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Würzburg: Die AfD in den Medien: Würzburger Experte erklärt Strategien der Partei und wie Journalisten damit umgehen können

Würzburg

Die AfD in den Medien: Würzburger Experte erklärt Strategien der Partei und wie Journalisten damit umgehen können

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    Hält die Berichterstattung über die AfD für richtig und wichtig: Prof. Frank Schwab, Leiter des Lehrstuhls für Medienpsychologie an der Universität Würzburg. 
    Hält die Berichterstattung über die AfD für richtig und wichtig: Prof. Frank Schwab, Leiter des Lehrstuhls für Medienpsychologie an der Universität Würzburg.  Foto: Thomas Obermeier

    Regelmäßig wünschen sich Leserinnen und Leser unserer Medien, dass wir weniger über die AfD berichten. Dahinter steckt häufig der Glaube, die AfD würde an Bedeutung verlieren, wenn nicht mehr über sie berichtet würde. Prof. Frank Schwab, Leiter des Lehrstuhls für Medienpsychologie an der Universität Würzburg, erklärt, warum Berichterstattung wichtig ist. Und warum Journalismus die Erzählungen und Strategien der AfD immer wieder einordnen sollte - auch wenn es manchen so scheinen mag, als wäre das im Sinne der in Teilen rechtsextremen Partei

    Herr Schwab, regelmäßig melden sich Leserinnen und Leser in unserer Redaktion, weil sie der Meinung sind, wir würden der AfD zu viel Aufmerksamkeit schenken und sie dadurch stärken. Haben sie recht?

    Prof. Frank Schwab: Natürlich kann man sagen, dass ein Thema stärker auf die Agenda kommt, wenn es Medien aufgreifen. Aber was wäre die Alternative? Wenn ein Medium nicht berichtet, wird es schnell in die Ecke "Systemmedien" gestellt. Sie müssen also in angemessener Häufigkeit über die AfD berichten, sonst gelten Sie als unglaubwürdig. 

    Zuletzt hat die AfD den Begriff "Remigration" platziert und sofort war er überall, auch in unseren Medien, zu lesen. Wird der Begriff auf diese Weise gesellschaftsfähig? 

    Schwab: Remigration ist ursprünglich einfach ein wissenschaftlicher Fachterminus. Die AfD hat den Begriff für ihre Zwecke gekapert und emotional aufgeladen. Die AfD meint mit Remigration eher Deportation. Dieses Kapern von Begriffen ist eine politische Strategie. In diesem Fall versuchen die anderen Parteien jetzt, das wieder zurechtzurücken. So entsteht ein Konflikt, der Nachrichtenwert bekommt. Darüber wird berichtet und der Begriff wird in der Agenda nach oben spült.

    Das ist eine Zwickmühle für Medien: Wenn sie berichten, helfen sie der AfD beim Agenda-Setting. Nicht zu berichten ist aber keine Option, weil man eine wesentliche Diskussion verschweigen würde.

    Schwab: Die Diskussion käme dann irgendwo im Internet hoch. Spätestens, wenn sie dort eine gewisse Schwelle erreicht, müssen auch Qualitätsmedien das reflektieren.

    Gibt es aus medienpsychologischer Sicht eine Grenze, ab der die Berichterstattung der AfD eher hilft, als dass sie in der Öffentlichkeit zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Partei führt?

    Schwab: Eine Grenze zu benennen, ist schwierig. Aber prinzipiell ist die Gefahr weniger, dass Medien zu viel berichtet. Es geht eher um die Frage, wie berichtet wird. Eine differenzierte und hintergründige Berichterstattung kann gelingen, die Debatte kann auch gut ausgehen. Das sieht man jetzt an den Protesten gegen Rechtsextremismus: Die zunehmende Diskussion über die AfD sensibilisiert die Leute. Die schweigende Mehrheit wird plötzlich laut und vernehmbar, und das ist gut. Es schüchtert die AfD nach meinem Eindruck auch ein. Die Berichterstattung spielte bei dieser Entwicklung natürlich eine Rolle.

    Ein Leser schrieb uns konkret zur  Berichterstattung über den AfD-Landtagsabgeordneten Daniel Halemba: "Ekelhaft, welche Aufmerksamkeit diese Person bekommt. Das Beste wäre, wenn dieses Bürschlein in der medialen und politischen Bedeutungslosigkeit verschwinden würde." 

    Schwab: Mediale Bedeutungslosigkeit würde tatsächlich zur politischen Bedeutungslosigkeit führen. Wer nicht in den Medien ist, findet nicht statt. Aber es gibt heute so viele Medien, dass du eben nicht mehr in den Qualitätsmedien auftauchen musst, um stattzufinden. Wenn Ihre Redaktion oder andere Qualitätsmedien nicht berichten würden, überließen sie die Debatte den Sozialen Medien. Es ist der Job von Journalisten, den Erzählungen der AfD, die vor allem auf sozialen Medien verbreitet werden, etwas entgegenzuhalten. Übrigens wissen wir aus der Jim-Studie 2023, einer Langzeitstudie zum Medienumgang der 12- bis 19-Jährigen, dass auch junge Menschen zu Qualitätsmedien wechseln, sobald es inhaltlich um die Wurst geht.    

    "Wer nicht in den Medien ist, findet nicht statt."

    Prof. Frank Schwab, Medienpsychologe an der Uni Würzburg

    Ist es den Menschen nicht zunehmend egal, von wem eine Nachricht kommt?

