Nach dem Terroranschlag in Berlin könnte sich das gesellschaftliche Klima in Deutschland weiter verschärfen. Die Kirchen lässt diese Entwicklung nicht kalt. Im Interview warnt der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann davor, Verbrechen für Religionskonflikte zu instrumentalisieren.
Frage: Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin erschüttert das Land. Bischof Hofmann, wie haben Sie persönlich davon erfahren?
Bischof Friedhelm Hofmann: Abends schaue ich immer nochmals die Tagesnachrichten. Dabei erfuhr ich von den dramatischen Ereignissen in Berlin und war sehr erschüttert. Die Nachricht von Toten und Verletzten habe ich dann in mein Nachtgebet eingeschlossen.
Ist es auch ein Anschlag auf die christliche Tradition?
Hofmann: Mit einer Beurteilung bin ich derzeit zurückhaltend. Ein Weihnachtsmarkt gehört sicherlich zur Tradition, die sich im Umfeld der Feier des christlichen Weihnachtsfestes entwickelt hat. Heute mag er aber auch für Kommerz und Konsum stehen. Von daher halte ich mich mit einer Beurteilung zurück.
Fürchten Sie, dass viele Christen nun Angst haben, die Weihnachtsgottesdienste zu besuchen?
Hofmann: Ich hoffe, dass die Menschen gerade jetzt das Gebet und die Begegnung mit dem Gottessohn im Stall von Bethlehem suchen. Unsere Gotteshäuser stehen offen. Die Friedensbotschaft der Heiligen Nacht sollte heuer angesichts des Unfriedens auf der Welt alle Menschen guten Willens besonders ansprechen. Unsere Welt, unsere Gesellschaft braucht die Botschaft des Friedens!
Wird der Anschlag zum Thema Ihrer Weihnachtspredigt? Wenn ja, inwiefern?
Hofmann: Die Problematik der zahlreichen Attentate weltweit und der aktuellen Ereignisse von Berlin werden in meine Weihnachtspredigten einfließen. Das Gebet für die zahlreichen Opfer und deren Angehörigen sowie die Sorge um den Frieden in der Welt werde ich besonders in die Fürbitten bei den Weihnachtsgottesdiensten einbringen.
Gibt es zu Weihnachten besondere Sicherheitsmaßnahmen in den Kirchen?
Hofmann: Ich vertraue auf die bestehenden Sicherheitsmaßnahmen, etwa am Dom, die zu Weihnachten noch ergänzt werden.
Welche Auswirkungen befürchten Sie auf das Zusammenleben der Religionen im Bistum, in Deutschland?
Hofmann: Ich kann nur davor warnen, aus solch verbrecherischen Taten einen Konflikt der Religionen heraufzubeschwören. Gerade jetzt sind die Vertreter der Religionen gefordert, eng zusammen zu stehen und gemeinsam Zeugnis für eine friedvolle Welt zu geben.
Muss sich die Flüchtlingspolitik ändern?
Hofmann: Die Flüchtlingspolitik ändert sich nahezu täglich. Konstant bleibt die Hilfsbereitschaft so vieler Helferinnen und Helfer, die den Geflüchteten beistehen. Mir ist es wichtig, jeden Menschen vor dem Hintergrund des christlichen Menschenbilds zu begegnen: Jede und jeder ist Kind Gottes‘ und von Gott geliebt – auch und besonders die vielen Menschen, die weltweit ihre Heimat verlassen müssen und auf der Flucht sind.
Weitere Stimmen aus der Region Landtagspräsidentin Barbara Stamm: „Mir ist es unbegreiflich, wie Hass und Feindseligkeit einen Menschen zu einer solchen Grausamkeit veranlassen können. Der Anschlag in der Adventszeit nur wenige Tage vor Weihnachten trifft uns besonders ins Herz, weil die Ereignisse in eine Zeit fallen, die geprägt ist von Frieden, Besinnlichkeit und menschlicher Nähe. In mitfühlenden Gedanken sind wir bei den Familien und Freunden der Todesopfer. Zugleich hoffen wir auf eine baldige und vollständige Genesung der vielen Verletzten.“ Anschlag in Berlin: Reaktionen auf Facebook, Twitter & Co. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland: „Wir sind zutiefst erschüttert. Ausgerechnet in der Vorweihnachtszeit, in der sich unsere Gesellschaft auf Werte wie Nächstenliebe, Güte und Frieden besinnt, wurde unser Land durch diesen abscheulichen Angriff erneut ins Mark getroffen. (...) Unser Denken darf dennoch nicht von Terror und Angst vereinnahmt werden. Am 24. Dezember beginnen das Weihnachtsfest und das jüdische Lichterfest Chanukka. Mögen die Botschaften dieser beiden Feste uns Kraft spenden in diesen schweren Stunden.“ Edda Weise, evangelische Dekanin in Würzburg: „Voller Trauer und mit großer Erschütterung hören wir hier in Würzburg von dem Anschlag in Berlin. Ausgerechnet ein Weihnachtsmarkt, ausgerechnet neben der Gedächtniskirche, diesem wunderbaren, durch blaue Glasfenster geprägten Raum, in dem Christus segnend die Arme ausbreitet. (...) Wir sind in Gedanken bei den Opfern, die an diesem Montag im Advent ihr Leben verloren und bei den Verletzten, bei allen Familien, die voller Trauer, Schrecken und Angst um ihre Angehörigen sind. (...) In dieser Situation sollten wir nicht mutlos werden. Im Gegensatz zu todesverliebten Fanatikern und Extremisten verschiedenster Herkunft haben wir etwas, für das es sich einzutreten lohnt. Wir leben in Freiheit, wir achten einander und schätzen unser offenes Gemeinwesen, gerade auch hier in Würzburg. Wir treten für unsere Werte von Demokratie, Menschlichkeit, Achtung der Rechtsordnung und eine offenen Gesellschaft ein.“ Burkhard Hose, katholischer Studentenpfarrer in Würzburg (via Facebook): „Ehrliches Mitgefühl und wahre Mitmenschlichkeit verbinden Menschen untereinander über alle Grenzen hinweg und stellen sich mit der ganzen Aufmerksamkeit auf die Seite der Opfer. Hass und politisches Kalkül trennen Menschen und stellen sich mit der ganzen Aufmerksamkeit auf die Seite der Täter, die heroisiert oder dämonisiert werden. Aus ehrlichem Mitgefühl erwächst mehr Humanität, nicht weniger.“ Micz