Angesichts hoher Infektionsraten bei der Corona-Pandemie hat Landrat Florian Töpper in einem Brief an die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Landkreis Schweinfurt dringend geraten, von einer öffentlichen Trauerfeier anlässlich des Volkstrauertags abzusehen. In einer Video-Konferenz mit den bayerischen Landräten hatte zuvor Ministerpräsident Markus Söder dies ebenfalls angeregt.
So wichtig die Erinnerung an die Opfer von Kriegen, Unterdrückung und Gewalt auch ist, der Schutz der Lebenden geht vor. Und deshalb fand in diesem Jahr in Gerolzhofen auch keine Trauerfeier an den Denkmälern an der Volkachbrücke statt. Bürgermeister Thorsten Wozniak, 3. Bürgermeister Markus Reuß und Stadtgärtner André Ditterich legten am Samstagabend unter Ausschluss der Öffentlichkeit dort einen Kranz im Namen der Stadt Gerolzhofen nieder.
Rede im Gottesdienst
Zuvor hatte der Bürgermeister von Pfarrer Stefan Mai die Gelegenheit bekommen, am Ende des Vorabendgottesdienstes im Steigerwalddom in einer kurzen Rede an den Volkstrauertag zu erinnern. Die Corona-Pandemie sei eine unerwartete und gewaltige Herausforderung, "eine der größten Herausforderung seit dem Ende des 2. Weltkrieges", sagte der Bürgermeister. Seit Monaten komme das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben ganz oder teilweise zum Stillstand: Ausgangsbeschränkungen, kein Weinfest, kein Herbstfest, geschlossene Gaststätten und Schwimmbäder und Freizeiteinrichtungen, ausgefallene Hochzeits- und Familienfeiern, zu Beginn gar geschlossene Geschäfte. Auch in der Vorweihnachtszeit werden Zusammenkünfte und Adventsfeiern von Freunden und Familien nur eingeschränkt möglich sein.

Auch geschichtlich bedeutsame Jubiläen konnten in diesem Jahr in Gerolzhofen nicht gefeiert werden: die 30. Wiederkehr der deutschen Wiedervereinigung zum Beispiel, ebenso das Ende des 2. Weltkrieges vor 75 Jahren. "Es ist aber wichtig, sich zu erinnern", sagte Wozniak. Auch und gerade am Volkstrauertag. "An diesem Tag gedenken wir all der Menschen, die durch Krieg und Terror, Gewalt und Diktatur ihr Leben verloren haben. Wir gedenken auch derer, die wegen ihrer Überzeugung, Religion, Sexualität oder ihrer Herkunft gefoltert, vertrieben oder ermordet wurden. Wir gedenken derer, die wegen einer Krankheit oder einer Behinderung als lebensunwert galten. Und wir gedenken derer, die wegen ihrer Überzeugung Opfer einer Gewaltherrschaft wurden."
Die Erinnerungen sind wach
Auch wenn es aufgrund der Corona-Pandemie keine zentrale Gedenkfeier geben könne, müsse man an die Botschaft des Volkstrauertags erinnern: "Frieden ist nicht selbstverständlich." Noch erinnern sich viele Bürgerinnen und Bürgern an den Krieg, das Kriegsende oder die Zeit danach: Sechs Millionen Menschen in Deutschland sind 80 Jahre oder älter. "Diese Frauen und Männer haben die Schrecken des Krieges miterlebt. Viele von ihnen haben geliebte Menschen verloren. Manche Soldaten kamen erst Jahre nach Kriegsende aus der Gefangenschaft zurück. Zahlreiche kehrten versehrt zurück - körperlich, aber auch seelisch." Auch heute noch werden, wenn der Bürgermeister beispielsweise bei runden Geburtstagen den Jubilaren einen Besuch abstattet, Geschichten über im Krieg verstorbene oder vermisste Familienmitglieder berichtet. "Das sind bewegende Geschichten, auch jetzt noch, 75 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges."
"Meine Generation hat keinen Krieg erlebt", sagte Thorsten Wozniak. "Dafür bin ich sehr dankbar." Aus dem Gedenken und dem Erinnern ergebe sich eine Verantwortung. "Lassen Sie uns gemeinsam einstehen gegen Extremismus, Radikalisierung und auch gegen Populismus. Lassen Sie uns eintreten für Demokratie und für Völkerverständigung. Wir wissen: Frieden ist nicht selbstverständlich."