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WÜRZBURG: Am Engel nagt der Zahn der Zeit

WÜRZBURG

Am Engel nagt der Zahn der Zeit

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    Ein Unbekannter bringt Ludwika in Veiveriai regelmäßig Blumen. FOTO Pat Christ
    Ein Unbekannter bringt Ludwika in Veiveriai regelmäßig Blumen. FOTO Pat Christ Foto: Pat Christ

    Ob es in Würzburg Rettung gibt? Voller Hoffnung reiste Napoleon Adam Swiatopelk-Mirski mit seiner dem Tode geweihten Frau Ludwika im Winter 1859 in die weit entfernte Stadt am Main, wo Friedrich Wilhelm von Scanzoni praktizierte. Der international renommierte Gynäkologe konnte der polnisch-litauischen Fürstin jedoch nicht helfen. Sie starb mit 33 Jahren an Krebs. Auf dem Hauptfriedhof erinnert ein Engel an sie. Der allerdings braucht nun selbst Hilfe. Denn er zerfällt zusehends.

    Unter welchen Umständen Ludwika genau starb und wie sehr ihr Tod Fürst Swiatopelk-Mirski traf, wissen wir nicht. „Wir kennen keine Briefe oder Tagebuchaufzeichnungen“, sagt Doris Jäger-Herleth. Seit zwei Jahren setzt sich die Würzburger Gästeführerin für den Friedhofsengel ein. Viel Zeit investierte sie in Recherchen. Was sie alles herausgefunden hat, darüber wird sie am 11. September um 18.30 Uhr im Wappensaal des Rathauses bei einer Veranstaltung des  Frankenbunds  berichten.

    Weitere Spenden benötigt

    Gleichzeit sammelt Jäger-Herleth in Kooperation mit der Friedhofsverwaltung Spenden zur Rettung des Engels. „Die Restaurierung kostet vermutlich 25 000 Euro“, so die Gästeführerin. Ein großer Teil ist inzwischen aufgebracht. Doch noch immer fehlen 10 000 Euro.

    Die Zeit drängt. Denn nach Einschätzung von Denkmalschutzexperten wird die Engelsfigur womöglich den nächsten Herbststurm nicht überstehen: „Deshalb wird sie im Oktober abgebaut.“ Im besten Fall ist dann die Spendensumme zusammen, so dass der Engel direkt zu einer Restaurierungsfirma gebracht werden kann. Klappt dies nicht, muss er zwischengelagert werden.

    Der gleiche Engel steht in Litauen

    Der Engel, der an Ludwika erinnert, ist in mehrfacher Hinsicht etwas Besonderes. Zum einen überragt die Figur mit ihren 3,50 Metern alle anderen Engelsplastiken auf dem Hauptfriedhof. Noch spektakulärer ist, dass sie eine ungeahnte Verbindung nach Litauen herstellt. „In Veiveriai, 16 Kilometer von Kaunas entfernt, steht auf dem Kirchplatz noch einmal derselbe Engel“, entdeckte Jäger-Herleth im Zuge ihrer Recherchen. Der kleine Ort gehörte zum Besitz von Ludwikas Vater Józef Godlewski. Der stiftete dort für seine Tochter die Kirche St. Ludwig. Hier liegt Ludwika an der Seite ihres 1861 in Berlin verstorbenen Mannes begraben.

    Auch von ihrer Machart sind die beiden Plastiken interessant. Fürst Swiatopelk-Mirski gab sie bei der Berliner Firma Geiß in Auftrag. Die war damals, modern ausgedrückt, ein weithin berühmtes Hightech-Unternehmen. Ende der 1820er Jahre entwickelte Moritz Geiß ein innovatives Verfahren, vollplastische Figuren aus Zinkguss herzustellen. Dazu verlötete er bis zu acht Millimeter starke Teilstücke.

    Genau diese Lötstellen allerdings werden dem Engel nun zum Verhängnis: Viele sind gerissen. Außerdem ist die „Plinthe“ genannte Platte zwischen Sockel und Plastik beschädigt. Die soll die Figur eigentlich vor Nässe schützen. Was sie nun nicht mehr kann.

    Viele Geheimnisse um die Engelsfigur

    Warum der Fürst in Würzburg unbedingt eine Gedenkstätte für Ludwika errichten wollte, ist nicht bekannt. Doris Jäger-Herleth fand bisher lediglich heraus, dass Ludwika mehrere Tage in der Aussegnungshalle des Hauptfriedhofs aufgebahrt war, bevor man sie in ihre Heimat überführt hat. Aus irgendwelchen Gründen wollte Swiatopelk-Mirski, dass man sich dort, wo seine Frau in so jungen Jahren tragisch verstarb, noch lange an die Fürstin erinnert.

    Viel Zeit investiert Doris Jäger-Herleth, um den Geheimnissen der Engelsfigur auf die Spur zu kommen. Sie recherchiert im Internet, war im Würzburger Stadtarchiv zugange und besuchte mehrere Archive in Litauen. Über das Berliner Stadtmuseum versuchte sie, Näheres über den Auftrag an die Firma Geiß herauszufinden. Quellen aufzustöbern, ist schwer. Doch immer wieder taucht ein kleines Puzzleteilchen auf, das etwas Licht ins geheimnisvolle Dunkel bringt.

    Erinnerung lebendig halten

    Ludwika, gibt Doris Jäger-Herleth schmunzelnd zu, lässt sie nicht mehr los. Ihr hat die Gästeführer auch Einblicke in ganz neue Welten zu verdanken. Ohne die Fürstin wäre sie womöglich niemals nach Litauen gekommen. Den dortigen Besuch 2015, bei dem sie Ludwika-Freunde aus Veiveriai kennen lernte, hat sie als berührendes Erlebnis in Erinnerung.

    Letztlich geht es der Gästeführerin auch darum, Friedhöfe in Zeiten des Urnenwandbooms als Orte der Erinnerungskultur ins Bewusstsein zu bringen. Tot sei ein Mensch erst wirklich, wenn sich niemand mehr an ihn erinnert, sagt Jäger-Herleth. In Ludwikas Fall will sie dies verhindern.

    Über folgendes Konto der Friedhofsverwaltung kann für die Restaurierung gespendet werden: Empfänger: Stadt Würzburg, IBAN:? DE92 7905 0000 0042 0000 67 BIC: BYLADEM1SWU, Verwendungszweck: 0.7500.1780 Engel

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