Es ist furchtbar, was am 28. Januar in einer Gartenlaube in Arnstein passiert ist. Sechs junge Menschen sind ums Leben gekommen. Gestorben an einer Vergiftung mit Kohlenmonoxid. Alle waren erst 18 und 19 Jahre alt.
Es ist auch furchtbar, dass unter den Getöteten zwei Kinder jenes Mannes sind, den die Erste Strafkammer des Landgerichts Würzburg jetzt wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren auf Bewährung verurteilt hat.
Das Einzige, was in diesem Fall nicht furchtbar ist, ist die Strafe für den 52-Jährigen. Sie ist, was eine Strafe im deutschen Recht sein soll: der Tat und der Schuld des Angeklagten angemessen. Strafrecht ist Reaktion auf Unrecht. Und Unrecht hat viele Nuancen.
Erwartungsgemäß wurden sofort Stimmen laut, die das Urteil für ungerecht und überzogen halten. „Der Mann ist durch den Verlust seiner Kinder doch gestraft genug“, hieß es, nachdem die Kammer ihre Entscheidung verkündet hatte. Dieses Argument war auch schon Anfang September zu hören, als die Staatsanwaltschaft Würzburg Anklage gegen den 52-Jährigen erhoben hatte.
Die Tragödie von Arnstein war kein tragischer Unfall
Wer so etwas sagt, vergisst, dass nicht nur dieser Mann Kinder verloren hat. Da sind auch noch vier andere Väter und vier Mütter, die um ihre Söhne trauern. Drei von ihnen, ein Vater und ein Elternpaar, hatten sich dem Prozess als Nebenkläger angeschlossen, weil sie wollen, dass der Tod ihrer Kinder nicht ungesühnt bleibt. Das ist ihr gutes Recht.
Die Tragödie von Arnstein war kein „tragischer Unfall“, wie viele sagen. Man kann sie nicht vergleichen mit dem Augenblicksversagen eines Autofahrers, der mal kurz im Handschuhfach nach Taschentüchern kramt und dadurch eine Karambolage verursacht. Sie war auch kein „Schicksalsschlag“, kein Unheil, das plötzlich vom Himmel fällt, wie eine schlimme Krankheit oder eine Naturkatastrophe, die Menschen einfach aus dem Leben katapultiert.
Was am 28. Januar in Arnstein passiert ist, wäre vermeidbar gewesen. Der Angeklagte hat einen Generator gekauft, in seiner Gartenhütte installiert und in Gang gesetzt, der ausdrücklich nur für den Betrieb im Freien ausgelegt ist. Dass er, so der Staatsanwalt, eine „lidschäftige Auspuffanlage“ für das Gerät konstruiert hat, durch das die giftigen Gase aus der Laube geleitet werden sollten, zeigt, dass er um die Gefahr wusste, die von der Maschine ausgeht.
Die Absichten des Vaters waren ausschließlich gut
Trotzdem ist der Mann, der da drei Prozesstage lang wie versteinert auf der Anklagebank saß, kein verantwortungsloser Mensch. Seine Absichten waren ausschließlich gut. Alles sollte schön sein, wenn die Tochter ihren 18. Geburtstag in der Gartenlaube feiert, ihr Start ins Erwachsenenleben sollte ein großes Ereignis werden. Deshalb hatte er ein Feuerwerk gekauft. Deshalb hatte er die zugefrorene Wasserleitung in der Hütte aufgetaut. Deshalb hatte er die Geburtstagstorte und das vorbereitete Essen dorthin gebracht. Deshalb hatte er den Ofen angeheizt. Sogar die Gäste hatte er eingesammelt und zu der Laube gefahren. Und als er daheim zu Bett ging, hatte er sein Telefon auf den Nachttisch gelegt, damit „die Kinder sich melden können, wenn sie was brauchen“. Es gibt bestimmt viele Töchter und Söhne, die sich einen solchen Vater wünschen.
Jetzt hat dieser Vater nach einem fairen Prozess ein faires Urteil bekommen. Es ist ihm zu wünschen, dass er nun, befreit von der Angst vor den Unwägbarkeiten einer Gerichtsverhandlung, eintauchen kann in die Trauer um seine Kinder und deren Freunde – und dass es ihm gelingt, seine Schuld zu verarbeiten. Auch für die Eltern der anderen getöteten jungen Leute ist die Gerichtsentscheidung eine Art Abschluss. Diejenigen, die den 52-Jährigen bestraft wissen wollten, haben ihre legitime Genugtuung. Und die, die sich ihm verbunden fühlen, können ihren Schmerz mit ihm teilen.