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WÜRZBURG: April 1919: Als Würzburger bewaffnet nach München zogen

WÜRZBURG

April 1919: Als Würzburger bewaffnet nach München zogen

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    Der Schock saß tief: Im kreuzbraven katholischen Würzburg hatte kurzfristig ein „revolutionärer Aktionsausschuss“ die Macht übernommen, den Belagerungszustand verhängt, Residenz und Bahnhof besetzt und die Presse unter Vorzensur gestellt (wir beichteten). In der Nacht zum 9. April waren sogar Geiseln verhaftet worden, darunter der spätere OB Hans Löffler und der örtliche SPD-Vorsitzenden Felix Freudenberger.

    Zur Befreiung der Stadt von der kommunistischen Herrschaft organisierten Sozialdemokraten, Gewerkschafter und bürgerliche Kräfte einen Generalstreik. Mit Maschinenbauschülern, Arbeitern und Studenten eroberten regierungstreue Truppen die Residenz und den Bahnhof zurück. Die „Säuberung“ anderer Städte, vor allem Münchens, gestaltete sich weitaus schwieriger. Die Münchner Revolutionäre schienen fest im Sattel zu sitzen, immer wieder floss in der Hauptstadt Blut. Die bayerische Regierung war, geführt von SPD-Ministerpräsident Johannes Hoffmann, nach Bamberg geflohen.

    Da Hoffmann nicht über genügend eigene, republikanisch gesinnte Kräfte verfügte, musste er Freikorps und Bürgerwehren ins Leben rufen, um München und andere noch unter Räteherrschaft stehende Städte zurückzuerobern.

    Der Erste Weltkrieg war erst seit fünf Monaten zu Ende, viele Soldaten hatten noch nicht zurück ins Zivilleben gefunden. Die meisten hassten die Kommunisten, die sich zu diesem Zeitpunkt noch Spartakisten nannten. Die Würzburger, die gerade ihre eigene Stadt zurückerobert hatten, waren bereit, dasselbe auch anderswo zu tun.

    Am 21. April 1919 wurde in einer Versammlung im Rathaus die Aufstellung eines Freikorps zur Niederschlagung der noch bestehenden übrigen spartakistischen Räteregimes beschlossen. Am nächsten Tag erschien in den Tageszeitungen ein Aufruf zum Beitritt („Würzburg gilt als Bayerns Schicksalsstadt. Würzburg hat am 9. April die Spartakus-Herrschaft gebrochen“), den unter anderem Felix Freudenberger unterzeichnet hatten.

    „Würzburg gilt als Bayerns Schicksalsstadt. Würzburg hat die Spartakus- Herrschaft gebrochen“

    Aufruf in den Würzburger Tageszeitungen

    Am 23. April fuhr der SPD-Politiker mit einem Militärkraftwagen durch die Dörfer der Umgebung und warb für den Beitritt.

    Zum Kampf gegen die in der Arbeiterschaft nicht sonderlich populären Räterepubliken riefen in Würzburg auch die Sozialdemokraten und die sozialistischen Gewerkschaften auf. Auch zahlreiche junge Männer aus jüdischen Familien schlossen sich dem Freiwilligenverband an.

    Als das 1700 Mann starke Würzburger Freikorps am 15. Mai in München einzog, war die blutige Rückeroberung der Stadt allerdings bereits abgeschlossen. Die Truppen vom Main beteiligten sich an der Durchsuchung der Stadtteile nach Waffen und der Bewachung städtischer Gebäude. Am 17. Juni kehrten sie nach Würzburg zurück.

    Gleichzeitig mit der Werbung zum Freikorps war zum Eintritt in die Bürger- bzw. Einwohnerwehr aufgerufen worden, die ein erneutes Aufflammen der Räteunruhen in Würzburg verhindern sollte. Zur Einwohnerwehr meldeten sich in Würzburg bis Anfang 1920 etwa 600 gewerkschaftlich organisierte Arbeiter, die jedoch in dem mehrere Tausend Mann starken Freiwilligenverband freilich eine deutliche Minderheit blieben.

    Die Geschichte der Freikorps lässt sich in zwei Phasen aufteilen. In der ersten existierte eine relativ breite politische Streuung. Als die Ruhe in Bayern wiederhergestellt war, verließen die Gemäßigten die Verbände und kehrten ins Zivilleben zurück. Die Zurückgebliebenen hatten häufig weitergehende Ziele. Ihnen passte die ganze Richtung in Bayern nicht, sie wollten keinen Sozialdemokraten als Ministerpräsident; viele lehnten die Demokratie grundsätzlich ab.

    Im Lauf der Zeit schlossen sich die Einwohnerwehren überregional zusammen und gerieten unter ihrem „Landeshauptmann“ Georg Escherich immer stärker in reaktionäres Fahrwasser. Escherich baute daneben eine mit den Einwohnerwehren nicht identische rechtsradikale Bürgerkriegstruppe, die „Organisation Escherich“ (OGESCH) auf. Die konservativ gewordenen Münchner Regierung, in der seit März 1920 die katholische Bayerische Volkspartei dominierte, stand hinter dem Landeshauptmann. Weder verbot sie die ORGESCH noch löste sie, wie es der Versailler Friedensvertrag vorschrieb, die Wehren auf und entwaffnete sie.

    „Ordnungskräfte“

    Erst als der Druck der ehemaligen Kriegsgegner Deutschlands immer stärker wurde, gab die Regierung im Juni 1921 nach. Sie tat es ungern, denn sie hatte die Bürgerwehren als „Ordnungskräfte“ gegen die Linke geschätzt. Als zusätzliches Unglück betrachtete es die Regierung, dass auch die Freikorps sich aufgelöst hatten oder in die Reichswehr integriert worden waren, über deren bayerisches Kontingent die Regierung nur beschränkte Gewalt hatte.

    Es traf sich also gut, dass die aktivistischen Mitglieder der Einwohnerwehren und Freikorps beisammenblieben, oft rechtsradikal orientierte „Wehrverbände“ gründeten und in diese unter der Hand auch große Teile der umfangreichen Waffenbestände ihrer alten Einheiten einbrachten. Diesen neu geschaffenen Verbänden wandte die Regierung nun ihre Sympathie und oft auch ihre Unterstützung zu, ebenso wie der NSDAP, die ebenfalls als „Ordnungsfaktor“ geschätzt wurde.

    Die konservative Regierung blieb bei dieser Haltung, bis einige der Verbände, gemeinsam mit der NSDAP, im November 1923 gegen sie putschten. Erst danach geriet die bayerische Politik für einige Jahre in ruhigeres Fahrwasser.

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