Mit Allerheiligen beginnt an diesem Donnerstag, 1. November, die Zeit der Gedenktage auf den Friedhöfen. In Würzburg erinnern einige Stellen an Opfer des Ersten Weltkriegs. Mit diesem Thema beschäftigt sich auch eine Veranstaltung des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge am Mittwoch, 31. Oktober.
Wenn nicht ein kleines Lichtchen rot flackern würde, könnte man den rechteckigen Stein, eingelassen in eine große Wiese, leicht übersehen: "Ein unbekannter Soldat" steht darauf. Es ist nicht der einzige mit dieser Inschrift auf dem Ehrenfriedhof am Rand des Hauptfriedhofs, direkt an der Mauer, die ihn von der Siligmüllerstraße trennt, aber der einzige mit einem Grablicht.
Aus dem "Heldenfriedhof" wurde der Ehrenfriedhof
Ein Tor in der Wand, gegenüber dem Haus Nummer sechs, bietet einen direkten Zugang, wenn man nicht, vom Haupteingang kommend, lieber erst das ganze umfangreiche Gräberfeld des Hauptfriedhofs durchschreiten will.

"Heldenfriedhof" hieß die Begräbnisstätte einst, weil sie zu Beginn des Ersten Weltkriegs für jene Männer angelegt wurde, die fern der Heimat den "Heldentod für Vaterland", wie man damals verbrämend sagte, gestorben waren. Auf dem 2700 Quadratmeter großen Rasenfeld, das von Gräberreihen umgeben ist, stehen symbolisch einzelne Kreuzgruppen aus Buntsandstein. Heute heißt der Bereich Ehrenfriedhof.
Zwei Brüder starben in den Vogesen
Der erste Würzburger, der hier seine letzte Ruhe fand, war der Infanterist Georg Ostermeier, der einen Monat nach Kriegsbeginn, am 1. September 1914, mit militärischen Ehren beerdigt wurde. Viele sollten in den nächsten vier Jahren folgen, bis zuletzt 441 deutsche Soldaten des Ersten Weltkrieges auf dem "Heldenfriedhof" lagen.
In der Reihe mit dem Stein für den unbekannten Soldaten finden sich zwei Steine, die an Geschwister erinnern: Der Theologiestudent Helmut Beyl und sein Bruder Otto Beyhl, Söhne eines Würzburger Schriftstellers, fielen im Alter von 23 Jahren 1915 und 1916 an fast derselben Stelle in den Vogesen.
Ein Deutscher war freilich nicht der Erste, der im "Heldenfriedhof" beerdigt wurde. Bereits am 30. August 1914 wurde ein Kriegsgefangener, der Franzose Therral Dufourd, hier bestattet. Auch dies geschah mit militärischen Ehren. Prälat Hemmerich hielt eine Ansprache, der das Evangelienwort "Liebet Eure Feinde" zugrunde lag.
Gefangene vom Galgenberg
Viele weitere Gefangene, die in der Regel im großen Lager am Galgenberg festgehalten wurden, kamen hinzu. Sie starben an ihren Kriegsverwundungen oder an Krankheiten. In seinem 1921 erschienenen Buch "Würzburger Friedhofswanderung" nennt August Memminger Zahlen: 100 Franzosen, 6 Engländer, 13 Italiener und 41 Russen wurden im "Heldenfriedhof" bestattet. Das heißt: Mehr als ein Viertel der hier im Ersten Weltkrieg Beerdigten waren Soldaten der Feindnationen; viele wurden nach Kriegsende exhumiert und in ihre Heimatländer zurückgebracht.

Die Beerdigung eines französischen Soldaten vor 102 Jahren schilderte der ehemalige Kriegsgefangene Septime Gorceix 1930 in seinem Buch "Evadé", das 2016 unter dem Titel "Flucht vom Galgenberg" auf Deutsch neu herauskam. Auch der damals 26 Jahre alte Gorceix war Gefangener am Galgenberg, doch zusammen mit einigen Kameraden durfte er der Beerdigung auf dem Hauptfriedhof an einem Samstag im Oktober 1916 beiwohnen.
Seit 26 Monaten standen sich deutsche und französische Soldaten an den Fronten gegenüber, töten sich mit Flammenwerfern und Bajonetten, mit Gas und Maschinengewehren. Doch an diesem Samstag war auf dem Würzburger Hauptfriedhof alles anders: Deutsche Soldaten schossen Ehrensalut, als ein Franzose, Soldat wie sie, nur eben auf der anderen Seite, feierlich zu Grabe getragen wurde. Der junge Mann war in Würzburg krank geworden und im Lazarett in der Schillerschule, wohin solche Gefangene kamen, gestorben.
Vier deutsche Soldaten trugen den Franzosen zu Grab
Vier deutsche Soldaten hatten den Sarg, in dem der Gegner ruhte, auf ihre Schultern genommen und zum "Heldenfriedhof" getragen. Ein deutscher Priester sprach am Grab Gebete auf Deutsch, Lateinisch und Französischen, bevor, wie Gorceix schreibt, "drei Ehrensalven des Begleitkommandos hart die Stille zerrissen".
Noch während der Krieg andauerte, sammelten die französischen Gefangenen im Lager am Galgenberg Geld für ein Denkmal. Als der wuchtige Obelisk neun Monate nach Kriegsende, im August 1919, aufgestellt wurde, waren alle längst in ihre Heimat zurückgekehrt, doch kann man vermuten, dass einige nach Würzburg kamen, um an der Zeremonie teilzunehmen.
Ein Denkmal errichtete 1931 auch Würzburg seinen Gefallenen. Es befindet sich im Husarenwäldchen, ganz in der Nähe jenes Ortes, wo Frankreichfreunde mit ihren Kugeln heute Boule spielen. Das Denkmal besteht aus Steinplatten mit den Namen der Gefallenen und einer großen Skulpturengruppe aus Muschelkalk; sechs Soldaten in Überlebensgröße tragen einen Gefallenen auf einer Bahre.
Denkmal im Husarenwäldchen
Als Septime Gorceix 1935 für ein paar Tage das nationalsozialistisch gewordene Würzburg besuchte, ging er in den Friedhof und legte am Denkmal für die französischen Toten einen Blumenstrauß in den Nationalfarben Blau, Rot und Weiß nieder. Der Obelisk mit der Inschrift "A nos morts" (Unseren Toten) steht noch heute neben dem Ehrenfriedhof, zusammen mit zwei hölzernen Stelen, auf denen sich die Namen von gestorbenen russischen Gefangenen finden.