    Schwab: Nein, aber es gibt den sogenannten Sleeper-Effekt: Wenn man einen Text liest, in der die Quelle als unseriös benannt ist, dann hat die Nachricht in den ersten vier, fünf Wochen den Stempel "Vorsicht, nicht glaubwürdig". Aber nach sechs bis acht Wochen verschwimmt die Erinnerung an die Quelle und der möglicherweise falsche Inhalt kann verzögert doch wirken. Das ist gruselig.

    Der Satz "Die Grenzen des Sagbaren verschieben sich immer weiter" ist seit Jahren als Vorwurf mit der AfD verbunden. Können Sie den Mechanismus dahinter erklären?

    Schwab: Es gibt da ein schönes Experiment. Der amerikanische Sozialpsychologe Solomon Asch hat Anfang der 50er Jahre mehreren Leuten drei unterschiedlich lange Striche gezeigt. Bis auf die wirkliche Testperson waren die anderen instruiert, teilweise die Unwahrheit zu sagen. Die haben dann behauptet, der eine Strich ist kürzer als der andere, obwohl das ganz offensichtlich nicht stimmte. Das Experiment wurde mehrfach wiederholt. Teilweise stimmten bis zu 60 Prozent der Testpersonen dann der Mehrheitsmeinung zu, um mit ihrer Meinung nicht alleine zu sein. Und das, obwohl sie eindeutig gesehen haben, dass die Mehrheit falsch lag. Menschen reden nicht gerne über Dinge, wenn sie denken, das wird von der Mehrheit nicht gerne gehört. Das ist das klassische "Das sagt man nicht, das ist daneben". Wenn man es nun schafft, Begriffe oder Erzählungen salonfähig zu machen, obwohl sie falsch oder gefährlich sind, dann verschieben sich Grenzen.

    "Medien müssen in angemessener Häufigkeit über die AfD berichten, sonst gelten Sie als unglaubwürdig", sagt der Würzburger Medienpsychologe Prof. Frank Schwab.
    "Medien müssen in angemessener Häufigkeit über die AfD berichten, sonst gelten Sie als unglaubwürdig", sagt der Würzburger Medienpsychologe Prof. Frank Schwab. Foto: Thomas Obermeier

    Wie gelingt das der AfD?

    Schwab: Vor etwa zehn Jahren gab es die große Angst, dass sich die Menschen in ganz engen Filterblasen bewegen und nur das mitbekommen, was ihnen dort begegnet. Studien zeigen, dass es diese Effekte gibt, sie sind aber kleiner als gemeinhin angenommen.  Wenn es allerdings eine Gruppe ist, die sich radikalisiert hat, dann beginnt eine aktive Abschottung gegen andere Meinungen und Nachrichten. Dann werden gezielt Strategien entwickelt, um sich einzumauern.

    Hat die AfD diese Strategie?

    Schwab: Ich denke, anfangs gab es das nicht, aber es hat zugenommen. Deshalb sind auch viele Menschen bei der AfD ausgestiegen. Ich habe keine Daten dazu, meine Hypothese wäre aber, dass es diese Abschottung zumindest in Untergruppen der AfD gibt. Der Großteil der AfD-Wähler nimmt viele Dinge nicht oder verzerrt wahr, weil sie nicht in ihr Weltbild passen. Das machen wir alle zu einem gewissen Teil, hoffentlich aber weniger extrem. 

    Ein Muster der AfD ist es, mit scheinbar einfachen Antworten auf hochkomplexe Fragen aufzutreten. Anders gesagt: Die AfD-Kernbotschaft "Ausländer raus" ist griffiger als eine Analyse des Aufenthaltsrechts, die aber notwendig wäre, um das Thema zu beurteilen. Haben Sie eine Idee, wie man Menschen Lust macht auf eine tiefere inhaltliche Auseinandersetzung?

    Schwab: Es gab früher den Blick, dass Radio, Fernsehen und Zeitungen auch eine Art Bildungseinrichtung seien. Die Menschen lesen, lernen und verstehen alle Berichte und können dann eine vernünftige Wahlentscheidung treffen. Aber es ist längst nachgewiesen, dass das nicht stimmt. Die Leute merken sich wenig und lassen sich kaum tief ein. Die Fähigkeit, Nachrichten zu verstehen, ist erschreckend gering. Menschen suchen das, was für sie ganz persönlich von Bedeutung ist, deshalb ist Wetter zum Beispiel so relevant. Eine tiefergehende Auseinandersetzung mit Nachrichten funktioniert meist nur über persönliche Betroffenheit.

    "Auch die Sprache ist ein Hebel: Journalismus muss vor allem verständlich sein."

    Medienpsychologe Prof. Frank Schwab

    Also die Frage "Was bedeutet das für mich?"

    Schwab: Genau. Beeinflusst die Nachricht meinen Lebensweg? Man ist da sofort auch bei den Emotionen der Menschen, aber da sollten Medien natürlich auch nicht übertreiben. Wenn man Nachrichten überemotionalisiert, wird die Auseinandersetzung mit den Inhalten wieder oberflächlicher. Auch die Sprache ist ein Hebel: Journalismus muss vor allem verständlich sein. Konstruktiver Journalismus fördert die Bereitschaft zur tieferen Auseinandersetzung ebenfalls, vermute ich. Wenn es viele schlechte Nachrichten gibt, sind Menschen dankbar für Lösungsansätze. Wenn es Medienschaffenden gelingt, damit das berichtete Elend etwas zu entschärfen, ist das ein hoffnungsvoller Ausblick im Sinne der Leserinnen und Leser.

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