Über die Hälfte der Deutschen, genauer: 57 Prozent, haben laut ARD-Deutschlandtrend Angst, wegen der steigenden Kosten Rechnungen nicht mehr bezahlen zu können. Die Menschen werden unruhig angesichts immer neuer Hiobsbotschaften. Diese Entwicklung ist auch im Würzburger Sozialreferat zu spüren. Im Interview erklärt Sozialreferentin Hülya Düber, welche Hilfen jetzt wem zugute kommen könnten.
Frage: Frau Düber, aktuell haben viele Menschen Angst, dass sie sich das Leben bald nicht mehr leisten können. Gerade Menschen mit geringem oder gar keinem Einkommen blicken mit Sorge in die Zukunft, insbesondere aufgrund der immer weiter steigenden Heizkosten. Kommen diese Sorgen bei Ihnen im Sozialreferat an?
Hülya Düber: Definitiv. Egal, ob jemand vielleicht aus einem ganz anderen Grund mit uns in Kontakt steht, irgendwann kommt immer die Frage: Was ist mit den Heizkosten? Die Menschen haben Angst vor der nächsten Abrechnung. Gerade die, die bislang mit ihrem Einkommen eigentlich – wenn auch knapp – über die Runden gekommen sind. Von den Quartiersmanagerinnen und -managern, den Beratungsstellen und den Familienstützpunkten bekommen wir die Rückmeldung, dass die Nachfragen zu Unterstützungsangeboten mittlerweile vermehrt auch von Familien mit ganz "normalen" Budgets kommen.
Ab 1. Januar 2023 soll das neue "Wohngeld plus" kommen, dann anders als bislang auch mit einer Heizkostenkomponente. Gerade Menschen, bei denen das Einkommen bislang gerade so gereicht hat, wären dann eventuell berechtigt, einen Zuschuss zu bekommen.
Düber: Ja, bei uns stapeln sich mittlerweile die Anträge. Das Problem ist nur, dass es gerade leider noch nichts bringt, diese zu stellen. Erst ab Inkrafttreten des neuen Gesetzes können diese gestellt werden, das heißt voraussichtlich ab Januar 2023.
Was passiert mit den Anträgen, die jetzt schon gestellt wurden?
Düber: Wohngeld wird ab dem Monat der Antragsstellung bewilligt. Grund hierfür ist die Prüfung der Leistungsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der Beantragung. Eine Antragstellung im Laufe des Monats Januar 2023 führt bei Bewilligung rückwirkend zu Leistungen ab dem Monatsbeginn. Wenn der Antrag vor dem 1. Januar 2023 gestellt wird, wird der Antrag nach bisherigem Wohngeldrecht entschieden, was aber mit Blick auf die Einmalzahlung im Dezember ja auch gerade so gewollt sein kann. Eine anderweitige (gesetzliche) Lösung ist nicht geplant. Wir weisen deshalb bei Beratungsanfragen bereits heute darauf hin und werden zeitnah in unserem Internetauftritt die wichtigsten Fragen beantworten.
Und mit wie viel Geld können die Menschen rechnen, die dann einen Anspruch haben?
Düber: Genau sagen lässt sich das nicht, weil dem Ganzen eine sehr komplizierte und individuelle Berechnung zugrunde liegt. Die Bundesregierung spricht aber von mehr als einer Verdoppelung, was im Bundes-Durchschnitt dann etwa 370 Euro im Monat wären.
Und was passiert, wenn jemand gerade eben noch keine Leistungen bekommt, aber schon jetzt seine Rechnungen nicht mehr zahlen kann?
Düber: Diesen Menschen bieten wir an, dass wir jetzt schon prüfen, ob sie bereits unter den aktuellen Regelungen einen Anspruch auf eine Hilfeleistung haben. Dabei können wir uns aktuell nur daran halten, was die Rechtslage im Moment auch hergibt. Es kommt aber immer wieder vor, dass Menschen gar nicht wissen, dass sie tatsächlich einen Anspruch hätten. Deswegen ist unser Apell immer: Kommen Sie zu uns, dann können wir prüfen, welche Möglichkeiten es gibt!

Wie ist es in den Fällen geregelt, in denen schon Wohngeld oder Grundsicherung, also Hartz IV oder Geld nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, gezahlt wird?
