Wer denkt bei Umzug an die Grabverlängerung? Manchmal bleiben Gräber über kurz oder lang liegen, sehr einsam liegen. Keiner kümmert sich mehr. Die Gründe sind verschieden, mag es sein, dass Angehörige den Weg nicht mehr schaffen oder keine Angehörigen mehr da sind. Kann sein, dass Angehörige umgezogen sind und das Grab vergessen haben. Manchmal sieht man dem Grab die Einsamkeit an, in der es vor sich hinschlummert, Pflanzen wachsen allmählich hoch und sehen aus wie Unterholz, aber, so die Chefin der Friedhofsverwaltung Isolde Krones: „So lange es nicht stört, rühren wir es nicht an“.
Was Krones nicht akzeptiert, sind beispielsweise Disteln, die schon ins Nachbargrab wachsen. Werden Angehörige dann doch gefunden, rechtfertigt sich der ein oder andere schon mal. Zum Beispiel so: „Meine Mutter hat Wildblumen geliebt.“
Die Liegezeit in den Würzburger Friedhöfen beträgt 15 Jahre. Sie kann verlängert werden.
Immer weniger Menschen wollen in den beiden großen Würzburger Friedhöfen – Hauptfriedhof und Waldfriedhof – große Gräber. Die Hauptursache vermutet Krones in der heutzutage so flexiblen Gesellschaft, in der die Grabpflege oft in die Hände der Friedhofsgärtnereien gelegt wird oder – wie bei Plattenabdeckungen – gar nicht mehr nötig ist. Vielfach ist dann die Urne die Wahl der Trauernden. Inzwischen liege der Urnenanteil in den Würzburger Friedhöfen bei 60 Prozent, so Krones, wobei in den Stadtteilfriedhöfen der Anteil der Erdbestattungen höher ist, in der Innenstadt und am Waldfriedhof erfolgen dafür mehr Urnenbestattungen.
Meldet sich niemand als Angehöriger für ein Grab und kommt die Post zurück, wenn einst Verantwortliche angeschrieben wurden, dann lässt die Würzburger Friedhofsverwaltung das Grab erst einmal liegen und versucht, Verwandte zum Beispiel auch über Aufkleber auf den Grabsteinen zu finden. Zwei, drei Jahre können dabei ins Land gehen, bis letztlich die Suche ein Ende hat und das Grab aufgelassen wird.
Im Hauptfriedhof wird noch beerdigt, obwohl sich Teilbereiche nicht mehr für eine Erdbestattung eignen. Vor allem in den Innenfeldern ist die Erde teilweise verseift und die darunter liegenden Schichten lassen kein Wasser mehr abfließen. Hier kann man nicht mehr mit einer Verwesung innerhalb von 15 Jahren rechnen. Noch nicht verweste Leichen, Fachleute sprechen von Wachsleichen, bleiben dennoch im Boden, das sei „eine Sache der Pietät“, sagt die Verwaltungsleiterin. Hier ist freilich kein Platz mehr für Särge. Immer wieder werden solche Flächen dann als Urnengräber benutzt. Außer der dünnen Wand der Urne und den Aschen verwest in diesem Fall ja nichts mehr. Urnen werden in nur 80 Zentimeter Tiefe eingegraben. Für Särge sind zwei Meter und mehr notwendig.
Urnengärten sind die Alternative zu Grab oder Urnenwand. In den Würzburger Friedhöfen finden sich unterschiedliche Flächen dafür, zum Beispiel bepflanzte Rondelle oder Kreise, Halbkreise oder Ovale. Meist ist ein solcher Mini-Park in Parzellen aufgeteilt und die Bepflanzung so angebracht, dass jedes Teil als eigenes kleines Grab darin zu erkennen ist. Der Name des Verstorbenen ist auf eine kleine Platte graviert; wenn Stelen oder kleinen Grabsteine angebracht sind, stehen die Namen darauf. Im Hauptfriedhof haben diese Orte Namen wie Ahorngarten, Stelengarten, Rosengarten, Felsengarten.
Nach Bedarf werden immer weitere solcher Flächen ausgewiesen. Speziell für Fehlgeburten unter 500 Gramm plant Isolde Krones eine Kinderwiese hinter den Kindergräbern, damit Eltern, die das wünschen, auch für diese einen eigenen Abschiedsort finden. Die winzigen Kistchen mit den Kleinsten haben dann einen klitzekleinen Platz in der Wiese. Bisher werden sie in einem Gemeinschaftsgrab bestattet. Im Lengfelder Friedhof zum Beispiel ist für die Kleinsten eine Stele mit dem kleinen Prinzen und der Aufschrift „Sternenkinder“ zu finden.
