Vor sechs Jahren konnten sich im Fränkischen gerade mal sieben Restaurants mit einem der heiß begehrten Michelin-Sterne schmücken. Mit einem der Sterne also, die immer noch für Gastronomie auf höchstem internationalen Niveau stehen. 2019 sieht es nun ganz anders aus. In der neuesten Ausgabe des Michelin-Führers wurden gleich 14 Restaurants in Franken mit einem oder sogar zwei Sternen ausgezeichnet. Der Norden des Freistaats erlebt also eine Art kulinarischen Qualitätsschub.
Neue Sterne in Nürnberg
Besonders auffällig: Mit den Restaurants „Koch und Kellner“, „Der Schwarze Adler“ und „Waidwerk“ ergatterten gleich drei Häuser in Nürnberg neu einen Stern. Aufgestiegen in die Zwei-Sterne-Liga sind das Wirsberger Restaurant „Alexander Herrmann by Tobias Bätz“ (Landkreis Kulmbach) sowie das „Sosein“ im mittelfränkischen Heroldsberg.
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Ebenfalls bemerkenswert: das „Essigbrätlein“ in Nürnberg, das seine zwei Sterne seit Jahren erfolgreich bestätigt – und damit als eines der etabliertesten Sternerestaurant gelten kann. Es scheint, als würden sich in Nürnberg die Gourmetsterne konzentrieren – Betroffenen zufolge nicht zuletzt eine Folge der positiven Entwicklung der Nürnberger Messe.
Bewährte Küchen in Unterfranken
Und Unterfranken? Hier konnten sich die bislang schon bewährten Küchen in Bad Kissingen („Laudensacks Gourmetrestaurant“), Würzburg („KUNO 1408“ und „Reisers am Stein“), Sommerhausen („Philipp“) und Amorbach („Schafhof“) erneut beweisen. Fünf Sterne gingen somit erneut in die Region.
Gleichzeitig bleibt Oberfranken eher eine Gourmetwüste. Mit Ausnahme eben von Alexander Herrmanns Restaurant in Wirsberg, dem einzigen Sternebetrieb. Das Coburger „Esszimmer“, bislang stets mit einem Stern ausgezeichnet, wurde in diesem Jahr nicht berücksichtigt. Nach einem Besitzerwechsel und dem Ausscheiden des Chefkochs konnten sich die Kritiker nicht mehr rechtzeitig ein Bild von der neuen Küche machen, so heißt es von Michelin auf Nachfrage.
Wie läuft eine Prüfung eigentlich ab?
Getestet werden die Restaurants übrigens jährlich. Das heißt, wer einen Stern erhalten hat, muss ihn jedes Jahr verteidigen. Wie aber läuft so eine Prüfung ab? Und kann ein etablierter Koch wie beispielsweise Andree Köthe vom Nürnberger „Essigbrätlein“, seit mehr als einem Dutzend Jahren Sternekoch, überhaupt von einem Prüfer überrascht werden? Wohl kaum: „Man erkennt sie daran, dass sie kaum reden und als Erstes auf die Toilette gehen.“ Köthes Trefferquote im Erkennen der Tester: 95 Prozent.
Ein Stern – das heißt auch Erfolgsdruck
Im Prinzip sei das aber egal. Weil ständig auf höchstmöglichem Level gekocht werde. Derlei Aufwand schlägt sich natürlich auch in den Preisen nieder. Wer sich ein Sechs-Gänge-Menü für zwei Personen im „Essigbrätlein“ gönnt, dazu noch einen passenden Wein ordert, kann schon mal 500 Euro berappen. Das ist viel Geld. Dahinter stecken aber auch die Leidenschaft, das Engagement und das Können von Spitzen-Gastronomen.
