Die Ritaschwestern feiern ihr 110-Jähriges mit der Veröffentlichung des Buchs "Dem Leben dienen". Der Untertitel "Die Ritaschwestern und die Würzburger Juden" hängt genau mit dem etwas krummen Jubiläum zusammen. Denn dieses Thema behandelte auch schon ein Aufsatz in der Festschrift vor zehn Jahren, bei der großen runden Feierlichkeit. Nur waren eben ein paar Fragen offen, gleichzeitig lockte viel unausgewertetes historisches Quellenmaterial den Autor, den langjährigen Main-Post-Redakteur Roland Flade. Das war vor zehn Jahren. Am Donnerstag, 7. Oktober, konnten die Rita-Schwestern heuer einen abwechslungsreichen, grundlegenden und überraschenden Text-Bild-Band von gut 150 Seiten in ihrer voll besetzten Aula verteilen.
Wie es bei der Gemeinschaft (beziehungsweise Kongregation) der Ritaschwestern naheliegt, besuchten Vertreter ihres Ordens, der Augustiner, die 110-Jahres-Feier an der Friedrich-Spee-Straße. Und es waren alle Konvente der Gemeinschaft zu Gast: aus Bad Königshofen, Luzern und aus den USA. Die Aktion Stolpersteine repräsentierte deren Mitgründerin Benita Stolz.
Leitmotiv der Schwestern: Respekt gegenüber anderen Kulturen
"Respekt gegenüber anderen Kulturen" hätten die Ritaschwestern seit ihrer Gründung gelobt. Heute zeigt sich das an den Kindereinrichtungen der Gemeinschaft: Die 100 dort betreuten Mädchen und Jungen gehören 20 verschiedenen Nationen an. Im frühen 20. Jahrhundert bewegte ihre offene Grundhaltung die Schwestern dazu, Pflegedienste zuerst im jüdischen Krankenhaus in Würzburg zu übernehmen. Wie sie dazu gekommen sind, ist trotz der dichten Aktenlage noch nicht ganz geklärt. Bei der Präsentation seines jüngsten Werks spekulierte Roland Flade vorsichtig, er könne sich vorstellen, dass der Klinikleiter als praktischer Arzt bei Hausbesuchen festgestellt habe, wie umsichtig sich Ritaschwestern als hilfreiche Geister sich um einzelne Patienten gekümmert hätten. Zwar beschäftigte die Klinik bereits Personal aus den Reihen des Roten Kreuzes. Aber, so der Historiker auf seine unnachahmliche Art: "Überlieferte Gründe für den Wechsel sind lediglich 'irgendwelche Schwierigkeiten' mit dem Roten Kreuz, die es mit den Ritaschwestern anscheinend nicht gab."
Auch nicht in den jüdischen Seniorenheimen. Bereits 1892, sieben Jahre nach dem Krankenhaus, eröffnete die jüdische Gemeinde ihr erstes Altenheim in der Stadt, dem bis 1933 zwei weitere folgen sollten. Wobei diese Einrichtungen laut Flade vor allem wohl aus einem Grund gebaut wurden: Im Unterschied zu nicht-jüdisch geführten Kliniken und Seniorenheimen konnten die Nutzer jüdischer Häuser sicher sein, dass ihnen koscheres Essen serviert werde.
Ritaschwestern arbeiteten bis 1942 in den jüdischen Einrichtungen
Das hervorragende Verhältnis zwischen den Katholikinnen und den Juden dokumentiert eine jüdische Chronik über den Ersten Weltkrieg durch ihre Formulierung: "unsere Ritaschwestern". Für einen Historiker sei es "eine Freude, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der einem ständig neue Unterlagen zur Verfügung stellt", schmunzelte Roland Flade in die Aula. Trotzdem blieb eine offene Frage: Während die Nationalsozialisten ihren vermeintlichen Volksgenossen jeden Umgang mit Juden strafbewehrt verboten, gingen Ritaschwestern bis zum Februar 1942 in allen vier jüdischen Einrichtungen zur Arbeit. Nur bei der Deportation der letzten unterfränkischen Juden sollten die Christinnen keine Zeugen sein.