillemeditation ist: Still auf einer Wiese liegen und den Wolken zuschauen, wie sie kommen und gehen, welche phantastischen Formen uns zeigen.Und selbst die Langeweile ist ein Ort der Stille. Langweile einmal bewusst aushalten und dabei spüren: ich tue nichts und doch geschieht so viel in mir.

    Stille können sogar Menschen erfahren, wenn Geräusche um sie herum sind. So können einem Geomaris-Besucher im Liegestuhl die Schwimmbadgeräusche, das Plätschern des Wassers und das Gejohle der Kinder auf der Rutsche im Dahindösen zur meditativen Begleitmusik werden.

    Es gibt kein Allgemeinrezept

    Mit der Stille muss man persönliche Erfahrungen sammeln. Es gibt kein Allgemeinrezept. Sie stellt sich nicht auf Druck ein. Du kannst sie aber einüben! Worte, die dich ansprechen; Lieder, die dir zu Herzen gehen in Stille nachklingen lassen. Bei einer Tasse Kaffee oder Tee bei einer Pause einfach still dasitzen, dabei sinnieren oder zum Fenster hinausschauen. Du kannst das Aufwachen, das Einschlafen nutzen als bewusstes Hinaushören auf die Straße oder in die Natur und kannst in dich selbst hineinhören, welche Stimmen sich da melden.

    Das Gebet ist immer ein Ort der Stille. Ein Ort, wo du ganz ehrlich zu dir bist. Der Philosoph Soeren Kierkegaard hat einmal gemeint: „Als mein Gebet immer andächtiger und innerlicher wurde, da hatte ich immer weniger und weniger zu sagen. Zuletzt wurde ich ganz still. Ich wurde, was womöglich noch ein größerer Gegensatz zum Reden ist, ich wurde ein Hörer. Ich meinte erst, Beten sei Reden. Ich lernte aber, dass Beten nicht bloß Schweigen ist, sondern Hören. So ist es: Beten heißt nicht, sich selbst reden hören. Beten heißt still werden und still sein und warten, bis der Betende Gott hört.“

    Wie geht’s Dir mit der Stille?

    Du bist eingeladen, Deine Erfahrungen mit der Stille an die Redaktion der Main-Post zu schreiben(redaktion.gerolzhofen@mainpost.de), um sie auch anderen Menschen zugänglich zu machen. Sie können vielleicht so mancher und manchem eine Anregung sein, wieder hellhöriger für die Sprache der Stille zu werden.

    Diesen und weitere Texte von Pfarrer Stefan Mai gibt es zum Anhören und Weiterverschicken auf der Homepage der Pfarreiengemeinschaft unter www.pg-st-franziskus.de

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