Es dauerte nur zwei Jahrzehnte, bis nach dem Ersten Weltkrieg der zweite mit noch viel größeren Opferzahlen folgte. Zahlreiche Kriegstote wurden auf dem Hauptfriedhof beerdigt, ebenso wie manche Opfer des 16. März 1945. Von diesen liegen die meisten allerdings im Massengrab vor dem Eingang des Friedhofs.
Im November 1951, als auch der Wiederaufbau Würzburgs in vollem Gang war, begann der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge mit dem Ausbau des nunmehrigen Ehrenfriedhofs. Aus 51 unterfränkischen Gemeinden wurden Kriegstote hierher umgebettet, darunter auffallend viele junge Männer, das letzte Aufgebot des Dritten Reiches. Auf dem Gräberfeld ruhen seither 1684 Soldaten der beiden Weltkriege und 183 zivile Opfer: 85 Männer, 72 Frauen, 26 Kinder; die Namen von 167 Toten sind unbekannt.
Noch viele weitere Kriegsgräber
In einer kleinen Kapelle, an deren Außenseite ein Fries zum Gedenken an die Flucht der Heimatvertriebenen angebracht ist, sind die namentlich bekannten Toten aufgeführt, zusammen mit der Inschrift "Führe uns zum Licht".
Gräber von Kriegsopfern, wenn auch nicht aus dem Ersten Weltkrieg, finden sich noch an weiteren Stellen in Würzburg. Am bekanntesten ist das schon erwähnte Massengrab vor dem Hauptfriedhof, in dem 2965 Opfer des 16. März 1945 ruhen. Eine große liegende Plastik zeigt ein totes Elternpaar mit seinen Kindern. Das Ehrenmal wurde vor kurzem um Glasstelen mit den Namen der Toten, soweit sie bekannt sind, ergänzt.
Im Heidingsfelder Friedhof befindet sich ebenfalls eine Kriegsgräberstätte. Die meisten Toten sind Fremdarbeiter oder Kriegsgefangene aus Lettland, Russland, Estland, Polen, Ungarn und Italien, die während des Dritten Reichs im einem benachbarten Lager gearbeitet haben.
Soldatenfriedhof in der Wörthstraße
Die Kriegsgräberstätte im Friedhof von Unterdürrbach erinnert an die Opfer der Bombenangriffe auf Würzburg und Umgebung und an die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges, vor allem an die Toten des Bombenangriffs auf Oberdürrbach am 31. März 1945, unter denen viele Frauen waren. In der Nähe steht ein weiteres Denkmal für die Toten der Kriege 1866, 1870/71 und 1914-1918.
Kaum bekannt ist der ehemalige Soldatenfriedhof, der 1750 auf dem Gelände des heutigen Heiligkreuz-Kindergartens in der Wörthstraße angelegt wurde. Er diente, schreibt der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der Bestattung von Würzburger Soldaten, Offizieren und deren Angehörigen. Daneben wurden dort auch Soldaten der bayerischen, österreichischen, russischen und französischen Armee beigesetzt, die auf Kriegszügen durch Würzburg ihren Krankheiten oder Verwundungen erlagen.
Massengräber für Opfer des Zweiten Weltkriegs
Als 1866 der Deutsche Krieg in der Würzburger Gegend stattfand, erhielten 236 bayerische, preußische und württembergische Soldaten hier ihre letzte Ruhestätte. 1870/71 wurden 270 Bayern und französische Kriegsgefangene an diesem Ort beigesetzt. Ein Stadtratsbeschluss von 1926 verfügte die Aufhebung des Militärfriedhofs.

Als Anfang April 1945 die Mainbrücken gesprengt waren und man nicht zum Hauptfriedhof gelangen konnte, wurden hier zwei Massengräber ausgehoben, um beim mehrtägigen Kampf um Würzburg gefallene Soldaten und Zivilisten zu bestatten; später wurden sie auf den Hauptfriedhof umgebettet.
Heute erinnern nur noch ein großes Steinkreuz und einige Grab- oder Gedenksteine in der südwestlichen Ecke des Freibereichs des Kindergartens an den Militärfriedhof. Fröhlicher Kinderlärm ist hier der Trauer um die Gestorbenen gewichen. Wer Ruhe sucht, findet diese aber an einem der anderen Gedenkorte.
Würzburger und der Erste Weltkrieg Am Mittwoch, 31. Oktober, lädt der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge um 16 Uhr in den großen Saal der Regierung von Unterfranken, Peterplatz 9, zur Veranstaltung "Würzburger Dialog zum Ersten Weltkrieg" ein. Der Main-Post-Autor und Historiker Roland Flade diskutiert mit Volksbund-Bezirksgeschäftsführer Oliver Bauer. Der Eintritt ist frei.