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Rimpar: Corona-Folge: Wie Handwerker mit der Rohstoffknappheit kämpfen

Rimpar

Corona-Folge: Wie Handwerker mit der Rohstoffknappheit kämpfen

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    Schreiner Stephan Ganz aus Rimpar: Die Holzknappheit und die damit verbundenen steigenden Preise bereiten auch seiner Firma Probleme.
    Schreiner Stephan Ganz aus Rimpar: Die Holzknappheit und die damit verbundenen steigenden Preise bereiten auch seiner Firma Probleme. Foto: Thomas Obermeier

    Nicht selten wurden sie als "Gewinner der Pandemie" dargestellt: Handwerksbetriebe. Doch Corona hat in der Branche nicht nur für volle Auftragsbücher gesorgt, sondern auch gravierende Probleme sichtbar gemacht. Neben dem bereits länger beklagten Fachkräftemangel stellt aktuell die Knappheit vieler Rohstoffe Handwerker vor große Herausforderungen. Wie geht man im Landkreis Würzburg mit der Situation um?

    "Ich sehe eine hohe Auslastung des Handwerks", sagt Ludwig Paul, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Würzburg. Vor allem die Bereiche Bau und Ausbau, die in Unterfranken die Hälfte aller Handwerksbetriebe ausmachten – darunter zum Beispiel Schreiner, Elektriker, Maurer und Bauunternehmen – seien ausgelastet, so Paul.

    Er führt die Situation zum einen auf den Fachkräftemangel in der Branche zurück, zum anderen auf die seit der Pandemie eingetretene Rohstoffknappheit. Wegen Corona hätten viele aus Vorsicht die Produktion gedrosselt und ihre Lager geleert. Nun, da die Wirtschaft wieder anlaufe, fehle Material und Lieferketten seien unterbrochen.

    Auch die Geschehnisse auf dem Weltmarkt wirken sich auf das Handwerk hierzulande aus: Insbesondere die Anfrage nach Holz sei hoch, und "China und Nordamerika sind mit hohen Aufkaufpreisen unterwegs", so Paul. Er sieht in der aktuellen Situation aber auch eine Chance: "Die Holzgewinnungsstrukturen könnten sich ändern – kleine Waldbaubetriebe, die heimische Hölzer bisher nicht geborgen haben, weil es sich nicht gelohnt hat, könnten wieder ins Geschäft einsteigen und mehr Holz auf den Markt bringen."

    Vorfälle wie die tagelange Blockade des Suezkanals durch ein Containerschiff zeigten die Anfälligkeiten im System, so Paul. "Das 'Just-In-Time-Prinzip' wird auf den Prüfstand gestellt – bislang war Ware innerhalb kurzer Zeit verfügbar, weshalb von vielen Firmen wenig oder keine Lagerhaltung betrieben wurde." Er geht davon aus, dass Betriebe aus der aktuellen Lage Konsequenzen ziehen: "Eine gezielte Planung ist wichtig, manche werden Kontakt zu mehreren Händlern suchen und engere Lieferbeziehungen aufbauen." Auch die Kunden spürten die Auswirkungen der Rohstoffknappheit: "Die Lieferfristen der Handwerker verlängern sich, Angebote sind nicht mehr so konkret – und die gestiegenen Preise werden zum Teil bleiben."

    Stephan Ganz, Schreiner aus Rimpar, hat volle Auftragsbücher: "Die Anfragen sind extrem angestiegen, ich habe sehr viel zu tun – mehr als vor Corona." Den Grund hierfür sieht er vor allem darin, dass aufgrund der Pandemie viele Menschen viel Zeit daheim verbringen: "Sich wohlfühlen im eigenen Zuhause hat gerade einen hohen Stellenwert." Dementsprechend fielen in seiner Firma die Aufträge aus: Oft beträfen sie den Innen- oder Dachbodenausbau oder seien Projekte, die der Kunde schon lange angehen wollte, wie etwa ein Einbauschrank.

    "Mein E-Mail-Postfach ist voll von Preiserhöhungen – das Ganze macht müde."

    Schreiner Stephan Ganz, Rimpar

    Auch Ganz verursacht die Materialknappheit Probleme: So seien Hölzer wie Kiefer, Lärche und Douglasie – alles Arten, die für den Hausbau und –umbau verwendet werden – extrem knapp. Dies führe dazu, dass die Preise steigen. OSB-Platten etwa seien inzwischen bis zu dreimal so teuer wie noch vor einem halben Jahr, so der Schreiner.