Circa 2400 Menschen sterben jährlich in Würzburg, viele von ihnen waren zuletzt noch Patienten in hiesigen Krankenhäusern, haben aber auswärts gewohnt. Und so verbleiben noch zwischen 1200 und 1400 Bestattungen pro Jahr in Würzburg. Isolde Krones ist gerade dabei, am Hauptfriedhof einen eigenen Abschiedsraum für Angehörige gestalten zu lassen, in dem die Trauernden bei offenem oder geschlossenen Sarg noch ein letztes Mal ohne Zeitdruck Abschied vom Verstorbenen nehmen können. Bisher war ein letzter Blick nur durch eine Glasscheibe oder zu eingeschränkten Terminen möglich.
Die Zahl der Erdbestattungen gehen auch im Landkreis Würzburg zurück, Gräber werden aufgelassen, weil die Pflege zu intensiv ist. Dafür geht die Kurve bei Urnen-Beisetzungen nach oben. Das bestätigten übereinstimmend Herbert Ditzel von der Gemeinde Rottendorf und sein Kollege Klaus Krautschneider aus Veitshöchheim in Gesprächen mit dieser Zeitung.
Durch diese Entwicklung bestand und besteht Handlungsbedarf, dem die Gemeinden Rechnung getragen haben. In Rottendorf wurden die Hausaufgaben bereits gemacht. So wurde das ehemalige Leichenhaus auf dem Rottendorfer Friedhof zum Urnenhaus mit 163 Nischen umgebaut. Aktuell sind 55 bereits vergeben. Die Kammern können jeweils mit vier Urnen belegt werden.
In Veitshöchheim stehen in der Urnen-Wandanlage nicht mehr viele Grabstätten zur Verfügung. Handeln war angesagt. So hat die Gemeinde für die Zukunft geplant und setzt derzeit das Projekt „Lebensfluss“ um. Damit beschreitet der zertifizierte Friedhofsplaner Thomas Struchholz (Veitshöchheim) neue Wege im Bestattungswesen.
Auf einer rund 1000 Quadratmeter großen Fläche im Nordosten des Waldfriedhofs sind in unterschiedlichen Bereichen insgesamt 135 Urnen-Erdgräber und 86 Urnenkammern – insgesamt 221 – für verschiedene Bestattungsarten vorgesehen. Die Anlage soll im Frühjahr 2014 eröffnet werden und kostet laut Krautschneider rund 120 000 Euro.
Unter dem Leitthema „Lebensfluss“ wird anstelle der bisher starren Ausrichtung der Grabreihen alles fließender. Ein Schotterbett schlängelt sich durch die Fläche und es werden dadurch halbrunde, getrennte Räume mit Sitzmöglichkeiten entstehen, die zur Meditation, Besinnung und zum Gebet einladen.
Vorgesehen sind unter auch anderem Grabstellen mit Stelen, an denen Namensschilder angebracht und die Urnen im Kreis oder Halbkreis bestattet werden. Weiter sind Urnen-Bestattungen im Boden und Kammern möglich. Ein Frühchen-Grabfeld ist ebenfalls vorgesehen.
Die Belegung ist auf 15 Jahre ausgelegt, auch inklusive der wesentlich leichteren Pflege und einem Grabstein. Dazu sollen Steinmetze und Gärtnereien aus der Region herangezogen werden, schildert Friedhofsreferent Klaus Krautschneider.
Dass auf diesem Sektor des Bestattungsbereiches solcher Bedarf besteht, zeigt ein Blick in die Rottendorfer Statistik. 1998 erfolgte die erste Urnen-Bestattung. Dabei blieb es aber nicht. Bereits ein Jahr später waren es fünf und 2000 schon zwölf. In diesem Jahr sind bis jetzt – Stand Ende Oktober – 35 Urnenbestattungen aufgelistet. Demgegenüber stehen bis dato 21 Erd- und sieben Grabkammern-Bestattungen.
Letztere Möglichkeit wird in Rottendorf seit 2004 angeboten. Mit den Grabkammern könne den Wachsleichen entgegengewirkt werden. Die Verstorbenen werden in einem normalen Sarg beigesetzt. Die permanente Belüftung garantiert eine Verwesung innerhalb von fünf bis zehn Jahren.