Eigentlich hat er mit einer Frau als Spielhallenaufsicht gerechnet. Aber die musste sich um ihre kranken Kinder zuhause kümmern. Ihr Mann sprang an diesem Abend kurzfristig als Vertretung ein und übernahm die Spätschicht seiner Frau. Bis kurz nach Mitternacht war es ein ruhiger Abend. Der 35-Jährige warf seine letzten drei Euro in einen Automaten, um sich die Zeit bis Feierabend zu vertreiben. Dann, kurz nach Mitternacht, kam ein Mann ins Spielcasino. Bekleidet mit einer Skimaske, Handschuhen und einem Schal über dem Mund. „Er kam mir sehr nahe, forderte mich auf, zur Kasse zu gehen“, erinnerte sich der 35-Jährige vor dem Landgericht Würzburg. Was der Täter damals aber nicht wusste: Sein Gegenüber hat im Irak-Krieg auf Seiten der Amerikaner gekämpft – und hat gelernt, mit Angreifern umzugehen.
45 000 Euro Schulden
Der Angeklagte kommt aus dem Landkreis Würzburg. Er ist 48 Jahre alt, wohnt noch bei den Eltern. Sein Vater ist letztes Jahr verstorben. Seitdem müsse er sich zuhause um alles kümmern. „Mein Mandant lebte immer am Rand des Existenzminimums“, sagt sein Anwalt. Mit Aushilfsjobs hielt er sich über Wasser. Mal als Küchenhilfe, Staplerfahrer, zuletzt sortierte er Briefe und stellte Zeitungen zu. Gereicht habe das Geld aber nie. „Er hat von einem Loch ins andere geschafft“, sagt sein Anwalt. Dazu kommen Schulden. Etwa 45 000 Euro. Unter anderem von einem Autokauf.
Bei der Wohnungsdurchsuchung fanden die Beamten dann mehrere elektronische Geräte: Drucker, PC's, Laptops, Monitore, Spielkonsolen – alle noch original verpackt. „Ist das der Grund für ihre finanziellen Schwierigkeiten“, fragt der Vorsitzende Richter. Der Angeklagte verneint. Heizöl habe er kaufen müssen, das Auto war kaputt, zwei neue Reifen wurden gebraucht. Überhaupt sei das Konto immer am Anschlag gewesen. Nicht einmal genug, um zu tanken, hätte er gehabt, erzählt er dem Gericht.
Für die Tat extra einen Tag Urlaub genommen
„Nur ein bisschen Geld“ wollte er Ende August 2017, als er sich entschloss, die Spielhalle in Heidingsfeld zu überfallen. 500 Euro hätten ihm geholfen, um die Zeit bis zum nächsten Lohn zu überbrücken. Spontan habe er sich dann entschieden, das Spielcasino zu überfallen. Das Gericht will ihm das aber nicht glauben. Denn der Angeklagte hat sich extra einen Tag Urlaub genommen. Unter dem Vorwand, seine Mutter habe einen Schwächeanfall, blieb er zuhause. Und auch in der Spielhalle sei er vorher schon einmal gewesen. Der Angeklagte wusste genau, dass dort eigentlich eine Frau die Aufsicht hatte und, wo sich die Kasse befand. „Ja, ich war vorher mal dort, aber nicht um es auszukundschaften“, sagt der Angeklagte, der alles einräumt. Nur, dass er die Tat geplant haben soll, das will der 48-Jährige nicht so recht einsehen.
Mit ungeladener Schreckschusspistole ging der Angeklagte am 30. August kurz nach Mitternacht auf den Mann in der Spielhalle zu. „Geh zur Kasse“, soll er gesagt haben, erinnert sich der pensionierte US-Soldat im Zeugenstand. „Ich hatte Angst, dass es eine echte Waffe ist. Die sah aus wie ein 22-er Revolver.“ Der Soldat war im Irak stationiert. Sechs Schrauben hat er im Rücken, eine im Knie. Noch heute leidet er unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Die Situation in der Spielhalle erinnerte ihn wieder an diese Zeit.
Zu Boden gedrückt und in den Schwitzkasten genommen
Als sich der Angreifer dann kurz wegdrehte, packte der Soldat den Mann und drückte ihn zu Boden, um die Situation unter Kontrolle zu halten. Doch der Spielcasino-Räuber wehrte sich immer. Der Soldat, ehemals Kämpfer im Irak-Krieg, schlug ihm mehrmals ins Gesicht, würgte ihn, nahm ihn in den Schwitzkasten. Der Täter wurde schwer verletzt in die Notaufnahme gebracht. Das Jochbein war gebrochen. Er musste notoperiert werden. Die Frau des Soldaten musste ihre Tätigkeit in der Spielhalle kündigen, aus Angst, Opfer eines weiteren Überfalls zu werden. Und auch der Soldat hat noch ein paar Tage an dem Überfall zu kauen. Er spricht von Albträumen.
In seinem Plädoyer geht der Staatsanwalt von einer schweren räuberischen Erpressung aus und fordert eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Dass es eine spontane Tat gewesen sein soll, glaubt der Staatsanwalt nicht. Auch nicht, dass er aus Geldnot gehandelt habe. Dafür habe der Angeklagte keinen übermäßigen Lebensstil gepflegt, den es zu finanzieren galt. Für den Angeklagten spreche, dass er bisher noch nicht straffällig geworden sei und umfänglich geständig ist.
Verteidigung: Bewährung kommt nicht in Frage
Die Verteidigung sieht einen minderschweren Fall der räuberischen Erpressung, räumt aber ein, dass eine Bewährung nicht in Frage kommt. Dafür müsste sein Mandant ein geordnetes Leben führen, einen Beruf haben. Der Angeklagte sei damals, nach dem Tod seines Vaters, der sich immer um alles gekümmert hat, überfordert gewesen. Zwei Jahre und sechs Monate beantragt der Verteidiger als Strafmaß.
Die Kammer verurteilt den 48-Jährigen, der seit der Tat in Untersuchungshaft sitzt, zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.