Am 1. Januar 1975 wurde Lindelbach Teil der Gemeinde Randersacker. Eine Entscheidung, die alles andere als unumstritten war, erinnern sich Renate (65 Jahre) und Hermann Gessner (70 Jahre), ehemalige Wirtsleute der „Grünen Linde“, direkt neben dem Alten Rathaus in Lindelbach. „Eibelstadt lag uns eigentlich viel näher“, erinnern sie sich. Viele aus dem Ort seien früher beinahe täglich dorthin zum Arbeiten gelaufen, andere, um dort in den Bus zu steigen, der sie zu ihrer Arbeitsstätte anderswo weiterbrachte. Auch für Brot und Backwaren nahm man den gut drei Kilometer langen Weg „übern Berg“ auf sich. Selbst die Zeitungsfrau legte ihn auch mit über 80 Jahren – noch tagtäglich zurück. Die guten Kontakte kamen nicht von ungefähr: Auch die Jüngsten, die Kindergarten- und Schulkinder besuchten bis zur Eingemeindung Einrichtungen in Eibelstadt.
Hänseleien im Kindergarten
Doch all das half nichts: Der damalige Randersackerer Bürgermeister Franz-Josef Fischer hatte sehr gute Kontakte zum letzten Lindelbacher Bürgermeister Ludwig Scheckenbach und der setzte sich durch: Die Entscheidung fiel zu Gunsten von Randersacker. Daran kann sich sogar die Uroma Anna Meyer (86) erinnern, wenn auch nur vage. Eines, geben die Gessners zu, haben die Lindelbacher auch früher schon dort erledigt. „Fleisch und Wurst haben wir gern bei den fünf Metzgern dort geholt.“ Für alle anderen Einkäufe gab es früher sogar zwei Kolonialwarenläden, Weißenberger und Luft, in Lindelbach selbst. Die sind mittlerweile längst zu. Ebenso wie die Randersackerer Metzger.
Ganz ohne Animositäten und Anfangsschwierigkeiten lief die Eingemeindung freilich nicht ab. Elke Scheder (41), Tochter der Gessners und heute Wirtin der Grünen Linde, erinnert sich noch gut an ihre Kindergartenzeit in Randersacker. „Gern bin ich da nicht hingegangen“, verrät sie. Denn die Randersackerer hänselten die „Dorf“-Kinder aus Lindelbach. Die kleinen Feindseligkeiten hatten möglicherweise einen anderen, tieferen Grund: Randersacker war überwiegend katholisch, Lindelbach evangelisch. Eine katholische Kirche gibt es bis heute in dem kleinen Ort nicht. Für die älteren Leute noch bei der Wahl von Dietmar Vogel 2008 offenbar ein Problem: „Weißt du schon, dass wir jetzt einen lutherischen Bürgermeister haben“, hätten sich damals die Frauen beim Friseur entsetzt zugeraunt, berichtet Renate Gessner.
Kirchweih-Schlägereien
Zwischen die Fronten geraten, erinnern sie und ihr Mann sich, sind die Lindelbacher auch früher schon mal: „Bei unserer Kirchweih gab es beinahe regelmäßig Schlägereien“, erzählt Renate Gessner, „vor allem zwischen den Eibelstädtern und denen aus Randersacker.“ Beide erinnern sich auch noch an die Zeit, als alle Lindelbacher in eine Schule gingen: „Da gab es nur eine Klasse, in der alle drin waren, von der Ersten bis zur achten. Schlechter als heute war das auch nicht,“ finden sie.
Auch wenn spätestens seit der Eingemeindung alle Kinder quasi mit ihren Randersackerer Kameraden aufwachsen: Einen gemeinsamen Treffpunkt hat sich die Lindelbacher Dorfjugend erhalten. So wie früher kommen da auch alle zusammen, vom Grundschüler bis zum jungen Mann: „Im Sommer sind wir alle abends auf dem Bolzplatz“, erzählen die Kinder der Scheders, Julian (10), Isabel (17) und Markus (19). Da wird dann nach dem Kick schon auch mal der Grill angeworfen und bis in die Nacht hinein gesessen und getratscht.
Schlittenbahn auf der Straße
Eine andere heiß geliebte Aktivität aus der Kinderzeit, das Schlittenfahren auf der Dorfstraße, wurde ebenfalls kurz nach der Eingemeindung quasi abgeschafft: „Weil ja alle viel mehr fahren mussten, wurde die Straße jetzt geräumt und gestreut und war damit als Schlittenbahn unbrauchbar“, ergänzt Mutter Elke. Dafür allerdings gab es damals - anders als heute - nicht nur einen Schulbus, sondern auch einen gemeinsamen Fahrdienst für die Kindergartenkinder.
Dass die alten Rivalitäten, wenn auch sehr gemildert, noch immer nicht ganz überwunden sind, das zeigt die Tatsache, wie stolz die ganze Familie vom diesjährigen Ortsturnier und dem Sieg ihrer Lindelbacher Feuerwehr berichtet: „Da haben es unsere Jungs den Randersackerern aber mal gezeigt.“ Alle, die im Lindelbacher Trikot kickten, beteuern sie, „sind Ur-Lindelbacher, also hier geboren und aufgewachsen.“
Das sind weder der Bürgermeister noch sein zweiter Stellvertreter Oliver Liedtke. Beide aber wohnen im kleinen Ortsteil. „Das wäre früher unmöglich gewesen, dass gleich zwei Bürgermeister aus Lindelbach kommen“, sagt Michael Scheder (41), selbst ein „Neigschmeckter“ und obendrein katholisch, trotzdem aber nicht weniger überzeugt von der Heimat seiner Frau. Insofern habe sich schon viel getan, seien die beiden Orte und vor allem ihre Bewohner näher aneinander gerückt.
Eines aber wurmt ihn, nicht nur als Wirt: „Es gibt immer noch Randersackerer, die noch nie in Lindelbach waren“. Insofern hat er eine nicht ganz ernst gemeinte Vision: „Wenn Würzburg vielleicht mal Randersacker schluckt, dann werden wir wieder eine eigenständige Gemeinde. Denn um mit Randersacker räumlich zusammenzuwachsen, dafür sind wir zu weit voneinander entfernt“, flachst er. Dann könnten Bürgermeister und Gemeinderäte auch wieder - wie früher - die Sitzungen anschließend in der benachbarten „Linde“ fortsetzen.