„Brauchbar“ wurde 1997 vom Diakonischen Werk Würzburg und der Evangelisch-Lutherischen Gesamtkirchengemeinde Würzburg gegründet. Ein Jahr später eröffnete das erste Gebrauchtwarengeschäft, das Sozialkaufhaus in Grombühl. 2015 gaben die Würzburger bei der gemeinnützigen GmbH mehrere Hundert Tonnen an Sachspenden ab, vorwiegend Kleidung und Haushaltsartikel. Wir sprachen mit Geschäftsführer Hartfried Groksch und seinem Stellvertreter Thomas Johannes über die erhöhte Spendenbereitschaft in der Bevölkerung und positive Erfahrungen mit asylsuchenden Mitarbeitern.
Frage: Warum heißt Brauchbar Brauchbar?
Hartfried Groksch: Wir sind überzeugt, dass die Arbeitsleistung der vom Arbeitsmarkt ausgegrenz-ten Menschen noch sehr brauchbar ist. Das Gleiche gilt für die abgegebene Ware, die ohne uns womöglich in der Mülltonne landen würde, obwohl sie für unsere Kunden sehr brauchbar ist.
Wen unterstützen Sie?
Groksch: Wir unterstützen Arbeitslose, insbesondere Langzeitarbeitslose und einkommensschwache Haushalte.
Was macht Brauchbar konkret?
Thomas Johannes: Wir betreiben sieben Gebrauchtwarengeschäfte in Würzburg und Ochsenfurt. In unseren Geschäften gibt es Kleider, Möbel und alles, was man sich in einem Haushalt vorstellen kann.
Woher bekommen Sie Ihre Ware?
Johannes: Unsere Ware erhalten wir ausschließlich über Spenden und Wohnungsauflösungen.
Welche Angebote machen Sie Ratsuchenden?
Johannes: Für Menschen, die Fragen rund um das Thema Arbeitslosigkeit haben, unterhalten wir die Beratungsstelle WAT in der Burkarder Straße 14 in Würzburg. Hier bieten wir eine individuelle und unabhängige Arbeitslosenberatung zu sozialrechtlichen und psychosozialen Fragestellungen. Ergänzt wird die Beratung durch den auf Selbsthilfe ausgerichteten „Treff“ sowie verschiedene Freizeit- und Bildungsangebote für langzeitarbeitslose Menschen.
Wie viele Würzburger suchen pro Jahr Ihre Unterstützung?
Johannes: Im letzten Jahr haben rund 380 Personen unser Beratungsangebot in Anspruch genommen. Trotz der sinkenden Arbeitslosenquote ist ein Anstieg des Beratungsbedarfs zu erkennen.
Woran kann dieser Anstieg liegen?
Groksch: Wahrscheinlich daran, dass die sogenannten langzeitarbeitslosen Menschen nicht von dem stabilen Arbeitsmarkt profitieren. Trotz der Vollbeschäftigung geht die Zahl der Langzeitarbeitslosen nicht zurück. Deutschlandweit gibt es ungefähr eine Million Menschen, die dauerhaft vom Arbeitsmarkt ausgegrenzt sind.
Was wünschen Sie sich von der Gesellschaft?
Johannes: Das Anerkennen unserer Arbeit und der unserer Mitarbeiter sowie weniger Vorurteile gegenüber Arbeitslosen. Denn arbeitslos ist nicht gleich faul. Auch der Spruch „Wer arbeiten will, findet schon was“, stimmt nicht.
Erhalten Sie weniger Spenden, seit es die Flüchtlingswelle gibt?
Groksch: Im Gegenteil. Wir stellen fest, dass durch die vielen Hilfeaufrufe eine höhere Spendenbereitschaft in der Bevölkerung existiert. Hiervon profitieren auch wir und unsere Zielgruppen.
Bieten Sie auch Beschäftigungsmöglichkeiten für Flüchtlinge?
Johannes: Hier machen wir gerade erste Erfahrungen. Wir planen, in diesem Bereich zukünftig sinnvolle Arbeitsangebote zu schaffen. Zur Zeit können bei uns Flüchtlinge, die das Anerkennungsverfahren durch-laufen haben und im SGB II Bezug sind, mitarbeiten.
Können Sie uns dafür ein Beispiel nennen?
Johannes: Momentan ist bei uns ein Mitarbeiter aus Syrien beschäftigt, der erst im letzten Jahr nach Deutschland gekommen ist und parallel zu seinem Sprachkurs bei uns mitarbeitet. Durch den Kontakt zu Kunden und den Kollegen lernt er, die deutsche Sprache im Arbeitsleben anzuwenden. Er sieht die Beschäftigung bei uns als Chance, sich besser in die Gesellschaft zu integrieren.
Das macht Mut, oder?
Johannes: Wir sind sehr positiv überrascht. Seine Sprachbarriere hat sich leichter als gedacht überwinden lassen. Zudem hat er einen sehr guten Draht zu seinen Kollegen gefunden. Das trägt dazu bei, den Personenkreis der Langzeitarbeitslosen angemessen für die Flüchtlingsfragen zu sensibilisieren. Und es hilft, Berührungsängste abzubauen und freundschaftliche Kontakte mit Flüchtlingen zu fördern.
Woran fehlt es Brauchbar am meisten?
Groksch: Warenspenden sind für uns natürlich wichtig, um sowohl Beschäftigung als auch günstige Waren anzubieten. Noch wichtiger wäre es, dass es eine vernünftige und öffentliche geförderte Beschäftigung für den Personenkreis der Langzeitarbeitslosen gibt.
Was bedeutet das?
Groksch: Es gibt nun mal einen Personenkreis, der unabhängig von der aktuellen Arbeitsmarktlage nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt un-terkommen kann. Zwar signalisiert die Politik immer wieder, dass etwas gegen diese Problematik der Langzeitarbeitslosigkeit unternommen werden muss. Die Politik unternimmt aber nichts. Vielmehr wurden im Rahmen der letzten Instrumentenreform 2012 alle Maßnahmen in Richtung Qualifizierung und Integration auf den allgemeinen Ar-beitsmarkt ausgerichtet. Es scheint, als würden die Langzeitarbeitslosen vergessen.
Welche Projekte haben Sie für das aktuelle Jahr geplant?
Johannes: Wir haben im letzten Jahr angefangen, Straßensammlungen für Kleidung im Landkreis Würzburg durchzuführen. Diesen Bereich wollen wir weiter ausbauen und zusätzlich noch Sammelcontainer in der Stadt und im Landkreis Würzburg aufstellen. Hier sind wir auf der Suche nach weiteren Stellplätzen und dankbar für Angebote. Außerdem wollen wir unseren Wöllrieder Hof umbauen, damit wir das schöne Gelände an Wochenenden für Feiern und Veranstaltungen vermieten können.
Wie kann man Sie unterstützen und wo kann man seine Spende für Brauchbar abgeben?
Groksch: Durch Warenspenden. Aber auch Geldspenden sind insbesondere für die Finanzierung der Beratungsstelle sehr wichtig. Unterstützen kann man uns auch mit einem Einkauf in unseren Geschäften. Und Warenspenden können während der Öffnungszeiten in unseren Filialen abgegeben werden.
Die Öffnungszeiten des Sozialkaufhauses „Brauchbar“, Grombühlstraße 52 sind Montag bis Freitag 10 bis 18 Uhr und Samstag 10 bis 15 Uhr. Infos zu den weiteren Filialen und Angeboten unter www.brauchbarggmbh.de