Für die Gäste ist ein Dinner im „Essigbrätlein“ eine Flucht aus dem Alltag. Für die Köche bleibt jeder Abend genau dies: Alltag. Die Bereitschaft, sich an jedem einzelnen Abend mit derselben Akkuratesse dem Lamm mit Steckrüben oder der Creme von fermentierten Bohnenschoten zu widmen, unterscheidet Sterneköche von lediglich hervorragenden Küchenmeistern. Aber: „Auch bei uns gibt es gute und weniger gute Tage. Unser Anspruch ist, dass unsere Gäste davon aber nichts mitbekommen“, sagt Köthe, durchaus erleichtert über die Bestätigung im aktuellen Guide Michelin. „Was hätten sich die Gäste gedacht, wenn wir unseren zweiten Stern verloren hätten?“
Kohlrabi schmeckt nach weißem Trüffel
Derzeit gilt die Begeisterung des 55-jährigen Kochs dem auf fränkischen Feldern gefrorenen und anschließend wieder aufgetauten Kohlrabi. „Der schmeckt nach weißem Trüffel.“ Auch aufgrund solch „irrer geschmacklicher Entdeckungen“ verschwendet Köthe an einen Abschied von der Sterneküche keinen Gedanken – „selbst wenn dies mit mehr Lebensqualität verbunden wäre“.
Ein paar Straßen weiter liegt die Obere Seitenstraße 4 in Nürnberg. Eine unscheinbare Fassade, hölzerne Fensterläden, gelbe Leuchten an der Wand und über der Eingangstür ein leicht nach innen gebogenes Schild mit der Aufschrift „Koch und Kellner“. Wer gern gut isst, kennt die Adresse im Szeneviertel Gostenhof schon länger. Immerhin bietet hier der gebürtige Bamberger Ralf Mackert seinen Gästen schon zwei Jahrzehnte eine gehobene Küche an. „Koch und Kellner“, da spricht schon der Name für zwei. Das stimmt auch. Wobei Mackert der Kellner ist. Jetzt haben er und Gerald Hoffmann ihren ersten Michelin-Stern. Den Testern gefiel es hier: modern-klassisch, schnörkellos, klar.
London, Nizza, Davos - und Gostenhof
Von London, Nizza und Davos ging?s für Mackert geradewegs nach Gostenhof, wo er sich mit einem Freund – der war der Koch – selbstständig machte. Vor 22 Jahren war das. Als sein Freund aufhörte, machte Ralf Mackert allein weiter, besorgte sich seinen Küchenchef zuletzt aus dem „Palazzo“ von Sternekoch Alexander Herrmann. Der gleiche Kellner, ein anderer Koch, die Rechnung sollte aufgehen. Mit dem erst 31-jährigen Gerald Hoffmann hatte der Restaurantchef den Richtigen an Land gezogen. Weil Mackerts großes Ziel schon immer klar war: ein Stern im Michelin-Führer.
Es muss nicht immer mehrgängig sein
Wer am Tresen des Bistros etwas über die Kochphilosophie des Hauses erfahren will, hört, dass der Chef eigentlich gar keine hat. Irgendeine favorisierte Kochrichtung? „Nein, wir machen da kein Dogma draus. Es muss einfach richtig gut sein, dazu frisch, nach Möglichkeit aus der Region und kreativ.“ Zur philosophischen Genügsamkeit passt das Interieur im „Koch und Kellner“. Die Ausstattung wirkt eher nüchtern, fast schon spartanisch. Helles Holzparkett, einfache Bestuhlung, Holztische, keinerlei Tamtam. Weiße Tischdecken – Fehlanzeige. Statt dessen ein eher rustikal wirkender roter Tischläufer. Das passt aber zu dem, was da aus der Küche kommt. Neben den mehrgängigen Menüs kann man hier auch einfacher ordern.
Wie wär's mit „Kinn vom Iberico-Schwein“?
Auf einer großen schwarzen Schiefertafel steht hinter dem Tresen in kreideweißer Handschrift, was gerade angesagt ist. „Kinn vom Iberico-Schwein“ etwa, mit Rübe und schwarzem Knoblauch. Man muss bei Ralf Mackert also kein komplettes Menü essen, ein Hauptgericht geht auch. Oder zwei Vorspeisen, wie sie ein Stammkunde seit Jahren regelmäßig ordere, ist zu erfahren.
Bei aller Schlichtheit aber: Die Freude über den Michelin-Stern ist natürlich groß. Sehr groß. Aber der Koch und der Kellner wissen auch um den Druck, der damit für beide entstanden ist. Denn einen Stern muss sich jedes Restaurant Jahr für Jahr neu erkämpfen.
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