Einzigartige Einblicke gewährt der Dallenberg: Man schreitet durch den langen Flur im Konvent der Rita-Schwestern und schaut in ein rundes Dutzend früherer Klosterzellen. In all diesen Räumchen stellt der Maler Jacques Gassmann seine Bilder aus. Die meisten sind so riesig, dass nur zwei in einen solchen winzigen Ausstellungssaal passen. Trotzdem, wundersam: Der Besucher bekommt immer genug Abstand von den Gemälden, Zeichnungen, Tintenschüttungen.
Und er bekommt genug Abstand von der Schubladisierung, die da lautet, Gassmann sei ein Düster- und Kirchenmaler. Der 59-Jährige stellt in seinem neu gemieteten Atelier- und Depotbau Werke seit seiner expressionistischen Frühphase in den 1980ern aus, die noch nicht diesen Sog ins Kosmische hatten, für die der Wahl-Würzburger bekannt ist. Und: Auch wenn seine Werkstatt in einer Art Sakralbau steht, wirkt der Künstler keineswegs entrückt, sondern hat viel Diesseitiges zu sagen und erscheint einem überraschend schnell als lockerer Typ.

Das lässt sich alles erfahren, überprüfen oder widerlegen ab Freitagabend dieser Woche 19.30 Uhr (Einlass 18 Uhr), wenn die Ausstellung "Unverdeckt" eröffnet (Samstag und Sonntag je 11 bis 18 Uhr). Ein Korrektiv zu dem mainfränkischen Image Gassmanns liegt gleich in einer der ersten Ausstellungszellen auf einem Tisch: dicke Packen von braunem Kartonpapier, mit dem Künstler ihre Atelierfußböden abdecken. Statt das Zeug zu entsorgen, schneidet Jacques Gassmann es in mehr oder weniger unhandliche Formate und hebt sie auf, bis er sie übermalt und eigenständige Bilder draus hervorgehen.
Nachhaltigkeit, Gender und Klimawandel
Andernorts im modernen Klosterflachbau stapeln sich Gemälde auf Wellpappe. Er habe, versichert der Maler, noch nie einen Karton weggeworfen. Seine Partnerin Natalia Penar, die die Ausstellung zusammenstellte, hebt hervor, dass der Künstler nicht nur Nachhaltigkeit seit Jahrzehnten praktiziere, sondern auch aktuelle Themen wie Gender und Klimawandel.
Das letzte Stichwort hat neben seinem globalen Schwergewicht biografische Relevanz. Der Künstler wurde früh darauf gestoßen, nämlich als ihn bei einer Vernissage der Manager einer Rückversicherung fragte, ob er sich schon einmal mit dem Weltklima befasst habe. Diese Anregung mündete in Jacques Gassmanns Zyklus "Apokalypse", der in den 1990er Jahren durch Deutschland tourte. Eine ganz frühe Station war die Würzburger Michaelskirche. Bald folgten Aufträge für Kirchenausstattungen in der hiesigen Diözese. Dabei kam der allererste Impuls zu dieser Arbeitsrichtung von evangelischer Seite. Gassmann schuf seine 32 Großformate zur Offenbarung des Johannes mithilfe eines lutherisch-kirchlichen Stipendiums.
Die Tage des Ex-Klosters sind gezählt
Der Vermieter des Konventsbaus ist übrigens keine religiöse Institution, sondern ein Immobilienunternehmen, das das Ex-Kloster in zwei Jahren abreißen will. Bis dahin möchten die Endnutzer Penar und Gassmann das Haus zu einem Kulturzentrum machen. So nehmen sie regelmäßig an internationalen Festivals teil und haben jetzt genug Platz für Gegeneinladungen.
Nach den drei Tagen des offenen Ateliers am Mittleren Dallenberg 4 (Straba-Halte Steinbachtal) kann man die Interims-Galerie nach Absprache unter Tel.: (0160) 5534889 besuchen.