Um 13.05 Uhr ist es voll am Sanderring. Aus allen Richtungen strömen Kinder mit Schulranzen auf dem Rücken in Richtung der Bus- und Straßenbahnhaltestellen. Schüler warten in Grüppchen, albern herum, drängeln beim Einsteigen. Auch in den Bussen und Bahnen, die an der Haltestelle abfahren, ist viel los, nicht alle Fahrgäste bekommen einen Sitzplatz. Auf den ersten Blick scheint es nicht anders zu laufen, als vor der Corona-Pandemie. Abstand halten? Nicht immer möglich. Lediglich die Masken erinnern an das Virus. Sorgt das bei den Fahrgästen für Verunsicherung?
"Ich versuche schon, auch im Bus Abstand zu halten", sagt Anne Kaufmann, die am Sanderring auf die Buslinie 555 Richtung Ochsenfurt wartet. Angst sich in den öffentlichen Verkehrsmitteln anzustecken, habe sie aber keine, sagt die 52-Jährige. "Wenn nicht gerade die Schule aus ist, ist auch viel weniger los." Ähnliche Erfahrungen hat Patrick Fischer aus Höchberg gemacht: "Ich fahre fast jeden Tag an die Uni am Hubland und meistens sind die Busse leer", sagt der 22-jährige Student. Deshalb mache er sich auch keine Sorgen, sich im ÖPNV zu infizieren.
Deutlich weniger Fahrgäste als im Vorjahr
Auch die Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV) hätten nur vereinzelt Beschwerden von Fahrgästen erreicht, die sich in Bus und Bahn nicht genügend geschützt fühlen, teilt Pressesprecherin Cornelia Wagner mit. Hinweise von Fahrgästen, dass sie deshalb den öffentlichen Nahverkehr derzeit nicht nutzen, habe es nicht gegeben.
Das spiegeln auch die Fahrgastzahlen wider. "Hier gab es vor allem im Frühjahr während des ersten Lockdowns einen massiven Einbruch – teilweise nutzten bis zu 90 Prozent weniger Fahrgäste unsere Busse und Straßenbahnen", sagt Wagner. Seit Juli sei eine kontinuierliche Steigerung der Zahlen zu beobachten. Im Oktober lagen die Fahrgastzahlen auf den städtischen Straßenbahn- und Omnibuslinien nach Angaben der WVV allerdings immer noch etwa 35 Prozent unter den Werten des Vorjahres.
Geringes Ansteckungsrisiko im ÖPNV
Aus Sicht der WVV sind "Bedenken bezüglich einer höheren Ansteckungsgefahr im ÖPNV unbegründet". Wagner verweist dabei auf eine Studie des Robert Koch-Instituts, wonach im öffentlichen Nahverkehr das Infektionsrisiko für Kinder und Erwachsene gering sei. Das liege vor allem daran, dass die Türen im ÖPNV häufig geöffnet werden und die Fahrgäste sich dort in der Regel nur für einen kurzen Zeitraum aufhalten.

Das Gesundheitsamt Würzburg bleibt in seiner Einschätzung vage. "Die Höhe des Ansteckungsrisikos kann nicht genau beziffert werden", heißt es auf Anfrage der Redaktion. Allerdings seien bisher keine Fälle bekannt, in denen sich Personen in Stadt oder Landkreis im ÖPNV mit dem Coronavirus infiziert hätten.
Auf häufigere Reinigung oder Desinfektion in den Bussen und Straßenbahnen verzichtet der Konzern. Stattdessen setzt die WVV weiter auf die reguläre und tägliche Reinigung am Abend. Würde man auch im täglichen Betrieb desinfizieren, hätte dies nur nur für kurze Zeit einen Effekt, sagt Wagner. Um Infektionen zu vermeiden, sei es effektiver, wenn sich alle Fahrgäste an grundlegende Hygieneregeln, wie häufiges Händewaschen, halten.
Acht zusätzliche Busse im Einsatz
Bedenken gibt es trotzdem – vor allem von Seiten der Eltern, deren Kinder täglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Schule fahren. Denn trotz der allgemein geringeren Auslastung sind Busse und Bahnen zu den Stoßzeiten vor Schulbeginn und nach Unterrichtsende voll. Die WVV setzt deshalb seit drei Monaten "Verstärkerbusse" ein. "Mittlerweile führen wir bereits acht zusätzliche Fahrten durch, um die hohe Fahrgastauslastung während des Schülerverkehrs etwas entspannen zu können", informiert Wagner.
Auf mehr zusätzliche Busse könne die WVV im Moment nicht zurückgreifen, da besonders Linienbusse aktuell nicht zu bekommen seien. Wagner verweist stattdessen auf die Möglichkeit der Schulen, den Unterricht gestaffelt zu beginnen und die Situation so zu entspannen.
Gestaffelter Schulstart schwer umsetzbar
Eine Option, über die an vielen Schulen bereits diskutiert wird. "Wir haben das in der Schulleitung ausführlich besprochen", sagt Nikolaus Kocher, stellvertretender Schulleiter des Röntgen-Gymnasiums am Sanderring. Doch die Schule habe sich bewusst gegen gestaffelte Anfangszeiten entschieden. "Das würde zwar Kontakte reduzieren, aber gleichzeitig neue Probleme schaffen", gibt Kocher zu bedenken. Denn nicht alle Schüler könnten ohne Weiteres früher oder später zum Unterricht kommen. Etwa, weil die Buslinie vom Heimatort der Kinder zur Schule nicht regelmäßig genug fährt oder, weil Eltern dann Geschwisterkinder nicht mehr gleichzeitig zur Schule bringen könnten.
"Wir hätten dann Kinder im Schulhaus, die gerade keinen Unterricht haben, aber betreut werden müssen", sagt Kocher. Einfacher umsetzbar wäre aus seiner Sicht ein Wechselmodell, bei dem die Klassen geteilt und wochenweise digital oder in Präsenz unterrichtet werden.
Auch an der St.-Ursula-Schule in der Würzburger Altstadt ist das Problem bekannt. Die Schule habe deshalb das Unterrichtsende der verschiedenen Jahrgangsstufen auf unterschiedliche Zeiten gelegt, sagt Schulleiterin Schwester Katharina Merz. Fünfte und sechste Klassen verlassen das Gebäude deshalb in der Regel um 12.40 Uhr, ältere Schüler um 12.50 Uhr oder 12.55 Uhr. Einen gestaffelten Unterrichtsbeginn hält aber auch Merz für schwierig umsetzbar. "Wir haben im Moment kein Konzept, das Abhilfe schaffen könnte", sagt die Schulleiterin.