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WÜRZBURG: Flüchtlingen aus Somalia droht Abschiebung

WÜRZBURG

Flüchtlingen aus Somalia droht Abschiebung

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    Seit Maryan Sheik Hassan aus Somalia diese durchgestrichene Aufenthaltsgenehmigung hat, lebt sie in ständiger Angst vor Abschiebung.
    Seit Maryan Sheik Hassan aus Somalia diese durchgestrichene Aufenthaltsgenehmigung hat, lebt sie in ständiger Angst vor Abschiebung. Foto: Foto: Pat Christ

    Missionsärztliches Institut in Würzburg kritisiert den Umgang mit den afrikanischen Frauen „als humanitäre Ungerechtigkeit ungeahnter Dimension“.

    „Erloschen“ und „Dublin“ steht mit roten Druckbuchstaben auf der Aufenthaltsgestattung von Maryan Sheik Hassan. Zwei dicke rote Querstriche unterstreichen die Botschaft, die unter diesen beiden Worten prangt. „Vollziehbar ausreisepflichtig“ heißt es da kleingedruckt. Seit Mitte November, seit die 24-Jährige aus Somalia dieses Dokument hat, geht es ihr schlecht. „Ich habe Angst“, erzählt sie während des Gesundheitskurses des Missionsärztlichen Instituts (MI) in der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft.

    Seit vier Monaten lebt Maryan Sheik Hassan in Würzburg. Sie floh aus dem Bürgerkriegsland Somalia, weil ihr dort die Zwangsverheiratung droht. Zwar hat die junge Frau bereits einen Mann. Mit 14 Jahren heiratete sie: „Das war freiwillig.“ Sehr lange waren sie und ihr Mann jedoch nicht zusammen: Sheik Hassans Gatte floh bereits vor neun Jahren nach Norwegen. Seit er in einem „heidnischen“ Land lebt, gilt die zweifache Mutter in den Augen der al-Shabaab, einer militanten islamistischen Bewegung in Somalia, als nicht verheiratet. Und frei dafür, irgendeinem Mann der Terrormiliz zugesprochen zu werden.

    Flucht Äthiopien und den Iran

    Maryan Sheik Hassan floh über Äthiopien, den Iran und die Türkei nach Italien. In Italien wurde sie registriert, man nahm ihre Fingerabdrücke. Bleiben wollte sie jedoch nicht in diesem Land. Denn in Italien ist die Situation für Geflüchtete äußerst prekär. Weil so viele Flüchtlinge hier landen, sind die Aufnahmestellen völlig überlastet. Nach Ansicht verschiedener Flüchtlingsorganisationen verstößt eine Abschiebung nach Italien wegen der dortigen Defizite im Asylsystem gegen die Menschenrechte.

    Wie prekär die Lage ist, hat Maryan Sheik Hassan selbst erfahren. „Ich musste draußen im Park schlafen, als ich in Italien war“, berichtet die junge Somalierin. Weil sie so schlechte Erfahrungen gemacht hat, ist ihre Angst vor einer Abschiebung auch so groß. Zu Recht, sagt Christine Wegener vom Missionsärztlichen Institut: „Wir haben erfahren, dass viele Frauen aus Somalia in Italien in der Prostitution landen.“

    Angst um Mann und Kinder

    Safiyo Mahamed Ali hatte etwas mehr Glück. Die 28-jährige Somalierin reiste zwar ebenfalls über Italien ein. Doch weil sie hochschwanger in Deutschland ankam, wurde sie als Flüchtling anerkannt. Safiyo Mahamed Ali floh aus ihrem Heimatland, nachdem sie dort im Gefängnis war. Ihr Mann war in Verdacht geraten, ein Spion zu sein. Im Gefängnis wollte man aus ihr herausbekommen, wo sich ihr Mann aufhielt: „Doch das wusste ich selbst nicht.“ Schließlich gelang es ihr, zu fliehen.

    Über ihre Anerkennung ist sie froh. Doch um ihre vier Kinder sorgt sich die junge Frau: „Es sind alles Mädchen, die älteste ist fünf Jahre alt, und ich fürchte, dass sie bald beschnitten werden.“ Mittlerweile ist ihr Mann wieder aufgetaucht und kümmert sich um die Kinder. Dennoch wird sich ihr Wunsch, sie nachkommen zu lassen, erst einmal nicht erfüllen. Die Behörden verweigern den Familiennachzug.

    Erste Frau wurde bereits abgeschoben

    „Wie man mit den Flüchtlingen aus Somalia umgeht, ist eine humanitäre Ungerechtigkeit ungeahnter Dimension“, empört sich Andre Spiegel vom Missionsärztlichen Institut. Kaum eine Flüchtlingsgruppe habe eine so geringe Lobby. Gleichzeitig seien gerade Menschen aus Somalia besonders stark von der Dublin-III-Verordnung betroffen. Die besagt, dass jener Staat für einen Flüchtling zuständig ist, in dem der Flüchtling als erstes EU-Territorium betreten hat. Die meisten Flüchtlinge aus dem von Clans und Warlords terrorisierten Somalia reisen über Italien ein. Deshalb sollen sie dorthin zurückgebracht werden. Wie prekär die Lage ist, zeigt eine aktuelle Entwicklung: Am Montagabend sei eine Frau aus Somalia nach Österreich abgeschoben worden, bestätigt das MI.

    Deutschlandweit einzigartiges Hilfsprojekt

    Dass Flüchtlinge aus Somalia nach Würzburg verteilt werden, ist Spiegel zufolge relativ neu: „Das begann vor einem Jahr.“ 523 somalische Flüchtlinge kamen 2017 nach Unterfranken. Das Missionsärztliche Institut, das sich seit zwölf Jahren in einem deutschlandweit einzigartigen Projekt um die Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge in der GU kümmert, reagierte. „Wir bieten gerade erstmals einen zweiwöchigen Gesundheitskurs für vorwiegend somalisch sprechende GU-Bewohner an“, sagt Spiegel. Dies geschieht in Kooperation mit Übersetzerin Zeynab Herrmann, einer Würzburgerin, die Ende 1990 wenige Wochen vor Ausbruch des Bürgerkriegs aus Somalia floh.

    Immenser psychischer Druck

    Auch die täglichen Sprechstunden des MI werden von den Geflüchteten aus Somalia rege angenommen. Gerade durch diese Sprechstunden erfahren die MI-Mitarbeiter, unter welchem immensen psychischen Druck die Somalier stehen. „Viele klagen über Kopf- und Bauschmerzen, viele haben Schlafstörungen“, sagt Spiegel. Besonders schlimm ergeht es Frauen, die auf der Flucht vergewaltigt wurden – und nun ein Kind zur Welt bringen. Ein Kind, das sie nicht lieben können. Erinnert es sie doch ständig an all das Furchtbare, was sie durchmachen mussten.

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