    Dazu komme eine längere Wartezeit. "Wir waren sehr verwöhnt – wenn wir vor Corona am Nachmittag Material bestellt haben, war es am nächsten Morgen schon da", sagt Ganz. Inzwischen müsse man im Schnitt vier bis sechs Wochen auf Ware warten. "Wann genau sie kommt und wieviel sie dann kostet, kann aber keiner sagen – das macht Planung und Kalkulation sehr schwierig."

    Fertighaus-Firmen stehen vor großen Problemen

    Ist ein Vertrag geschlossen, gebe es eine rechtliche Grenze, bis zu der nachträglich der Preis erhöht werden dürfe, erklärt Ganz – zum Beispiel, wenn das Material teurer werde. Daraus ergeben sich teils große Probleme. Der Schreiner berichtet von Fertighaus-Firmen, die ihren Kunden aktuell bis zu 20 000 Euro böten, wenn sie vom Vertrag zurücktreten: "Durch die gestiegenen Rohstoffpreise würde die Firma sonst schon allein mit einem Haus bis zu 100 000 Euro Verlust machen."

    Auch für Ganz sind die Preisschwankungen eine Belastung: Für das Erstellen eines Angebots an einen Kunden muss der Schreiner für jedes einzelne Teil des Auftrags den tagesaktuellen Preis herausfinden, eine Preisgarantie gibt es aber nur für ein bis zwei Tage. "Mein E-Mail-Postfach ist voll von Preiserhöhungen – das Ganze macht müde." Die Situation könne so nicht weitergehen, meint Ganz, die Regierung müsse zum einen eine Kostenbremse einlegen und zum anderen verhindern, dass ein Großteil des heimischen Holzes ins Ausland exportiert werde.

    "Ich bin seit 35 Jahren in meinem Job, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt."

    Claudia Frieß von Elektro Scheuermann, Reichenberg

    "Unsere Auftragsbücher sind voll, aber die Rohstoffknappheit macht vieles unmöglich", sagt auch Claudia Frieß, kaufmännische Leitung bei Elektro Scheuermann in Reichenberg. Seit Anfang des Jahres seien Kunststoffe, Kupfer und Metalle schwer oder nur überteuert zu bekommen. "Ein Großhändler hat zum Beispiel Kabel aus seinem Online-Shop genommen, weil einfach keine mehr da sind – dabei sind Kabel natürlich extrem wichtig für uns."

    Um bereits bestehende Verträge erfüllen zu können, müsse man Material auch dann kaufen, wenn es bis zu dreimal teuer sei als sonst, so Frieß. Ansonsten drohe der Firma bei Nicht-Erfüllung eines Vertrags eine Konventionalstrafe. Und: Für den 1. Juli hätten Hersteller erneut Preiserhöhungen angekündigt.

    Besonders belastend an der Situation sei, dass man nicht wisse, wo sie hinführe, so Frieß. "Ich bin seit 35 Jahren in meinem Job, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt." Sie ist sich sicher: "Die jetzige Situation wird Existenzen kosten." Viele Handwerksfirmen seien froh, wenn sie trotz voller Auftragsbücher ohne Verlust aus diesem Jahr heraus kämen.

    Wenn Cent-Artikel fehlen

    Aktuell kann die Reichenberger Firma, die im Gewerbegebiet Klingholz angesiedelt ist, teils noch auf Material zurückgreifen. "Wir haben ein großes Lager und wurden dafür oft belächelt", sagt Frieß. Dennoch fehlten nun Kleinteile, um etwas fertigzustellen. Ein häufig verwendetes Teil in der Elektroinstallation ist zum Beispiel der Sicherungsautomat, der sich in Verteilerkasten befindet. In ihm sind spezielle Chips eingebaut, die nun zeitweise nicht verfügbar sind: "Das sind Cent-Artikel, die in Deutschland schon lange nicht mehr produziert, sondern aus dem asiatischen Raum bezogen werden", erklärt Frieß.

    Für Leute, die gerade ein Haus bauen wollen, sei es zur Zeit zur schwer, sagt Frieß. In diesem Jahr würde ihre Firma diesbezüglich keine Termine mehr vergeben. "Welches Angebot kann ich  machen?", fragt sie. "Ich kann ja die Preise gar nicht einschätzen."

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