"Er ist klein, aber echt mutig." Bernd Schraut erzählt, wie sich Feldhamster auf die Hinterbeine stellen, um Angreifer anzufauchen, die deutlich größer sind. Der Bergtheimer Bauer berichtet, dass sie sich von Mäusen aus ihren Bauten vertreiben lassen und sich zwischen Zuckerrüben wohl fühlen. Schraut weiß viel über Hamster, er mag sie. Das war nicht immer so.
"Früher bekam man für einen toten Hamster eine Mark", erzählt der 52-Jährige. Viele Kinder hätten sich so das Geld für ein Fahrrad verdient. Weil die Nager sich die Backen voll Körner stopften und Äcker unterhöhlten, galt das massenhaft vorkommende Tier bis in die 70er Jahre als Schädling.

Heute ist der Hamster in ganz Europa vom Aussterben bedroht. In Unterfranken gibt es zwischen dem südlichen Würzburger und dem nördlichen Schweinfurter Landkreis eine der letzten Populationen Deutschlands - die ebenfalls abnimmt. Was nicht die Schuld hamsterkillender Bauernkinder ist: Wie vielen anderen Tier- und Pflanzenarten fehlt es dem Feldhamster an Lebensraum und Nahrung.
"Wenn wir so weiter machen, wird die Art verschwinden", sagt die Grünen Landtagsabgeordnete Kerstin Celina. Tatsächlich ergab die Zählung im Rahmen des unterfränkischen Feldhamsterhilfsprogramms von 2017 bis 2019 einen Rückgang von 738 auf 517 registrierte Bauten.
Der Hamster hat kein Bauprojekt in Unterfranken verhindert
Die Abnahme führt Celina auf die stetige Beschneidung des Lebensraums durch neue Straßen und Bauprojekte zurück. Auf eine Anfrage haben die Grünen Landtagsabgeordneten Celina (Würzburg-Land), Patrick Friedl (Würzburg-Stadt) und Paul Knobloch (Schweinfurt-Land) vom Bayerischen Umweltministerium jüngst die Auskunft bekommen, dass in den vergangenen fünf Jahren im rund 64 000 Hektar großen unterfränkischen Verbreitungsgebiet kein einziges Bauprojekt verhindert wurde, um Hamster zu schützen.
Stattdessen wurde zum Beispiel bei den jüngsten Sanierungen entlang der A7 mitten in ihre Verbreitungsgebiete - mit Ausgleichsmaßnahmen - gebaut. Auch die geplanten Ortsumgehungen bei Giebelstadt und Rimpar oder die geplanten Baugebiete im Norden von Würzburg werden Hamster vertreiben.
"Wenn der Lebensraum so verkleinert und zerstückelt wird, dass Genpools isoliert werden, kann die Art dauerhaft nicht überleben", sagt Biologe und Regionalreferent Steffen Jodl vom Bund Naturschutz. Denn in den isolierten Teilpopulationen nehme zum Beispiel die Widerstandskraft gegen Krankheiten ab. Außerdem sind die Bestände zu klein, um sich gegen negative Veränderungen behaupten zu können. "Mindestens 7000 Hektar des Verbreitungsgebiets müssten dauerhaft geschützt und vernetzt werden, um den Erhalt zu sichern", sagt Jodl.

Eine negative Veränderung ist der Klimawandel. Hitze und Trockenheit führen zu frühen Ernten, deshalb fehlen dem Hamster Deckung und Futter. Außerdem ernten hocheffiziente Mähdrescher heute zwei Hektar pro Stunde und verlieren dabei kaum noch ein Körnchen - das der Hamster für seinen Wintervorrat bräuchte. Das könnten weitere Gründe für den dramatischen Rückgang sein.
Claudia Kriegebaum von der Bayerischen Kulturlandstiftung betont, dass es heuer aber wieder etwas besser geworden ist. Laut der Biologin, die das Feldhamsterhilfsprogramm im Landkreis Schweinfurt betreut, ist das Landwirten wie Schraut zu verdanken, die auf Feldstreifen ihr Getreide bis Oktober stehen lassen. 25 Cent pro Quadratmeter bekommt Schraut dafür aus dem Hilfsprogramm.
Denn mit seinen zehn Streifen hat Schraut auch Aufwand. Von Hamstern aufgeworfene Erdhaufen stören die maschinelle Bearbeitung und aus den Streifen wehen Unkrautsamen in die Nachbarfelder.
Was dem Bauern besonders weh tut
"Die Körner eignen sich höchstens noch für die Biogasanlage oder als Tierfutter." Schraut steht mit Ähren in der Hand auf einem Feldstreifen bei Opferbaum. Er wird ihn heuer gar nicht ernten. Und man merkt, dass das den Landwirt schon schmerzt - trotz der 25 Cent "Schmerzensgeld".
Seit Jahrtausenden bearbeiten Bauern ihren Boden, um Menschen zu ernähren. Dass sie jetzt Felder pflegen, damit dort Hamster - und ebenso Mäuse und Unkraut gedeihen - ist eine radikale Kehrtwende. "Meine Mutter schlägt bei diesem Thema noch heute die Hände über den Kopf zusammen", sagt Schraut, der seit über zehn Jahren Feldhamster schützt.
Dass Landwirte nicht gerne die Früchte ihrer Arbeit "verschwenden", hat auch Claudia Kriegebaum gelernt. "Doch wenn sie erstmal im Programm dabei sind, entsteht oft eine andere Motivation." Dann würden die Bauern es nämlich als Erfolg sehen, wenn sich die Hamster auf ihren Streifen vermehren. Sie glaubt, dass das Programm weiter wachsen wird.
Weg von Monokultur und Flächenfraß
"Als Landwirt lebe ich ja von der Natur", erklärt Schraut. Deshalb sei es für ihn selbstverständlich, dass auch die Natur überleben muss. "Und wenn der Hamster hier ausstirbt, dann sieht es auch für andere Arten schlecht aus." Der niedliche Hamster sei ein Symbol für andere Tierarten, die ebenfalls kaum noch Platz zum Leben haben. Der Bauer wehrt sich allerdings dagegen, alleine seinem Berufsstand das Problem anzulasten. Wenn man von den Landwirten Natur- und Umweltschutz fordere, müsse die Politik die Voraussetzungen dafür schaffen.
Von 2017 bis 2019 hat sich die Zahl der Landwirte im Programm von 41 auf 81 verdoppelt und die Streifenfläche auf 102 Hektar fast verdreifacht. Doch bislang haben sich die Hamster leider nicht entsprechend vermehrt. Für die Landtagsabgeordneten der Grünen ist das ein alarmierendes Signal. Sie fordern länger laufende und mehr Förderinstrumente für den Hamsterschutz. Landtagsabgeordnete Celina: "Damit der Hamster eine Chance hat, brauchen wir eine andere Art von Landwirtschaft, und wir müssen weitere Flächenversiegelung stoppen."