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REGION SCHWEINFURT: Zeitarbeit: Wenig Lohn, kaum Perspektiven

REGION SCHWEINFURT

Zeitarbeit: Wenig Lohn, kaum Perspektiven

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    Plackerei in der Packerei: Für einen Stundenlohn von 7,79 Euro arbeiten Zeitarbeiter etwa in den Lagerhallen der Logistikbetriebe und haben am Monatsende knapp 1100 Euro brutto auf dem Lohnzettel stehen.
    Plackerei in der Packerei: Für einen Stundenlohn von 7,79 Euro arbeiten Zeitarbeiter etwa in den Lagerhallen der Logistikbetriebe und haben am Monatsende knapp 1100 Euro brutto auf dem Lohnzettel stehen. Foto: Foto: DPA

    Für viele „Jobcenter-Kunden“ sind sie das personifizierte Schreckgespenst: Zeit- oder Leiharbeitsvermittler, die sich elegant „Personaldienstleister“ nennen, vermieten Menschen und deren Arbeitsleistung. Ihre Kunden sind Unternehmen aus der Region, die mit den Leiharbeitern dem Wesen nach Auftragsspitzen abfangen und Fehlzeiten der Stammbelegschaft ausgleichen.

    Das zumindest war die Idee hinter dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), das 1972 erlassen, am 1. Januar 2004 aber dergestalt novelliert wurde, dass früher limitierende Faktoren wie Überlassungshöchstdauer und Wiedereinstellungssperre aufgehoben wurden. Seitdem erlebt die Leiharbeit einen nie gekannten Boom – und die betroffenen Arbeitnehmer leiden oft unter schlechten Zahlungsbedingungen und Knebelverträgen.

    „Der Mitarbeiter erhält ein monatliches Festgehalt unabhängig von der geleisteten Stundenzahl i.H.v. 1  050 Euro“, heißt es in einem dieser Zeitung vorliegenden Vertrag zwischen einer Leiharbeitsfirma und einem Lagermitarbeiter. Seit dem 1. Mai 2011 gibt es einen Mindest-Stundenlohn von 7,79 Euro in West-, und 6,89 Euro in Ostdeutschland.

    Die erwähnte Vereinbarung ist älter, stammt aus dem Jahr 2008; wie viele ist sie aber befristet auf nur einen Monat, was so erst seit dem Wegfall des „Synchronisationsverbotes“ im Jahr 2004 möglich wurde. „Bis dahin durften Leiharbeitsfirmen Arbeitnehmer nicht auftragsbezogen einstellen, sondern mussten sie quasi dauerhaft vorhalten“, erläutert DGB-Regionsvorsitzender Frank Firsching.

    40 Leiharbeitsfirmen im Kreis

    Seit der Aufhebung werden 50 Prozent der Leiharbeitsverhältnisse in der Region Main-Rhön nur noch für maximal drei Monate abgeschlossen und bieten den Beschäftigten somit noch weniger Perspektiven.

    Eigentlich – so die ursprüngliche Idee der damals rot-grünen Koalition in Berlin – sollte die Leiharbeit eine Art Brückenfunktion ausüben, Sprungbrett sein für den festen (Wieder-) Einstieg von Arbeitnehmern in Betrieben des ersten Arbeitsmarkts. „Diese Brückenfunktion gibt es nur in Ausnahmefällen“, weiß Frank Firsching.

    In der Regel sei das Leiharbeitsverhältnis vor allem bei Jüngeren eher „ein zusätzlich vorgeschalteter Filter oder eine zusätzliche Barriere“. Diese Erkenntnis bestätigt auch ein anderer, bekannt gewordener Fall einer Leiharbeiterin, die nach zweijähriger Beschäftigung in derselben Firma durch diese übernommen werden sollte. Ihr Leiharbeitgeber willigte nur gegen Zahlung einer nicht unbeträchtlichen Ablösesumme ein.

    Über 40 Leiharbeitsfirmen gibt es nach DGB-Erkenntnissen im Arbeitsamtsbezirk Schweinfurt, die 2000 oder mehr Beschäftigte vermitteln. Nur wenige davon in die hiesige Großindustrie, weil die Betriebsräte dort „wachsam sind“ (Firsching) und auf korrekte Besetzung der offenen Stellen pochen. Außerdem haben die Großen etwa in den zurückliegenden Krisenzeiten Instrumente wie Kurzarbeit oder befristete Vertragsverhältnisse genutzt, um ihre Personalstrukturen zu flexibilisieren.

    Anders in kleinen, nicht mitbestimmten Betrieben, die mit Leiharbeitern Urlaubszeiten ihrer Mitarbeiter oder Krankentage überbrücken.

    Während der Anteil der Leiharbeiter an allen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen bundesweit bei knapp drei Prozent liegt, verharrt er im Arbeitsagentur-Bezirk Main-Rhön bei etwa einem Prozent – das entspricht absolut zwischen 1500 und 1700 Beschäftigten. Peter Schönfelder, Pressesprecher der hiesigen Arbeitsagentur, bezeichnet die Leiharbeit deshalb auch als „statistisches Randphänomen ohne Relevanz“, kann sich aber auch in die Situation der Betroffenen versetzen, „die unter den Bedingungen der Verträge freilich leiden.“

    Zu diesen Bedingungen zählen neben dem niedrigen Entgelt und der oftmals sehr kurzen Befristung häufig auch eine späte Lohnzahlung (meist zum 20. des Folgemonats), die vor allem in der Anfangsphase der Beschäftigung  ins Gewicht fällt, wenn die staatlichen Leistungen nicht mehr weiterlaufen. Happig sind bisweilen auch Regelungen zu Vertragsstrafen, etwa für unentschuldigtes Fehlen am Arbeitsplatz.

    In einem der dieser Zeitung vorliegenden Verträge werden 160 Euro fällig, wenn der Leiharbeiter an der Arbeitsstelle nicht erscheint oder sie verlässt und ebenso, wenn er nicht bis 9 Uhr meldet, dass er verhindert ist – dieser Fall läge etwa beim klassischen „Verschlafen“ vor. Eine Vertragsstrafe von einem Wochenarbeitslohn kassiert der Personal-Service-Firma im Falle der – selbst ausgesprochenen – „fristlosen Kündigung wegen pflichtwidrigen Verhaltens des Mitarbeiters“. Kleiner Trost: Bei einem in diesem Fall vorliegenden Stundenlohn von 7,60 Euro beträgt die Vertragsstrafe nur 266 Euro.

    Erniedrigende Konditionen

    Die bisweilen erniedrigenden Konditionen der Leiharbeitsverträge sind für die Betroffenen meist alternativlos; sie werden durch ihr Jobcenter an die Leiharbeitsfirmen verwiesen, bei Ablehnung der Stelle droht die Streichung der Bezüge. Dass sie dann fast rechtlos, unterbezahlt und fast ohne Aussicht auf eine valide Arbeitsstelle ohne Zwischenschaltung eines Vermittlers als „Arbeitssklaven“ missbraucht werden, dürften die politischen Entscheider so nicht gewollt haben. Sie können es ja gelegentlich revidieren.

    Hinweis

    : Die in diesem Artikel angeführten Fallbeispiele entstammen uns vorliegenden Verträgen Schweinfurter Zeitarbeitsfirmen.

    Mehr zum Thema: Zeitarbeit: Je größer, desto besser

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