Düber: Wichtig ist vorweg: Wohngeld ist nicht gleich Grundsicherung. Wohngeldempfänger bekommen bislang keinen Heizkostenzuschuss gezahlt, aufgrund der Energiekrise gab es aber im Sommer bereits eine Einmalzahlung. Eine weitere wird im Dezember kommen. Diese Zahlungen sind für die gestiegenen Heizkosten gedacht.
Und bei den Menschen, die Hartz IV bekommen oder Hilfen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz?
Düber: Hier werden die Kosten für Miete und Heizung grundsätzlich bis zu einer gewissen Angemessenheitsgrenze übernommen. Diese Grenze wird auf kommunaler Ebene immer für zwei Jahre festgelegt, hier in Würzburg wird das jetzt im November wieder passieren. Aktuell ist es sogar so, dass für Leistungsempfänger die Kosten in ganzer Höhe, also auch über dieser Grenze, übernommen werden. Der Grund dafür ist aber nicht die aktuelle Energiekrise, sondern eine Maßnahme aus einem Entlastungspaket aufgrund der Pandemie aus dem Jahr 2021, das noch bis Ende des Jahres läuft.
Was gilt dann ab 2023?
Düber: Die Angemessenheitsgrenzen wird es weiterhin geben und sie werden weiterhin auf kommunaler und städtischer Ebene ermittelt. Da aber ab 2023 das sogenannten Bürgergeld das bisherige Hartz IV ablösen wird, bleibt abzuwarten, wie es dann gehandhabt wird. Aktuell ist vorgesehen, dass es gewisse Karenzzeiten gibt, in denen die Kosten weiter in voller Höhe übernommen werden. Genaueres wissen wir hier erst, wenn das Gesetz beschlossen ist.
Und wenn all das nicht reicht, jemand irgendwie durchs Raster rutscht: Gibt es zusätzliche Hilfen seitens der Stadt Würzburg?
Düber: Wir haben schon seit einigen Jahren die beiden Nothilfefonds, einmal für Senioren und einmal für Familien und Kinder. Wir werden uns in den Haushaltsberatungen dafür stark machen, dass diese beibehalten werden. Diese Fonds sind aber tendenziell eher nicht dazu da, Heizkostenabrechnungen zu begleichen, sondern vielmehr für Einmalausgaben gedacht, die Familien oder Senioren haben, die finanziell am Limit leben und keine anderweitigen Hilfen in Anspruch nehmen können. Beispielsweise wenn das Geld nicht für die Brille oder die Sportklamotten für die Kinder reicht. Wichtig ist für uns vor allem, dass wir von den Fällen, in denen es knapp wird, überhaupt etwas mitbekommen.

Wie stellen Sie das sicher?
Düber: Wir versuchen uns möglichst breit aufzustellen. Wir informieren unsere Mitarbeitenden in den Familienstützpunkten und im Quartiersmanagement. Wir sind im Austausch mit dem Jobcenter und der Schuldnerberatung. Außerdem arbeiten wir eng mit der WVV zusammen, damit Menschen, die dort vielleicht ihre Rechnung nicht zahlen können, direkt an uns weitergeleitet werden können.
Aktuell bekommen von den rund 80.000 Haushalten in Würzburg rund 1650 Haushalte Wohngeld. Bundesweit rechnet man mit etwas mehr als einer Verdreifachung der Leistungsempfänger. Hier in der Stadt wären das über 5000 Haushalte, rund 6,5 Prozent der Haushalte. Kann das Sozialreferat das stemmen?
Düber: Ich rechne damit, dass es bei den gestellten Anträgen sogar eher eine Vervierfachung oder eine Verfünffachung geben wird, da aufgrund der Komplexität des Gesetzes davon auszugehen ist, dass Antragstellungen erfolgen, die nicht berechtigt sind und wiederum auf die Unsicherheit der Bürgerinnen und Bürger zurückzuführen sind. Wir brauchen dauerhaft drei Mal so viele Mitarbeiter für den Wohngeldbereich plus und jetzt zu Beginn jede helfende Hand, die wir bekommen können, um die Anträge bei Einführung des neuen Wohngeldes zum Jahreswechsel abzuarbeiten. Uns fehlen aktuell beispielsweise auch noch Räume, Scanner und Telefonanschlüsse. Das wird eine Riesenaufgabe, aber wir werden mit aller Kraft versuchen, diese zu stemmen.