Zunächst ist nur ein buntes Gewirr von Fahnen und Farben zu erkennen. Erst bei genauerem Hinsehen fallen der Gleichschritt und die schweren schwarzen Stiefel auf, mit denen über 100 Studenten der katholischen deutschen Studentenverbindungen in strenger Ordnung durch die Stadt marschieren. Im „Vollwichs“, wie die Uniform in der Sprache der Studenten heißt, einen Schläger, eine Art Prunksäbel, an der Seite. Was martialisch wirkt, ist jedoch eher harmlos. Der Säbel ist eine Symbolwaffe für die akademische Freiheit, nicht mehr, aber auch nicht weniger, erklärt der fränkische Kirchenhistoriker Professor Wolfgang Weiß das Treiben seiner Bundesbrüder: „Ihn einzusetzen, verbietet uns allein schon die katholische Morallehre.“
Knapp 30 000 Mitglieder
Mehr als 1000 Mitglieder aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben sich vier Tage lang in Würzburg versammelt, ihr 160. Gründungsjubiläum gefeiert und gleichzeitig die 130. Versammlung des Cartellverbandes abgehalten. Entstanden 1856 in der Zeit des Kulturkampfes gegen einen preußisch-protestantisch dominierten Zentralstaat ist der Cartellverband heute mit knapp 30 000 Mitgliedern der größte katholische Akademikerverband Europas.
Für Würzburg ist das Jubiläum eine Auszeichnung. Es ist jedoch auch eine Rückkehr an den Ort, an dem sich der Cartellverband 1935 selbst aufgelöst hat, um der Zwangsauflösung durch die Nationalsozialisten zuvorzukommen.
Bis heute achten die Verbindungsstudenten genau darauf, dass sie nicht in einen Topf mit den bereits früher unter deutschnationalen Vorzeichen gegründeten Burschenschafter oder Corps geworfen werden: Die Mitglieder des Cartellverbandes sind farbentragend, schlagen aber nicht.
„Wir brauchen uns nichts zu beweisen, wir beweisen uns im Leben“, erklärt Daniel Schubert von der Markomannia, einer von fünf Würzburger Cartellverbindungen. Mit seinen 31 Jahren sieht er noch viel zu jung aus, als dass er ein Alter Herr sein könnte und damit nach studentischem Brauchtum Verantwortung für die Aktiven übernimmt. Gemeinsam mit hunderten Vertretern unterschiedlichster Verbindungen folgt er dem Umzug, in lockerer Haltung, aber in feiner Garderobe: schwarzer Anzug und Krawatte, mit farbigem Band und Verbindungskappe. „Die katholischen Verbindungen sind als Anti-Programm zu den anderen gegründet worden“, sagt er.
Bei gut 25 Grad und nach drei Tagen Festprogramm ist der Umzug durch die Würzburger Innenstadt keine einfache Aufgabe. Bereits beim Festgottesdienst im Kiliansdom war manch einem Studenten anzumerken, dass das Rahmenprogramm seine Spuren hinterlassen und nicht immer nur aus Vorträgen, Diskussionen zur Flüchtlingspolitik oder dem Staatsempfang in der Würzburger Residenz mit Innenminister Joachim Herrmann bestanden hat.
Offenes Bekennen der Gesinnung
Einer, der genau weiß, was die Aktiven in diesem Moment in ihrer schweren Ausrüstung fühlen, ist Markus Lederer von der Würzburger Markomannia. Er hat erst vor kurzem sein Studium beendet: „Das Chargieren, das offene Bekennen unserer Gesinnung und unseres Glaubens, ist unser Stolz“, erklärt er. Und dennoch stehen Verbindungen immer wieder in der Kritik. Gerade bei Menschen, die sich ansonsten als tolerant bezeichnen, treffe man rasch auf Vorbehalte. Er selbst habe bisher keine Probleme gehabt, doch während seines Germanistik-Studiums habe er seine Zugehörigkeit nicht an die große Glocke gehängt. Anders sei das in der Theologie: Die katholischen Studentenverbindungen seien bis heute gut vernetzt.
Studentenverbindungen erinnern an Alumni-Vereine, mit einem guten Stück Folklore. Doch es geht um deutlich mehr: Der christliche Wertekanon habe die Gesellschaft aufgebaut, sagt Bischof Friedhelm Hofmann in seiner Predigt im Kiliansdom, die sich nun ihre „eigenen Grundlagen“ zu zerstören drohe. Umso wichtiger sei es, Farbe zu bekennen und die Würde eines jeden einzelnen Menschen als unantastbar anzuerkennen.